NSU-Prozess: Beate Zschäpe nicht schuldfähig?
(München) – Gestern baten die drei Pflichtverteidiger Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl darum, von ihrem Mandat entbunden zu werden. Heute meldet sich der vierte Pflichtverteidiger, Mathias Grasel, zu Wort und behauptet, Zschäpe habe eine „dependente Persönlichkeitsstörung“.
Der 32-jährige Anwalt Mathias Grasel ist ohne große Prozesserfahrung. Doch er gilt er als der Verteidiger, dem Beate Zschäpe am meisten vertraut. Im Münchner NSU-Prozess will der junge Anwalt nun durchsetzen, dass das Gericht die Schuldunfähigkeit der mutmaßlichen Rechtsterroristin Beate Zschäpe festgestellt wird.
Grasel erklärte heute, dass ein Psychiater bei Zschäpe eine schwere dependente (abhängige) Persönlichkeitsstörung festgestellt habe. Damit seien die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Schuldunfähigkeit erfüllt.
Um diese gerichtlich feststellen zu lassen, beantragte Grasel die Anhörung des Freiburger Psychiaters Joachim Bauer, der das Gutachten und die Diagnose erstellt habe.
Der Psychiater habe die Hauptangeklagte im NSU-Prozess sechs Mal während der Untersuchungshaft in München-Stadelheim besucht und insgesamt zwölf Stunden mit ihr gesprochen. Dabei habe ihm Zschäpe auch Details aus ihrem Leben offenbart, über die sie bisher geschwiegen habe, sagte Grasel.
Dazu gehören das Verhältnis zu ihrer Mutter und eine „fortgesetzte körperliche Misshandlung“ durch Uwe Böhnhardt.
Zschäpe muss sich unter anderem wegen Mittäterschaft an zehn Morden, zwei Bombenanschlägen und 15 Raubüberfällen vor Gericht verantworten. Auf Anraten ihrer ersten drei Pflichtverteidiger Heer, Stahl und Sturm hatte Zschäpe jahrelang zu den Tatvorwürfen geschwiegen.
Erst mit Borchert und Grasel, die im Sommer 2015 als Wahl- und weiterer Pflichtverteidiger in die Verteidigung eingestiegen waren, gab Zschäpe ihre Schweigestrategie auf.
Gestern hatten Heer, Stahl und Sturm in einem Antrag, welcher der Süddeutschen Zeitung vorliegt, um eine Entbindung von ihrem Mandat gebeten. Die Fortsetzung der Verteidigung sei ihnen „auch in persönlicher Hinsicht nicht mehr zumutbar“.
Die drei Pflichtverteidiger möchten sich der Begründung ihres Antrags zufolge nicht mehr zum „Spielball“ von Zschäpe und ihren beiden weiteren Verteidigern Mathias Grasel und Hermann Borchert machen lassen. Und auch nicht zu, wie sie es formulieren, Sicherungsmarionetten des Gerichts.
von
Günter Schwarz – 31.03.2017