(Gibraltar) – Die Brexit-Verhandlungen sorgen bereits jetzt für Streit zwischen Briten und Spaniern. Großbritannien spielt sogar die militärische Karte gegen Spanien. Hintergrund: Der Europäische Rat räumte Spanien ein Veto-Recht bei Gesprächen um die Zukunft der britischen Exklave Gibraltar ein. Die Briten reagieren gereizt und verweisen auf ihre militärische Überlegenheit.

Die Größe eines Landes oder einer Region war noch nie ein Kriterium, das gegen diplomatisches Säbelrasseln oder Schlimmeres gesprochen hätte. Auch das britische Überseegebiet Gibraltar macht da mit einer Fläche von lediglich 6,5 Quadratkilometern keine Ausnahme.

Seit dem Jahr 1704 steht Gibraltar unter der Souveränität des Vereinigten Königreichs. Im Jahr 1713 hat Spanien den „Affenfelsen“ im Frieden von Utrecht offiziell an Großbritannien abgetreten. Das Gebiet sorgt seitdem für Zwist zwischen den beiden Nationen, denn nach wie vor beansprucht Spanien die Halbinsel für sich.

Der Streit erfährt nach der offiziellen EU-Austrittserklärung der Briten nun einen neuen Höhepunkt. Ähnlich wie in Schottland votierten beim Brexit-Referendum im vergangenen Juni die etwa 30.000 Einwohner Gibraltars für einen Verbleib in der Europäischen Union – in diesem Fall sogar mit 96 Prozent.

Brüssel erklärte jüngst in einer Klausel zu den EU-Vorgaben für die Brexit-Verhandlungen, dass ein möglicher Handelsvertrag zwischen Großbritannien und der EU nur dann auch für Gibraltar Gültigkeit erlangt, wenn sich London und Madrid bilateral darauf verständigen. Damit erhält Madrid quasi ein Veto-Recht.

Was die Causa Gibraltar jedoch von Schottland unterscheidet, ist, dass sich erst im Jahr 2002 nicht weniger als 99 Prozent der Einwohner der mit am dichtesten besiedelten Region der Erde dafür entschieden hatten, weiterhin unter der Souveränität Großbritanniens zu stehen.

Fabian Picardo, Premierminister Gibraltars, äußerte die Ansicht, dass „Spanien versucht, Gibraltar für sein politisches Spiel zu nutzen. Der Europäische Rat hat es vielleicht zugelassen, dass dieses Thema in den ersten Entwurf kommt, aber Gibraltar wird beim Brexit kein Bauernopfer sein.“

In der Tat kann man über die Hintergründe, warum die EU Gibraltar bereits in ihrem Entwurf zum Thema macht, bislang nur spekulieren. Der britische „Guardian“ zitiert in diesem Zusammenhang jedoch einen EU-Diplomaten. Demnach sei abzusehen, dass bald nur noch Spanien zur EU gehören würde. Im Zweifelsfall würde die Europäische Union dann sicherlich dem verbleibenden EU-Mitglied beistehen. Eine Retourkutsche der EU also für das Nein der Briten zur Europäischen Union? Wieder andere Mutmaßungen lege nahe, dass Spanien das eigene Veto-Recht selbst in den EU-Entwurf diktierte.

Der spanische Regierungschef Méndez de Vigo begrüßt entsprechend auch den Brexit-Entwurf der EU: „Bei allen künftigen Abkommen zu Gibraltar müssen sich das Vereinigte Königreich und Spanien einigen. Mit diesem Vorschlag sind wir sehr zufrieden.“

Neben Stolz und Prestige geht es für Madrid auch um handfeste wirtschaftliche Interessen. Laut Madrid tummeln sich etwa 30.000 Unternehmen auf der winzigen Fläche der Halbinsel. Etliche dieser Unternehmen unterhalten ausgezeichnete Verbindungen nach Spanien. Hinzu kommt, dass täglich etwa 10.000 Spanier nach Gibraltar pendeln, um dort zu arbeiten.

Derweil ließ die britische Premierministerin Theresa May verlauten, sie werde sich für Gibraltar und damit auch Großbritannien einsetzen und dafür kämpfen. Entsprechend werde sie es nicht zulassen, dass Gibraltar unter spanische Kontrolle gerät. Die recht scharfe Formulierung wählte May wohl nicht ganz zufällig. Zeitgleich zu den aktuellen Streitigkeiten jährte sich am 2. April zum 35. Mal der Falkland-Krieg zwischen Großbritannien und Argentinien. Mit 3.000 Einwohnern ist dieses Eiland noch wesentlich kleiner als die Halbinsel Gibraltar. Dies hinderte die beiden Staaten jedoch nicht daran, um die britische Enklave Krieg zu führen, bei dem etwa 900 Soldaten auf beiden Seiten starben.

Das Falkland-Jubiläum rief denn auch prompt britische Konservative wie den Parteiführer der Konservativen, Michael Howard, auf den Plan. Dieser verglich die aktuelle Situation mit der kriegerischen Reaktion der eisernen Lady, Margret Thatcher, auf die diplomatischen Spannungen um die Falkland-Inseln: „Eine andere Premierministerin hat eine Einsatztruppe um die halbe Welt geschickt, um die Freiheit einer anderen kleinen Gruppe von Briten zu verteidigen gegen ein anderes spanisch sprechendes Land. Ich bin absolut sicher: Unsere jetzige Premierministerin wird die gleiche Entschlossenheit zeigen, um den Einwohnern von Gibraltar beizustehen.“

Ins gleiche Horn stieß der Admiral Chris Parry, als er die britische Regierung dazu aufforderte, in „angemessener“ Weise in die britische Verteidigungsfähigkeit zu investieren, um die eigene Position zu Gibraltar mit Nachdruck vertreten zu können. Während des Falkland-Kriegs verfügte die britische Marine über 127 Schiffe, inklusive 60 Zerstörer und Fregatten. Hinzu kamen ein Dutzend Atom-U-Boote. Nach jüngsten Erkenntnissen ist aktuell kein britischer Flugzeugträger im Einsatz. Darüber hinaus verfügt die britische Marine nunmehr über sieben Atom-U-Boote, 13 Fregatten und sechs Zerstörer.

Parry ist nicht der Ansicht, dass das aktuelle diplomatische Säbelrasseln tatsächlich zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen wird. Dennoch mahnt er: „Wenn die Regierung mit Nachdruck über Gibraltar oder sonst einen Ort verhandeln möchte, muss sie angemessen in die militärischen Kapazitäten investieren. […] Wir könnten Spanien auf mittlere Sicht lahmlegen und ich denke, die Amerikaner würden uns wahrscheinlich unterstützen. Spanien sollte aus der Geschichte lernen. Deren Lehre lautet, dass es sich nie lohnt, sich mit uns anzulegen und dass wir immer noch in der Lage sind, den Bart des spanischen Königs zu versengen.“

Der britische Verteidigungsminister Sir Michael Fallon erklärte: „Wir werden Gibraltar mit allen Mitteln beschützen!“

Auch der britische Außenminister Boris Johnson ließ sich nicht zweimal bitten, um die diplomatische Affäre zu kommentieren. Demnach stände Gibraltar „nicht zum Verkauf“ und sei auch „keine Verhandlungssache“.  

Die spanische Regierung wiederum keilte zurück. Von der spanischen Zeitung El-Pais darauf angesprochen, erklärte der spanische Außenminister Alfonso Dastis, dass, sollte Schottland ein EU-Beitrittsgesuch stellen, Spanien dieses nicht blockieren würde.

von

Günter Schwarz – 04.04.2017