Erste Diesel-Fahrverbote in Hamburg
(Hamburg) – Die Luftschadstoffe in den Ballungsräumen beunruhigen Millionen Deutsche nicht erst seit heute. Bis jetzt war in den Medien vornehmlich von Stuttgart die Rede, da in dieser Stadt auch aufgrund seiner Tallage die Luftverschmutzung durch den fließenden Verkehr oft kaum npch zu ertragen ist. Doch nun ist Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan vorgeprescht und hat nun den lang erwarteten Luftreinhalteplan vorgelegt – und der birgt einige Überraschungen.
Die beste Nachricht gleich vorweg: So schlecht wie gedacht ist die Luft in Hamburg gar nicht. Ein Gutachten aus dem Jahr 2012 hatte noch ergeben, dass 214.404 Menschen auf 234,5 Straßenkilometern von schädlichen Abgasen betroffen seien. Das stimmt aber nicht, besagt das neueste Gutachten, auf das sich der am Dienstag vorgestellte und seit langem erwartete Luftreinhalteplan für die Stadt Hamburg stützt. Demnach leiden erheblich weniger Anwohner – nämlich 41.358 Bürger auf 40,8 Kilometern – unter den überschrittenen Stickstoffdioxid-Grenzwerten (NO2).
Das ändert nichts daran, dass der Maßnahmenkatalog, den Umweltsenator Jens Kerstan gestern vorlegte, jedenfalls zeitlich dringend nötig war. Das Verwaltungsgericht Hamburg hatte die Stadt schon im Oktober 2014 verurteilt, „in der kürzest möglichen Zeit“ den Luftreinhalteplan fortzuschreiben. Erst im März dieses Jahres verpflichtete das Gericht den rot-grünen Senat, spätestens bis Ende Juni Ergebnisse zu liefern. Dem kamen die zuständigen Behörden nun nach.
Der neue Luftreinhalteplan des Hamburger Senats sieht vor, dass auf einem Teil der Max-Brauer-Allee im Bezirk Altona keine Diesel-Pkw und -Lkw mit der Abgasnorm Euro 5 oder schlechter mehr fahren dürfen. Damit ist die Mehrheit aller Diesel-Autos betroffen. Darunter sind viele recht neue Wagen: Euro-5-Diesel wurden noch bis 2015 in größerer Zahl zugelassen. Auf einer weiteren Hauptverkehrsader dürfen künftig keine älteren Diesel-Lastwagen fahren.
Eine Umsetzung kann jedoch erst dann erfolgen, wenn das Bundesverwaltungsgericht darüber entschieden hat, ob Länder und Kommunen tatsächlich lokale Beschränkungen für bestimmte Motorentypen an einzelnen Straßen anordnen dürfen. Mit dem Urteil rechnet Kerstan, der das Teil-Verbot für Dieselfahrzeuge für „notwendig und vertretbar“ hält, noch 2017.
Obwohl die Stadt das punktuelle Fahrverbot als mildes Mittel bezeichnet, ist es eine Maßnahme von hohem Symbolwert. Bereits die Diskussion über mögliche Fahrverbote hat in den vergangenen Monaten Schockwellen an die Autoindustrie gesendet: Der Anteil hochprofitabler Diesel-Autos an den Neuzulassungen befindet sich in vielen europäischen Ländern im Sinkflug. Immer mehr Dieselfahrer erwägen, auf andere Antriebe umzusteigen.
In der Opposition sieht man das partielle Fahrverbot mit gemischten Gefühlen: „Senator Kerstan und die Grünen konnten sich mit ihren ursprünglichen Vorstellungen hinsichtlich Fahrverboten, City-Maut und Umweltzonen größtenteils nicht durchsetzen. Das ist eine gute Nachricht für Hamburg“, erklärte Stephan Gamm, umweltpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion. Gleichwohl sei die vorgelegte Lösung eine Belastung für tausende Berufstätige, Handwerker und andere Verkehrsteilnehmer.
Für Kerstan gibt es zu diesem drastischen Schritt keine Alternative, schließlich führen verschiedene mildere, gesamtstädtisch wirkende Maßnahmen wie unter anderem der ÖPNV-Ausbau, die Förderung des Radverkehrs (jährliche Investition von 20 Millionen Euro) die Flottenmodernisierung von Bus und Bahn sowie der Ausbau von Elektromobilität an den konkreten Streckenabschnitten nicht zu der notwendigen Verbesserung der Luftqualität. „Als erste Großstadt legen wir einen Plan vor, der alle Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit hin berechnet“, sagte Kerstan. Ob Tempo-30-Zone oder neuer Radschnellweg – der neue Luftreinhalteplan zeige auf, was die einzelnen Maßnahmen tatsächlich bringen.
Für Anlieger, Lieferfahrzeuge und andere gälten zudem Ausnahmen, führt der Senat an. Auf einer weiteren Hauptverkehrsstraße, der Stresemannstraße, sollen künftig lediglich keine alten Diesel-Lkw mehr fahren.
von
Günter Schwarz – 03.05.2017