Mit der Kultur haben wir so unser Problem. Nun, eigentlich haben wir überhaupt kein Problem mit Kultur. Zum Problem wird es lediglich dann, wenn das Kulturverständnis der (selbsternannten) Bildungsbürger mit der gelebten Kultur kollidiert. Diese Schlacht wird jedoch nur allzu gern auf einer öffentlichen Plattform ausgetragen. Hinter den Kulissen haben sich schon viele der sogenannten Bildungsbürger mit der neuen Kultur friedlich arrangiert. Auf der einen Seite schreibt man sich das Bewahren der Kultur groß auf die Fahnen – auf der anderen Seite sitzt man, wie der Rest der Bevölkerung, am Samstagabend fünf Stunden auf dem Sofa, um sich eine Gameshow im Fernsehen anzuschauen. So bitter es klingt: auch diese dumme Gameshow ist Kultur.

Kultur erhebt nicht den Anspruch bilden zu müssen. Kultur kann (und soll) uns auch einfach nur mehr oder weniger sinnvoll unterhalten. Auf rein kultureller Ebene hat also die Gameshow eine ebenso wichtige Rolle wie ein klassisches Theaterstück. Oder die Ballermann-Sangria-Party wie eine Vernisage oder Retrospektive. Dass die Vernisage und das Theaterstück dabei weit mehr bildet, ist unumstritten. Der Unterhaltungswert jedoch liegt für viele Menschen klar bei der Gameshow und der Strandparty.

Nach Außen soll dabei aber trotzdem der elitäre Anspruch der wahren Kultur erhalten werden. Aber auch nur zum Schein. Wir beobachten dies hier in der Redaktion. Ein echter Kulturartikel ist ein totsicherer Garant keine Leser zu bekommen. Eine Rezension klassischer Literatur oder eines Theaterstückes wird einfach nicht gelesen. Es interessiert niemanden. Kurioser Weise sprechen die Zahlen auf Facebook komplett dagegen. Leute „liken“ und teilen diese Artikel, ja … aber sie lesen sie nicht. Nun sieht es nach Außen natürlich toll aus, wenn man eine Dostojewski-Rezension teilt. Da denkt dann jeder: „Oh sieh. Dieser Mensch liebt klassische Literatur.“ … ein Label, das man sich lieber umhängt, als das Teilen von Links zur letzten Gameshow.

Man sollte sich klar positionieren. Natürlich ist es keine Schande Theater ebenso zu lieben wie sinnfreie Unterhaltung am Samstagabend. Nur warum gibt man es dann nicht einfach zu?

Michael Schwarz – 16.04.2017