(Berlin) – Nach dem langen Zögern der Regierungsparteien von CDU/CSU und SPD scheinen sich die deutschen Politiker der im Bundestag vertretenen Parteien jetzt zumindest einem Punkt einig zu sein: Erdoğan ist ein Terrorist! Er putscht im eigenen Land und schüchtert in Deutschland lebende Wähler mit türkischem Pass ein. Eine Deeskalation zwischen Deutschland und der Türkei wird es demnach auf lange Sicht nicht geben. Der Ton der deutschen Politiker gegenüber Erdoğan verschärft sich weiter.

Der Tag des Referendums hat für die Auslandstürken schon begonnen. Seit Montag können sie in Deutschland in 13 über das Land verstreut liegende Wahllokale mit JA (Evet) oder NEIN (Hayit) über die weitere Zukunft der Türkei und die Wende zu einer Erdoğan-Diktatur abstimmen. In der Türkei selbst findet die Abstimmung darüber am 16. April statt. Nach einigen verbotenen Wahlkampfauftritten für Erdoğans umstrittenes Referendum hat sich der Ton zwischen Ankara und Berlin zusehends derart verschärft, dass die deutsche Politik inzwischen ein geeintes Bild über Erdoğan abgibt.

Die Fraktionschefin der Linken, Sarah Wagenknecht, nannte Erdoğan einen „Terroristen“ und „Terrorpaten“. Diese vorausgegangene Drohung Erdoğans lautete: „Wenn ihr euch weiterhin so benehmt, wird morgen kein einziger Europäer, kein einziger Westler auch nur irgendwo auf der Welt sicher und beruhigt einen Schritt auf die Straße setzen können.“

Bei einer Veranstaltung am Montag sagte Wagenknecht: „Das ist der Aufruf zum Terrorismus. Da spricht ein Terrorist. Nichts anderes ist das!“

Der Bundestagspräsident Norbert Lammert brachte gar den Vorwurf eines türkischen Putschversuchs auf die politische Bühne. Erdoğan putsche gegen die Demokratie, lautete Lammerts Ansicht der derzeitigen Lage. Erdoğan würde einen eigenen Putsch vornehmen, der Aussicht auf Erfolg hätte.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung mit türkischem Hintergrund, Aydan Özoguz (SPD), sieht die Stimmen der türkischstämmigen Wähler in Deutschland in Gefahr. Gegenüber der „Passauer Neuen Presse“ sagte sie: „Aus vielen Gesprächen in den vergangenen Tagen weiß ich, dass es für viele Kritiker des Referendums, die einen riesigen Rückschritt für den Demokratisierungsprozess der Türkei befürchten, eine echte Überwindung darstellt, zur Stimmabgabe in die türkischen Konsulate zu gehen.“

Der Grünen-Chef Cem Özdemir, der seine familiären Wurzeln auch in der Türkei hat, machte offen gegen Erdoğan Stimmung und rief die deutschen Türken auf, gegen das Referendum ihre Stimme abzugeben. Er sagt: „Gewinnt Erdoğan das Referendum, dann wird er die Türkei in ein offenes Gefängnis verwandeln, in dem keiner mehr die eigene Meinung sagen kann.“

Gökay Sofuoglu, Vorsitzender der Türkischen Gemeinde, sieht sich mit einer angespannten Lage in der Gemeinde in Deutschland konfrontiert. Dies wäre Erdoğan zu verdanken, die Deutschtürken würden sich kaum mehr für die deutsche Politik interessieren und ihren Blick Richtung Bosporus richten.

Am 16. April stimmen die türkischen Wähler in der Türkei darüber ab, ob sie zukünftig in einem Gefängnis leben möchten oder ob sie sich zumindest ein Stück Freiheit und Freizügigkeit erhalten wollen.

von

Günter Schwarz – 29.03.2017