(Valetta / Malta) – Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hat klargestellt, dass die EU nicht an ein Ende der Beitrittsverhandlungen denkt. „Der Beitrittsprozess geht weiter. Er wird nicht suspendiert oder beendet“, sagte Mogherini heute nach Beratungen der EU-Außenminister in Valletta. Derzeit gebe es aber keine Arbeiten an der Eröffnung neuer Verhandlungskapitel.

Mogherini erteilte damit der Forderung des österreichischen Außenministers, Sebastian Kurz (ÖVP), nach einem Ende der EU-Beitrittsverhandlungen mit Ankara eine Absage. Ähnlich äußerte sich auch Bundesaußenministers Sigmar Gabriel. Er begründete seine Haltung mit den Worten: „Die deutsche Bundesregierung ist strikt dagegen, dass wir die Gespräche abbrechen.“ Man habe kein Interesse daran, die Türkei „in Richtung Russland zu drängen“.

Warten auf Umsetzung von Verfassungsreform

Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu habe erklärt, dass die Türkei an einer Fortsetzung der EU-Beitrittsgespräche interessiert sei. Die Türkei wisse, welche Prinzipien dafür zu erfüllen seien, sagte Mogherini. Sie nannte etwa die Menschenrechte, Rechtstaatlichkeit und Medienfreiheit.

Auf die Frage, ob die Türkei nach den geplanten Verfassungsänderungen noch die politischen Københavnerne Kriterien für einen EU-Beitritt erfülle, sagte Mogherini, dies hänge von der Art und Weise ab, wie die Türkei die geplanten Verfassungsänderungen umsetze. Einige würden wohl früher kommen, andere erst später.

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EU erwartet Umsetzung der Empfehlungen

Die EU anerkenne das Recht eines Staates, über sein Regierungssystem selbst zu entscheiden. Die EU erwarte jedoch, dass die Türkei die Empfehlungen der Venedig-Kommission des Europarates sowie der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) berücksichtige.

„Die EU habe ein großes Interesse an einer stabilen und wirtschaftlich erfolgreichen Türkei“, sagte Mogherini. Die türkischen Bürger und die Zivilgesellschaft der Türkei stünden dabei im Zentrum, auch bei den Beitrittsverhandlungen.

Gabriel schlug stattdessen vor, die Kritiker des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan stärker zu unterstützen. „Warum machen wir nicht Visafreiheit für Intellektuelle, für Künstler, für Leute, die im Journalismus arbeiten, für NGOs?“, sagte der SPD-Politiker. Solche Reiseerleichterungen würden für den Teil der Türkei gelten, „der gegen das Referendum gestimmt hat, der sich demokratisch entwickeln will“.

Für Erdoğan dürften derartige Visaerleichterungen für ausgewählte Bevölkerungsgruppen sicher eine Provokation darstellen, die nicht lange auf eine seiner „wohldurchdachten“ und aus dem Bauch heraus gesteuerten Reaktionen warten lassen, die letztlich zu keiner Lösung sondern eher zu einer Verschärfung der ohnehin angespannten Lage zur Türkei führen.

von

Günter Schwarz – 28.04.2017