Erdoğan trifft seinen „geschätzten Freund“ Putin
(Sotchi) – Gestern noch traf Wladimir Putin die Bundeskanzlerin Merkel, und heute hat er seinen nun seinen Freund Recep Tayyip Erdoğan zu Gast – zum dritten Mal innerhalb von knapp zehn Monaten! Der Kreml-Chef hatte auch den türkischen Präsidenten nach Sotschi ans Schwarte Meer eingeladen. Die Fragen und Antworten zu diesem Treffen.
Es ist bereits Erdoğans dritter Besuch in Russland seit August 2016, erst vor wenigen Wochen traf er sich mit Putin in Moskau. Erdoğan signalisiert damit vor allem der EU, aber auch den USA und der NATO, dass es für Ankara Alternativen zum Westen gibt. Das gilt besonders angesichts der wachsenden Kritik aus Brüssel an Erdoğan. Der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel hatte vergangene Woche bei einem Treffen mit EU-Kollegen auf Malta gesagt, man könne kein Interesse daran haben, dass die Türkei „in Richtung Russland geschoben wird“. Gabriel hatte das als Argument gegen einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei angeführt. Bei der Nato dürfte mit Sorge betrachtet werden, dass der Bündnispartner Türkei Interesse am russischen Flugabwehrsystem S-400 hat.
Ganz oben auf der Agenda der Gespräche steht sicherlich der Syrien-Konflikt, einer der grossen Streitpunkte zwischen den beiden Ländern. Russland unterstützt den Machthaber Baschar al-Assad mit Luftangriffen, während die Türkei im Grenzgebiet Bodentruppen einsetzt. Experten gehen davon aus, dass die beiden auch über die Unterstützung der Kurden und radikaler Gruppen in Syrien sprechen werden. Moskau will im Gegensatz zu Ankara, dass die Kurden an den Friedensgesprächen teilnehmen. Auch der Deal um das Flugabwehrsystem soll kurz vor dem Abschluss stehen, sind sich Beobachter sicher.
Der Abschuss eines russischen Kampfjets durch die Türkei Ende 2015 führte zu einer schweren Krise. Putin verhängte schmerzhafte Sanktionen gegen die Türkei und übte scharfe Kritik an Erdoğan. Der Kremlchef sagte unter anderem: „Allah beschloss, die regierende Clique in der Türkei zu bestrafen, und hat sie um den Verstand gebracht.“ Erdoğan sah sich schliesslich gezwungen – wie von Putin gefordert – zu entschuldigen. Danach legten die beiden Staaten den Streit im August vergangenen Jahres offiziell bei. Teile der Sanktionen sind jedoch noch immer in Kraft.
Somit scheint es, dass die Eiszeit ist vorüber ist. Moskau und Ankara sind im Dialog. Erdoğan nannte Putin nach der Beilegung des Streits sogar „meinen geschätzten Freund“. Putin gratulierte Erdoğan auch als einer der wenigen Staatschefs zu dem Ergebnis bei dem umstrittenen Verfassungsreferendum. Beim vergangenen Treffen einigten sich beide darauf, einige Agrarsanktionen etwa auf Brokkoli und mehrere Zwiebelsorten aufzuheben. Dennoch: Russische Touristen kommen nicht mehr so zahlreich in die beliebten Urlaubsziele in der Türkei wie noch vor einigen Jahren. Das trifft die wichtige Tourismusbranche umso härter, da auch westliche Besucher ausbleiben.
Doch sind Experten überzeugt, dass sich trotz der Streitereien letztlich auf beiden Seiten die pragmatische Überzeugung durchgesetzt hat, dass Moskau und Ankara wirtschaftlich und im Syrien-Konflikt zusammen mehr erreichen können als alleine. Putin bezeichnete die Türkei als einen der wichtigsten Wirtschaftspartner Russlands.
Dennoch bleibt zunächst einmal ein Streitpunkt, dass die Türkei die Ablösung des syrischen Präsidenten Assad fordert, dessen wichtigster Unterstützer Russland ist. Ein besonderer Dorn im Auge sind Ankara auch die Milizen der Kurdenpartei PYD, dem syrischen Ableger der von der Türkei verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Zudem sieht die Türkei die Rolle des Irans bei den Verhandlungen kritisch. Bei seinem letzten Besuch in Moskau im März forderte Erdoğan ein Ende der PYD-Aktivitäten in Moskau. In der Krise mit der Türkei hatte Moskau der PYD die Eröffnung eines eigenen Büros erlaubt.
Insofern dürften es trotz aller Freundschaftsbekundungen zueinander recht schwierige Gespräche werden, denn diplomatisches Geschick kann man beiden Gesprächspartnern ja bislang nicht unbedingt zusprechen – wenn man einmal von der „Brechstangen-Diplomatie“ absieht.
von
Günter Schwarz – 03.05.2017