Beobachter der OSZE und des Europarats kritisieren den Ablauf des Referendums in der Türkei – er habe nicht internationalen Standards entsprochen. Die türkische Regierung widerspricht und redet gar von der „demokratischsten Wahl“, die jemals in einer westlichen Demokratie stattgefunden hat. Oppositionsgruppen rufen dagegen in drei Großstädten zu Protesten gegen die „Demokratie à là Erdogan“ auf.

Die türkische Regierung hat jede Kritik der internationalen Wahlbeobachter am Verfassungsreferendum mit scharfen Worten zurückgewiesen. Der Vorwurf der Beobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) und des Europarates, das Referendum habe internationalen Standards nicht entsprochen, sei „inakzeptabel“, teilte das Außenministerium in Ankara mit. Die Einschätzung der Beobachter spiegele eine „parteiische und befangene Herangehensweise“ wider.

Den vorläufigen Ergebnissen zufolge stimmte eine knappe Mehrheit für die Einführung eines von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan favorisierten Präsidialsystems.

Die internationale Wahlbeobachtermission der OSZE hatte eine kritische Bilanz gezogen, sich aber die Betrugsvorwürfe der Opposition nicht zu eigen gemacht. Die Gegner des Präsidialsystems seien im Wahlkampf benachteiligt worden und die Wahlkommission habe gesetzeswidrig noch am Wahltag die Regeln geändert, kritisierten die Wahlbeobachter.

Oppositionsgruppen riefen nach Beschwerden über zahlreiche Unregelmäßigkeiten bei der Abstimmung zu Protesten in den drei größten Städten des Landes auf. Die Gegner des Präsidialsystem wollten sich am Montagabend in der Metropole Istanbul, der Hauptstadt Ankara und der westtürkischen Stadt Izmir versammeln, wie mehrere zivilgesellschaftliche Gruppen auf Twitter mitteilten. Schon am Sonntagabend hatte es dort Proteste gegeben. In den Städten überwogen Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge die „Nein“-Stimmen beim Referendum.

Im Istanbuler Stadtteil Besiktas, im Zentrum der Millionenmetropole, versammelten sich rund 2000 Demonstranten. Sie skandierten unter anderem „Dieb, Mörder, Erdoğan“. Anwohner lehnten sich aus dem Fenster. Sie klatschten und schlugen als Zeichen des Protestes auf Töpfe. Zunächst kam es nicht zu Zusammenstößen mit der Polizei. Die Gruppe „Hayir Besiktas“ (Nein Besiktas) hatte in dem Demonstrationsaufruf geschrieben: „Wir sind hier gegen Betrügereien, Ungerechtigkeiten und gestohlene Stimmen!“ Auch in anderen Stadtteilen Istanbuls sowie in der Hauptstadt Ankara und der westtürkischen Stadt Izmir hatten Regierungskritiker zu Protesten aufgerufen.

Erdoğan verspottete die Demonstranten in einer Ansprache vor dem Präsidentenpalast. „Während das Ergebnis vom 16. April unser Volk zufriedengestellt und glücklich gemacht hat, hat es andere ganz ohne Zweifel enttäuscht“, sagte er. „Wie ich sehe sind die mit den Kochtöpfen und Pfannen wieder aufgetaucht.“ In Anlehnung an die niedergeschlagenen Gezi-Proteste vom Sommer 2013 sagte Erdogan: „Das sind eben Gezi-Leute. Das sind die mit den Töpfen und Pfannen.“ Auch damals hatten Anwohner ihrem Protest durch das Schlagen auch Kochtöpfe Ausdruck verliehen.

Umstritten ist vor allem eine Entscheidung der Wahlkommission, die am Sonntagabend erklärt hatte, dass auch von ihr nicht gekennzeichnete Stimmzettel und Umschläge als gültig gezählt würden. Die späte Änderung der Abstimmungsregeln habe wichtige „Schutzvorkehrungen“ beseitigt, monierten die Wahlbeobachter der OSZE. Die größte Oppositionspartei CHP forderte eine Annullierung des Referendums.

von

Günter Schwarz – 18.04.2017