Die zwei verbliebenen Kandidaten für das französische Präsidentenamt sind in die letzte Woche des Wahlkampfs gestartet. Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National griff bei ihrem Auftritt am Montag auf die Zeit vor der Stichwahl zurück – und bediente sich bei ihrem ehemaligen Gegenkandidaten Francois Fillon.

Vor der ersten Runde der französischen Präsidentschaftswahl hatte Marine Le Pen vom rechtsextremen Front National (FN) noch laut gegen Mitbewerber Francois Fillon geschimpft. Nachdem es der konservative Kandidat nicht in die Stichwahl schaffte, sind die Animositäten aber offenbar erstmals vergessen. Vielmehr „borgte“ sich Le Pen ganze Passagen einer Rede, die der Konservative erst vor zwei Wochen gehalten hatte – ein „Nicken“ in Richtung Fillon, heißt es auch dem Le-Pen-Lager.

Mehrere Passagen eines Vortrags Le Pens bei einer Maifeier am Montag im Ort Villepinte nördlich von Paris hatten große Ähnlichkeit mit einer Rede des in der ersten Runde gescheiterten konservativen Kandidaten, die er am 15. April gehalten hatte. Wie eine Gegenüberstellung der beiden Reden zeigt, übernahm Le Pen teils wortwörtlich ganze Passagen. Mindestens vier Passagen aus einer Rede von Fillon fanden sich fast wortgleich in Le Pens Rede wieder. Das Video wurde auf dem YouTube-Kanal Ridicule TV veröffentlicht. Der Satiresender soll Berichten zufolge Fillon nahestehen.

Laut französischen Medien erwähnte Le Pen die Urheberschaft der Zitate nicht. Le Pens Wahlkampfleiter David Rachline verteidigte das Vorgehen seiner Kandidatin. Die Rede sei kein Plagiat gewesen, sagte er der Zeitung „Liberation“. Le Pen habe bewusst Anleihen bei Fillon genommen. Die übernommenen Passagen seien ein „Nicken“ in Richtung Fillon gewesen. Le Pen wolle zeigen, dass sie die Menschen zusammenbringe – und sei nicht „so verbissen“.

„Nicht Vizekanzlerin von Frau Merkel“

Die Kandidatin des Front National hielt ihre Rede in Villepinte, einer 35.000-Einwohner-Stadt im Departement Seine-Saint-Denis. In der 18 Kilometer nordöstlich vom Pariser Zentrum gelegenen Ortschaft leben viele Anhänger Le Pens. Sie stellte Macron als Vertreter der Finanzwelt und der Globalisierung dar: „Ich rufe Euch auf, die Finanz, die Arroganz und die Herrschaft des Geldes zu verhindern“, so Le Pen vor Tausenden Anhängern.

Le Pen warf Macron zudem vor, Frankreich „der deutschen Kanzlerin“ unterwerfen zu wollen. Den Namen Angela Merkel nannte sie in diesem Zusammenhang nicht. Le Pen hatte sich im Wahlkampf mehrfach kritisch über Deutschland geäußert und gesagt, sie wolle „nicht Vizekanzlerin von Frau Merkel sein“. EU-Skeptiker Nicolas Dupont-Aignan leitete Le Pens Rede ein – am Samstag hatte sie angekündigt, im Falle eines Wahlsiegs den EU-kritischen Politiker zum Premier zu machen.

Hatte die Front-National-Politikerin kurz vor dem ersten Wahlgang noch auf harte Antieinwanderungsparolen gesetzt, stellte sie am Montag die soziale Situation des Landes in den Vordergrund. Augenscheinlich versucht sie die enttäuschten Wähler des Linksaußen-Kandidaten Jean-Luc Melenchon für sich zu gewinnen. Melenchon war im ersten Wahlgang mit 19,6 Prozent ausgeschieden.

„Sie nutzen Wut, stacheln Hass an“

Macron sprach am Nachmittag am nordöstlichen Stadtrand von Paris. Die Kundgebung erinnerte an eine große Party: Pastellbunte T-Shirts mit dem Slogan „Gemeinsam, Frankreich“ machten die Veranstaltungshalle zu einem Farbenmeer. Die Warnung vor Le Pen erschien in großen Lettern auf den Videowänden: „Die Geschichte wird sich an den 7. Mai 2017 erinnern. Aber wie?“ In seiner Rede warf er seiner Stichwahlgegnerin vor, Frankreich in die Isolation führen zu wollen.

Das Programm Le Pens und des Front National sei „ein Programm der Abschottung, des Protektionismus, des Isolationismus, des Nationalismus“, sagte Macron. „Sie nutzen die Wut, propagieren Lügen, stacheln Hass an, schüren Spaltungen.“ Macron sagte, die Stichwahl werde Frankreichs Zukunft für Jahrzehnte entscheiden.

Es gebe die Verantwortung, „unsere Demokratie, unsere Republik zu beschützen“. Er wisse, dass auch Menschen für ihn stimmen werden, die seine Politik bekämpfen würden. „Aber mein Kampf ist heute auch ein Kampf dafür geworden, dass Sie Ihre Meinungsverschiedenheiten morgen noch äußern können.“

Schwere Krawalle in Paris

Abseits der Wahlkampfbühnen entlud sich die aufgeheizte Stimmung im Land bei der Demonstration zum 1. Mai in Paris, vier Polizisten wurden durch Molotowcocktails teils schwer verletzt. Laut Innenminister Matthias Fekl wurden die Bereitschaftspolizisten von „mehreren Dutzend“ Demonstranten mit „zahlreichen Molotowcocktails“ attackiert. Einer der vier Verletzten habe schwere Verbrennungen im Gesicht erlitten, ein anderer sei schwer an der Hand verletzt worden. Fekl verurteilte die Gewalt und rief zur Ruhe auf.


Französische Bürger begehen den 1. Mai in der Hauptstadt an der Place de la Republique, wo sie gegen das Ergebnis der französischen Präsidentschaftswahlen protestieren wollen, die den unabhängigen Kandidaten Emmanuel Macron und Marine Le Pen von der Nationalen Front in die Endrunde brachten.
Auf den Straßen von Paris zeigte sich, dass auch Macron polarisiert. Die Gewerkschaften schafften es nicht, sich gemeinsam Le Pen entgegenzustellen. Bei den Kundgebungen riefen manche zur Wahl Macrons auf, andere protestieren gegen Le Pen, wieder andere wollten „weder noch“. Der Proeuropäer Macron liegt in Umfragen klar vorn, doch sein Vorsprung ist zuletzt leicht geschrumpft. Am Mittwoch treffen Le Pen und Macron in einem TV-Duell aufeinander – eine harte Debatte ist zu erwarten.

von

Günter Schwarz – 02.05.2017