Der türkische Geheimdienst versucht, schikanöse Repressionsmaßnahmen aus der Türkei auch auf in Deutschland lebende türkischen Staatsbürger und auf Deutsche zu auszuüben, die Verbindungen zu Personen, Einrichtungen und Organisationen haben, die nicht in das „politische Weltbild“ des sich derzeit zum türkischen Alleinherrscher aufschwingenden „Herrn“ Erdoğan passen. Das ist völlig inakzeptabel – und zudem strafbar.

Die Bundesregierung lässt sich die Schnüffelei in Deutschland von Erdoğans Schergen nicht länger bieten. Nach Berichten über Spionage-Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes MIT in Deutschland hat Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) mit Konsequenzen gedroht und zeigt klare Kante: „Wenn Herr Erdoğan seinen Geheimdienst losschickt, um die Menschen hier bei uns auszuspionieren, werden wir uns das nicht bieten lassen“, sagte Maas. „Spionage ist strafbar. Unser Recht gilt auch für den türkischen Geheimdienst.“

Ein neuer Paukenschlag im Skandal um Spione des türkischen Geheimdienstes MIT, die in Deutschland mehr als 350 Personen ausgespäht und auch nicht vor Angeordneten des Bundestages halt gemacht haben! Der Generalbundesanwalt Peter Frank hat bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Justizminister Maas: „Es wird zu einer strafrechtlichen Verfolgung kommen, streng nach den Regeln von Recht und Gesetz.“

Am Mittwoch wurde bekannt, dass Name und Foto der SPD-Bundestagsabgeordneten Michelle Müntefering (36) auf der 68-seitigen Liste von 358 Personen stehen, die vom türkischen Geheimdienst MIT in Deutschland gezielt ausgespäht wurden. Auch die Berliner Landesparlamentarierin Emine Demirbüken-Wegner soll ausspioniert worden sein.

Die Betroffenen wurden am Montag darüber informiert, das sie ausspioniert wurden. Gestern unterrichtete BND-Chef Kahl das Geheimdienst-Gremium des Bundestages (PKGR) über die Affäre, denn den Betroffenen drohe bei Einreise in die Türkei die Verhaftung – und sogar von Vorbereitungen auf mögliche Entführungen ist die Rede.

Die Bundespolitiker rätseln noch, was hinter der Strategie Ankaras steckt, und wie kommt der türkische Geheimdienst dazu, dem BND eine Liste mit ausgespähten Personen in Deutschland zu übergeben? Ist das in der naiven Annahme geschehen, der deutsche Nachrichtendienst werde Informationen liefern oder gar dabei helfen, gegen diese Personen vorzugehen und sie festzunehmen? Oder geschah es in der Absicht zu provozieren, wie ein CSU-Mann glaubt?

Die Bundestagsabgeordnete und Türkei-Expertin Sevim Dagdelen (41, Linke), die schon seit der „Armenien-Resolution“ des Bundestages unter Polizeischutz steht, spricht von „türkischem Staatsterrorismus“ und sagt: „Entführungsvorbereitungen durch den türkischen Geheimdienst in Deutschland und die Fortsetzung der Partnerschaft mit Erdoğan gehen einfach nicht.“

Die Integrationsbeauftragte der Unionsfraktion, Cemile Giousouf (CDU), sprach von „Stasi-Methoden“: „Die Spionage-Aktivitäten des türkischen Geheimdienstes gegen deutsche Politiker sind türkische Stasi-Methoden, die wir nicht akzeptieren.“

Aber warum geriet ausgerechnet die Bochumer Abgeordnete Müntefering ins Visier von Erdoğans Agenten? Vermutlich, weil sie Vorsitzende der deutsch-türkischen Parlamentarier-Gruppe ist – und gute Kontakte auch zu Oppositionellen in der Türkei unterhält. Auf der Spionage-Liste steht sie unter der Rubrik „Machtzentren und Nichtregierungsorganisationen“ mit „guten Beziehungen“ zur Bewegung des im US-Exil lebenden Predigers Fethullah Gülen (75).

 von

Günter Schwarz – 30.03.2017