Kim Jong Uns „atomares Feuerwerk“
Die Sorge vor einer Eskalation des Konflikts zwischen Washington und Pjöngjang wächst bei vielen internationalen Beobachtern. Ein US-Flottenverband wird am Wochenende in koreanischen Gewässern erwartet. Analysten schließen neuen Atomtest Nordkoreas nicht aus – möglicherweise noch in den nächsten Stunden oder Tagen. Neue Warnungen vor einer aus dem Ruder laufenden Entwicklung kommen sowohl aus Russland als auch China.
Im Konflikt um Nordkoreas Atom- und Raketenprogramm wächst die Sorge vor einer Eskalation. Die USA erwägen laut eines US-Medienberichts angesichts eines womöglich unmittelbar bevorstehenden neuen nordkoreanischen Atomversuchs sogar einen vorbeugenden Luftangriff. Washington hat den Bericht zwar zurückgewiesen. Doch die Spannungen in der Ostasien-Region sind damit nicht aus der Welt.
Atomtest am Wochenende?
Denn Beobachter befürchten, dass Pjöngjang schon bald einen sechsten Atomwaffentest unternehmen könnte – möglicherweise sogar anlässlich des 105. Geburtstags des Staatsgründers Kim Il Sung am heutigen Samstag.
Parade in Pjöngjang
Die nordkoreanischen Streitkräfte haben am Samstag in Pjöngjang eine große Militärparade anlässlich des 105. Geburtstags des verstorbenen Staatsgründers Kim Il Sung durchgeführt. Am Ufer des Flusses Taedong reihten sich hunderte beflaggte Armeelastwagen mit Soldaten auf. Anschließend führte eine Militärparade durch die Hauptstadt. Sie begann unter den Augen von Machthaber Kim Jong Un, dem Enkel des Staatsgründers, und weiteren ranghohen Funktionären. Angeführt von einer Militärkapelle marschierten Soldaten im Stechschritt über den riesigen Platz im Zentrum der Hauptstadt, gefolgt von Panzern und anderem militärischem Gerät. Zuvor fanden bereits zahlreiche inszenierte Shows von Schülergruppen statt.
US-Präsident Donald Trump hatte mehrfach mit einem Alleingang gegen Nordkorea gedroht, um das Atomprogramm zu beenden. Als Demonstration der Stärke wird am Wochenende ein Flottenverband mit dem atomgetriebenen Flugzeugträger „USS Carl Vinson“ in den Gewässern nahe der Koreanischen Halbinsel erwartet.
„Angstmacherei“
Am Ostersonntag kommt US-Vizepräsident Mike Pence in die südkoreanische Hauptstadt Seoul. Der US-Fernsehsender NBC berichtete unter Berufung auf mehrere Mitarbeiter von US-Geheimdiensten, dass die USA darauf vorbereitet seien, einen Präventivschlag auszuführen, sollten sie davon überzeugt sein, dass Pjöngjang einen weiteren Atomtest vornehmen wolle.
Zwei US-Zerstörer mit Marschflugkörpern halten sich demnach in der Nähe der koreanischen Halbinsel auf. Einer davon sei etwa 480 Kilometer vom Atomtestgelände entfernt. Der Bericht wurde offiziell nicht bestätigt, von Beobachtern aber als „Angstmacherei“ beschrieben.
Militär-Optionen durchgespielt
Ein Regierungsvertreter, der nicht namentlich zitiert werden wollte, sagte in Washington, die USA hätten bereits mehrere militärische Optionen bewertet. Die USA sind nach Aussage des Pentagons im Austausch mit ihren Verbündeten.
Für den Fall eines Militärschlags drohte Nordkorea den USA mit Vergeltung. Es werde „atomaren Donner und strafende Blitze“ geben, um den Feinden „den Geschmack eines echten Krieges“ zu geben.
„Missverständnisse“ als Gefahrenquelle
Das US-Korea-Institut der Johns-Hopkins-Universität berichtete, Satellitenbilder zeigten anhaltende sowie neue Aktivitäten auf dem Testgelände des nordkoreanischen Atomprogramms. „Die größte Gefahr derzeit ist, dass es zu Missverständnissen in der Kommunikation zwischen Trump und (Machthaber) Kim Jong Un kommt“, sagte die Nordkorea-Kennerin Jean Lee in Seoul. „Wenn sich eine der beiden Seiten zu sehr in die Enge getrieben sieht, dann könnte es zu einem Militärschlag kommen.“
Ob US-Präsident Donald Trump für eine Militäraktion auch die Zustimmung Südkoreas einholen würde, sei schwer zu sagen, weil er „mit vielen traditionellen Regeln bricht“. Trump sagte auf Fragen, ob der Einsatz einer Riesen-Bombe in Afghanistan auch ein Zeichen an Nordkorea gewesen sei, laut „Defense News“: „Nordkorea ist ein Problem – das Problem wird angegangen.“
Eine große Rolle in dem Konflikt spielt China. Die USA wollen China dazu bewegen, die Schrauben gegenüber seinem Nachbarn enger zu ziehen. In einer Twitter-Kurznachricht schrieb der US-Präsident: „Ich bin sehr zuversichtlich, dass China angemessen mit Nordkorea umgehen wird. Wenn sie dazu nicht in der Lage sind, werden die Vereinigten Staaten es mit ihren Verbündeten sein.“
US-Kehrtwende gegenüber China
US-Präsident Trump hatte außerdem vor dem Hintergrund des Nordkorea-Konflikts eine Kehrtwende in seiner China-Politik vollzogen. Er will China keine Währungsmanipulation mehr vorwerfen, wie er dem „Wall Street Journal“ gesagt hatte. Damit wolle er Gespräche mit Peking zur Beilegung des Konflikts um das nordkoreanische Atomprogramm nicht gefährden.
China berichtete, eine wichtige Einnahmequelle des abgeschotteten kommunistischen Staates unterbunden zu haben. Seit dem 19. Februar seien keine Kohlelieferungen mehr aus dem Nachbarland angenommen worden, teilte der Zoll in Peking mit.
Warnungen aus Peking und Moskau
China rief alle Beteiligten zur Zurückhaltung auf. „Wir fordern ein Ende der Provokationen und Drohungen, bevor die Lage nicht mehr zu retten ist“, sagte Chinas Außenminister Wang Yi nach Gesprächen mit seinem französischen Amtskollegen Jean-Marc Ayrault in Peking. Auch Russland hat mit grosser Besorgnis auf die wachsenden Spannungen auf der koreanischen Halbinsel reagiert. „Wir rufen alle Länder zur Zurückhaltung auf“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau. Vizeaußenminister Sergej Rjabkow mahnte wegen der jüngsten Zuspitzung zwischen dem kommunistischen Nordkorea und den USA, es könne nur eine politische Lösung des Konflikts geben.
Chinas Außenminister rief zu einer Rückkehr an den Verhandlungstisch auf. Er warb für seinen Vorschlag eines zweigleisigen Vorgehens, wonach Nordkorea zunächst seine Atom- und Raketenaktivitäten einfriert und die USA und Südkorea im Gegenzug ihre gemeinsamen großen Militärmanöver aussetzen. China werde seinen Plan dafür weiter verfeinern und wolle mit den anderen Parteien sprechen.
Trotz der Drohgebärden der USA sieht der deutsche Nordkorea-Kenner Hartmut Koschyk auch unverändert den Versuch, gemeinsam mit China eine diplomatische Lösung zu finden. Nach seinem Eindruck bestehe der Kern der Absprache zwischen Trump und Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping darin, „jetzt bis an die Grenzen des Möglichen zu gehen, um Nordkorea zum Einlenken zu bewegen, und die USA im Gegenzug auf einen militärischen Alleingang verzichten“, sagte der Vorsitzende der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe.
Für den Fall eines Krieges befürchtet der Nordkorea-Experte Rüdiger Frank verheerende Konsequenzen. „Am Ende wird die koreanische Halbinsel ein rauchendes Trümmerfeld mit Millionen von Leichen sein, von den geopolitischen Konsequenzen ganz zu schweigen“, sagte Rüdiger Frank, der Leiter des Ostasieninstituts der Universität Wien.
Die Gefahr eines bewaffneten Konflikts sei gestiegen. Dabei wäre Nordkorea nach seiner Überzeugung bereit, über sein umstrittenes Atomprogramm zu verhandeln. Dazu müsse der Westen aber verstehen, dass Pjöngjang bestimmte Garantien brauche, sagte der Leiter des Ostasieninstituts der Universität Wien.
von
Günter Schwarz – 15.04.2017