Was geschah am 20. April 1947 in unserem Dänemark?
Der dänische König, Kong Christian X., stirbt am 20. April 1947 in København. Er war am 26. September 1870 unter dem vollständigen Namen Christian Carl Frederik Albert Alexander Vilhelm in Schloss Charlottenlund in Gentofte etwa 9 Kilometer nördlich von København geboren worden.
Als Kong Christian X. regierte er als konstitutioneller König von Dänemark von 1912 bis 1947 und als König von Island von 1918 bis 1944.
Kong Christian X. war der älteste Sohn von Frederik VIII. von Dänemark und dessen Gemahlin Louise von Schweden-Norwegen. Sein jüngerer Bruder war als Haakon VII. König von Norwegen. Christian X. ist der Großvater der derzeitigen Königin von Dänemark, Dronning Margrethe II.
Der junge Prinz absolvierte bis 1889 ein dänisches Gymnasium und begann dann eine für viele Prinzen der damaligen Zeit übliche militärische Laufbahn. Er diente im 5. Dragoner Regiment und studierte in den Jahren 1891 und 1892 an der dänischen Militär Akademie in Randers. Am 29. Januar 1906 wurde er nach dem Tod seines Großvaters Christian IX. und der Thronbesteigung seines Vaters Frederik neuer dänischer Thronfolger. Nach dem Tod des Vaters im Jahr 1912 bestieg er selbst den Thron. Im Jahr 1915 führte er mit dem Grundloven (Grundgesetz) in Dänemark eine demokratische Verfassung ein.
Kong Christian löste im April 1920 die Osterkrise 1920 aus – vielleicht das bedeutendste Ereignis in der Entwicklung der dänischen Monarchie. Nachdem Dänemark im Deutsch-Dänischen Krieg (1. Februar bis 30. Oktober 1864) das Gebiet des früheren Herzogtums Schleswig an Preußen verloren hatte, beanspruchte es dieses Gebiet bis zum Ende des Ersten Weltkrieges wieder zurück. Im Friedensvertrag von Versailles wurde festgehalten, die staatliche Zugehörigkeit von Schleswig in zwei Volksabstimmungen zu regeln: eine in Nordschleswig (dem späteren dänischen Sønderjyllands Amt), die andere in Mittelschleswig (dem nördlichen Teil des heutigen Südschleswigs in Schleswig-Holstein). Südlich hiervon war keine Volksabstimmung vorgesehen, da es von einer deutschen Mehrheit beherrscht wurde und nach der damaligen Meinung bei Deutschland verbleiben sollte.
In der ersten Abstimmung in der Nordzone sprachen sich 75 % für einen Anschluss an Dänemark und 25 % für einen Verbleib bei Deutschland aus. In der zweiten Zone (Mittelschleswig) ergab sich ein umgekehrtes Resultat: 80 % stimmten für Deutschland und 20 % für Dänemark. In der Folge beschloss die Regierung von Statsminister Carl Theodor Zahle, die Eingliederung Nordschleswigs voranzutreiben, während Mittelschleswig unter deutscher Kontrolle verbleiben sollte.
Im Einverständnis mit vielen dänischen Nationalisten befahl König Christian seinem Premierminister, auch einen Anschluss von Mittelschleswig voranzutreiben. Zahle aber fühlte sich, da Dänemark nach einer früheren Krise seit 1901 eine konstitutionelle Monarchie war, nicht an diesen Befehl gebunden. Er verweigerte dessen Befolgung und trat sieben Tage später nach einer hitzigen Auseinandersetzung mit dem König zurück.
Darauf entließ der König den Rest der gewählten Regierung und ersetzte sie durch ein konservatives Interimskabinett. Dieses führte in Dänemark zu Demonstrationen und beinahe zu einer Revolutionsstimmung; einige Tage lang schien die Zukunft der Monarchie in Frage gestellt. Es folgten Verhandlungen zwischen dem König und Mitgliedern der Sozialdemokratischen Partei. Angesichts der drohenden Umsturzgefahr gab Christian X. nach, entließ die neue Regierung und setzte eine Kompromissregierung ein, bis im Laufe des Jahres Wahlen abgehalten werden konnten.
Das war das letzte Mal, dass ein amtierender dänischer Monarch sich gegen sein Parlament durchzusetzen versuchte. Nach dieser Krise akzeptierte Christian seine drastisch reduzierte Rolle als Staatsoberhaupt.
Am Morgen des 9. April 1940 lief um 5:15 Uhr früh die „Operation Weserübung“ an. Christian X. hielt diese Invasion für undenkbar ebenso wie sein Bruder, der norwegische König Haakon VII. Zwar war er vom dänischen Botschafter in Berlin gewarnt, hatte den Nachrichten aber keinen Glauben geschenkt. Noch am Vorabend der Invasion, mit der Kenntnis, dass ein großer deutscher Flottenverband Kurs nach Norden genommen hatte, besuchte Christian das königliche Theater. Am nächsten Morgen erhielt Dänemark von Deutschland das Ultimatum, sich unter den Schutz des Reiches zu stellen oder überrannt zu werden. Dänemark war völlig unzureichend gerüstet und deshalb außerstande, ernstzunehmenden Widerstand zu leisten oder sich zu verteidigen. Auch mit britischer Hilfe war nicht zu rechnen, die Expeditionsstreitmacht war Richtung Norwegen ausgelaufen. Der dänische Oberbefehlshaber William Wain Prior forderte zwar symbolischen Widerstand, wurde aber bald von Premierminister Thorvald Stauning und Außenminister Munch zum Schweigen gebracht. Der König weigerte sich folglich, die Mobilmachung anzuordnen.
Bei der Konferenz in Schloss Amalienborg ließ der deutsche General und Verhandlungsführer Leonhard Kaupisch ein Bombergeschwader über den Palast fliegen. Das Ultimatum wurde akzeptiert. Christian war laut Kaupisch zwar „moralisch gebrochen“, bewahrte allerdings seine Würde und forderte für die Einrichtung deutscher Stützpunkte, dass es bei den inneren Angelegenheiten Dänemarks keine deutsche Einmischung geben solle. Dies sollte Christian X. später erlauben, die dänische Widerstandsbewegung zu decken und 7.000 Juden in das neutrale Schweden abschieben zu lassen (Rettung der dänischen Juden).
Im Unterschied zu seinem Bruder Haakon in Norwegen verließ er nicht das Land, sondern blieb in Dänemark und wurde zum Symbol des Widerstandes. Legendär wurden vor allem seine Ausritte durch die Straßen Københavns, als herausfordernde Erinnerung an seine Präsenz, bis er schließlich 1943 von der deutschen Besatzungsmacht unter Hausarrest gestellt wurde.
Christian X. wurde nach der Besetzung Dänemarks am 9. April 1940 durch Hitlerdeutschland durch seine Courage bekannt. Demonstrativ ritt er jeden Morgen unbewaffnet und ohne Leibwache durch die Straßen Kopenhagens und wurde so zum Symbol für die Ablehnung der Dänen gegenüber ihren deutschen Besatzern.
1942 führte das Verhalten des Königs sogar zu einer schweren Krise mit Deutschland. Hitlers überschwängliches Glückwunschtelegramm zu König Christians 72. Geburtstag beantwortete der Geehrte schriftlich mit einem trockenen Meinen besten Dank. Chr. Rex, was Hitler als persönliche Beleidigung empfand, unmittelbar darauf den dänischen Botschafter in Deutschland auswies sowie den deutschen Botschafter in København, Cécil von Renthe-Fink, der als zögerlicher Diplomat galt, zurückrief und durch Werner Best ersetzte. Außerdem musste auf deutschen Druck der dänische Ministerpräsident Vilhelm Buhl zu Gunsten des vermeintlich deutschfreundlicheren Erik Scavenius zurücktreten.
Es wird berichtet – und im Allgemeinen als wahr angenommen -, dass König Christian sich energisch wehrte, als die nationalsozialistische Flagge auf Schloss Christiansborg, dem Sitz des dänischen Rigsdag (Reichstages), gehisst werden sollte. Der König soll einem General der Besatzungsarmee befohlen haben, die Flagge zu entfernen. Als der General dies verweigerte, erklärte der König: „Ein dänischer Soldat wird die Flagge entfernen.“ Der deutsche Offizier sagte, ein solcher Soldat würde erschossen werden. König Christian, mit 1,99 Metern der größte dänische König der Geschichte, antwortete: „Das glaube ich nicht. Denn ich werde dieser Soldat sein.“ Daraufhin befahl der General, die Flagge unverzüglich zu beseitigen.
Aus dem demonstrativen Widerstand Christians X. gegen die Besatzer ist, wohl auch in Verbindung mit der Rettung der dänischen Juden im Oktober 1943, die nicht der Realität entsprechende Legende entstanden, der dänische König sei aus Protest gegen die Judenverfolgung im Land mit einem Davidstern an der Jacke durch die Stadt geritten. Diese Legende wird auch in dem Film Exodus aufgegriffen. Eine Variante dieser Legende schildert die Reaktion des Königs auf den Befehl der deutschen Besatzer, dass alle Juden einen gelben Stern zu tragen haben. Christian X. habe darauf geantwortet, dass ein Däne genauso gut wie der andere sei. Deshalb werde er als erster den Davidsstern tragen und erwarten, dass jeder loyale Däne seinem Beispiel folgen werde. Am darauffolgenden Tag sei der deutsche Befehl widerrufen worden. Beide Legenden entsprechen nicht der Wahrheit, da die Juden in Dänemark nie gezwungen wurden, den gelben Davidsstern zu tragen. Die deutsche Besatzungsmacht gewährte dem besetzten Land in inneren Angelegenheiten seit der Operation Weserübung große Autonomie.
Nur kurze Zeit nach der Beendigung des Zweiten Weltkrieges starb Christian X. am 20. April 1947 in København. Er wurde am traditionellen Begräbnisort der königlichen Familie im Dom zu Roskilde bestattet. Sein ältester Sohn Frederik folgte ihm als König Frederik IX. auf dem Thron.
von
Günter Schwarz – 20.04.2017