(Moskau) – Nach der Auffassung des obersten Gerichts Russlands sollen sie Familien zerstören, Hass säen und eine Lebensgefahr sein: die Zeugen Johovas. Deswegen hat das Oberste Gericht in Russland die Glaubensgemeinschaft verboten. Künftig gelten sie als extremistische Gruppe. Die Gemeinschaft will das nicht hinnehmen und in Straßburg in Berufung gehen.

Das Oberste Gericht Russlands hat die Religionsgemeinschaft der Zeugen Jehovas verboten. Das Gericht billigte einen Antrag des Justizministeriums, in dem die Glaubensgemeinschaft als extremistische Gruppe eingestuft wird. Die Zentrale der Gruppe und ihre 395 Regionalverbände würden geschlossen, ihr Besitz beschlagnahmt, hieß es.

Die Anwältin des Justizministeriums, Swetlana Borissowa, sagte der Nachrichtenagentur Interfax zufolge, die Zeugen Jehovas bedrohten die Bürgerrechte sowie die öffentliche Ordnung und Sicherheit. Außerdem verstießen sie gegen die Gesundheitsgesetze des Landes, weil sie Bluttransfusionen ablehnen.

Strafverfolgung, Geldstrafen oder Gefängnis?

Die Zeugen Jehovas haben in Russland nach eigenen Angaben mehr als 170.000 Anhänger. Die Glaubensgemeinschaft müsse nun ihre Zentrale in St. Petersburg und 395 örtliche Organisationen in Russland auflösen, befanden die Richter in Moskau. Damit wird das gesamte Eigentum an den Staat übertragen. Die russischen Behörden hatten bereits mehrere Veröffentlichungen der Zeugen Jehovas verboten. Die Gruppe sei sehr enttäuscht und tief besorgt über die Auswirkungen, die das Urteil auf ihre religiösen Aktivitäten haben werde, sagte ihr Sprecher Jaroslaw Siwulski.

Die Religionsgemeinschaft reagierte „schockiert“ auf die Entscheidung. Sie kündigte an, vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu ziehen. „Wir tun alles, was möglich ist“, sagte ihr Vertreter Sergej Tscherepanow und wies die Vorwürfe zurück. „Ich hätte nicht gedacht, dass das im modernen Russland möglich sein könnte, wo die Verfassung das Recht auf freie Religionsausübung garantiert“, sagte ein Vertreter der Verwaltung der Zeugen Jehovas, Jaroslaw Siwulski, vor Journalisten.

Um gegen das drohende Verbot zu protestieren, hatte die Organisation ihre Anhänger weltweit dazu aufgerufen, Briefe an den Kreml zu schreiben. Wegen des Vorgehens der Behörden gegen die Religionsgemeinschaft wurde Russland bereits mehrfach vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu Schadenersatzzahlungen verurteilt. Dabei wurde unter anderem auf Verstöße gegen Grundrechte wie Religions-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit verwiesen.

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Die Menschenrechtsgruppe Human Rights Watch erklärte, die Gerichtsentscheidung sei ein schwerer Schlag für die Religions- und Verbandsfreiheit in Russland. Sollte die Entscheidung in Kraft treten, müssten Zeugen Jehovas mit Strafverfolgung, Geldstrafen oder gar Gefängnis rechnen.

Mehrere Veröffentlichungen bereits verboten

Die russischen Behörden hatten bereits mehrere Veröffentlichungen der Zeugen Jehovas verboten. Ermittler stellen sie als Organisation dar, die Familien zerstört, Hass sät und eine Gefahr für Menschenleben ist. Die christliche Gemeinschaft weist dies zurück. Die Zeugen Jehovas sind vor allem dafür bekannt, für ihren Glauben an Haustüren zu werben. Sie lehnen Wehrdienst und Bluttransfusionen ab. Weltweit haben sie etwa acht Millionen Anhänger.

Die Zeugen Jehovas lehnen den Wehrdienst und Bluttransfusionen ab und sind vor allem dafür bekannt, für ihren Glauben an Haustüren zu werben. Kritiker schätzen die Zeugen Jehovas als autoritäre Gruppe ein, die Gehorsam erwarte und ihre Mitglieder sozial isoliere. In Deutschland sind sie aber wie die großen Kirchen als Körperschaft öffentlichen Rechts anerkannt.

von

Günter Schwarz – 22.04.2017