Ist „Links“ und „Rechts“ überholtes politisches Denken?
Die Mehrheit der dänischen Arbeiter und Arbeitnehmer wählen nicht mehr „Links“. Auch die derzeitige Präsidentschaftswahl in Frankreich zeigt, dass das alte, traditionelle Schema zwischen politisch linken und rechten Parteien aufgebrochen wird. Bei den neuen Gegensätzen, die mittlerweile den politischen Diskurs überlagern, sollte man sich ab und an auch mit den politischen Werten auseinandersetzen und dabei „gewinnbringend“ sowohl nach links und rechts schauen.
Am 1. Mai waren Sozialdemokraten, Sozialisten und Kommunisten stets unter sich. Wer für die Arbeiter/Arbeitnehmer war, der war auch links. Auch in diesem Jahr wehten traditionell noch die roten Fahnen. Doch früher war alles einfacher am 1. Mai. Hat sich das Rechts-Links-Schema etwa mittlerweile überholt? Passend zum 1. Mai konnte man auf „Altinget.dk“ eine Umfrage lesen, die besagt, dass die Mehrheit der Arbeitnehmer in Dänemark nicht mehr links wählt [Socialdemokraterne, Socialistisk Folkeparti (Sozialistische Volkspartei), Enhedslisten] (Einheitsliste)] – sondern eher bürgerliche Parteien bevorzugt. Besonders schmerzlich für rote Nostalgiker muss die Tatsache sein, dass die rechtspopulistische und ausländerfeindliche Dansk Folkeparti (Dänische Volkspartei) laut Studie die beliebteste Partei bei den Arbeitern und Arbeitnehmern ist.
Aber was ist schon links und was ist rechts? Dieses Schema-Denken war schon immer eher eine Vereinfachungs- und Abgrenzungsdefinition; heute macht diese Aufteilung parteipolitisch zumindest kaum noch einen Sinn. Damit soll die historische Bedeutung der Arbeiterbewegung keineswegs geschmälert werden. Die Frage ist keine historische, sondern eine aktuell-politische: Was bedeutet dieser Links-Rechts-Gegensatz heute?
In Frankreich wird bei der Wahl zum Präsidentenamt deutlich, dass sich das Rechts-Links-Schema in der Auflösung befindet. Die Sozialisten sind unter 10 Prozent der Wählergunst gefallen, und die Konservativen haben es auch nicht bis in die Stichwahl geschafft. Gewonnen hat ein Kandidat, der sich ganz bewusst dahingehend öffentlich äußert, dass er weder Linke noch Rechte kenne, sondern vielmehr danach trachtet, dieses anachronistische politische Schisma zu überwinden. Auch seine politische Gegnerin versucht sich – wenig überzeugend – aus dem Rechts-Links-Schema zu winden: Sie sei allein für Frankreich, alles andere sei sekundär.
Es manifestiert sich ein neuer Gegensatz, der schwer in das alte politiche Denken passt. Viele Menschen sehen sich als Verlierer der Globalisierung – sie haben Angst vor der Welt, die da draußen ist und immer dichter an die eigene Komfortzone rückt. Dieses muss nicht unbedingt mit einem geringeren sozialen Status zusammenhängen; bis tief in die Mittelschicht hinein, zieht sich die Angst und Ablehnung der vernetzten und unübersichtlichen Welt. Auf der anderen Seite stehen die Globalisierungsgewinner – die Weltbürger, die glühenden EU-Anhänger, die in einer interdependenten Welt, die Antwort auf alle Fragen der Zukunft sehen. Die Gegensätze zwischen den beiden Gruppen werden immer schärfer.
Dennoch, es wäre falsch, den Links-Rechts-Gegensatz einfach auf den Müll der Geschichte zu kippen. Die eher dem konservativen Spektrum zuzuordnende Meinungsforscherin, Noelle-Neumann hat beschrieben, was Menschen unter rechten und was sie unter linken Werten verstehen. Als linke Werte gelten danach: Gleichheit, Gerechtigkeit, Nähe, Wärme, Formlosigkeit, das „Du“, Spontaneität, das Internationale und Kosmopolitische. Ihnen stehen als rechte Werte gegenüber: Betonung der Unterschiede, Autorität, Distanz, geregelte Umgangsformen, das „Sie“, Disziplin, das Nationale. In der Wirtschaft sind linke Werte: staatliche Planung, öffentliche Kontrolle, rechte Werte: Privatwirtschaft und Wettbewerb.
Freiheit verstehen Linke zuerst als Freiheit von Not. Der Staat soll sich um soziale Sicherheit und Geborgenheit kümmern. Rechte verstehen Freiheit umgekehrt zuerst als Freiheit von staatlicher Gängelung und staatlichem Zwang. Sie schätzen Anstrengung, Risikobereitschaft, Eigenaktivität. Das zentrale linke Anliegen ist Solidarität mit den Schwächeren.
Natürlich sind das Stereotypen und Vereinfachungen; aber nichts anderes ist das Rechts-Links-Denken immer gewesen. Bei den neuen Gegensätzen, die mittlerweile den politischen Diskurs überlagern, sollte man sich ab und an auch mit den politischen Werten auseinandersetzen und dabei für sich persönlich „gewinnbringend“ sowohl nach links und rechts schauen.
von
Günter Schwarz – 04.05.2017