(Berlin) – Die Türkei überlegt in Deutschland eine Volksbefragung über die Todesstrafe durchzuführen. Berlin will in Deutschland lebenden Türken die Teilnahme an einem möglichen Referendum zur Einführung der Todesstrafe in ihrer Heimat verweigern und bekommt Unterstützung. Nur ein einziges Mal wurde in den letzten Jahren einem anderen Staat die Durchführung von Wahlen untersagt. Allerdings gibt es auch Kritik an Merkels Politik.

Die jetzige Entscheidung, ein eventuelles Referendum über die Einführung der Todesstrafe in der Türkei in Deutschland nicht durchführen zu lassen, sei überfällig gewesen. In Deutschland unterstützen alle im Bundestag vertretenen Parteien die Bundesregierung in ihrer Ablehnung, eine türkische Volksbefragung über die Todesstrafe in Deutschland zuzulassen.

Der Fraktionsvorsitzende der Union, Volker Kauder, sagte der Zeitung: „Die Bundesregierung hat völlig Recht mit Ihrer Haltung. Eine solche Abstimmung kann es in Deutschland nicht geben. Wir können keine Beihilfe für den Bruch der Menschenrechte geben. Das sage ich schon lange.“

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) rät der Regierung alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, um ein solches Plebiszit zu verhindern. Der „Welt am Sonntag“ sagte Scholz: „Die türkische Regierung führt ihr Land sichtbar weg von der Europäischen Union.“ Präsident Erdoğan würde eine rote Linie überschreiten, wenn er in seinem Land die Todesstrafe einführt.

„Rechtlich muss die Bundesregierung alles daran setzen zu verhindern, dass ein Referendum über die Wiedereinführung der Todesstrafe in der Türkei auch in Deutschland abgehalten werden kann.“ Es widerspräche unseren fundamentalen Werten, so Scholz gegenüber der „Welt am Sonntag“.

Stephan Mayer (CSU), innenpolitischer Sprecher der Union, sagte der „Welt am Sonntag“: „Die Todesstrafe widerspricht eklatant und zutiefst fundamentalen europäischen christlichen und humanitären Werten. Sollte der türkische Präsident Erdoğan tatsächlich ein Referendum über die Wiedereinführung der Todesstrafe initiieren, ist aus meiner Sicht der Rubikon überschritten, und die EU müssten mit sofortiger Wirkung die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei beenden.“

Ihm schließt sich die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei, Sahra Wagenknecht an. Die Regierung sei grundgesetzlich verpflichtet, die Teilnahme an einem Referendum über die Einführung der Todesstrafe in der Türkei auf deutschem Boden zu verhindern.

„Ein unerträglicher Skandal“

„Es wäre ein unerträglicher Skandal, würde die Bundesregierung die Grundrechte in Deutschland dem Despoten Erdogan opfern. Ich erwarte von Merkel und Gabriel endlich klare Kante gegenüber der islamistischen Diktatur in der Türkei“, so Wagenknecht gegenüber der „Welt am Sonntag“.

Härter geht FDP-Chef Christian Lindner mit der Regierung ins Gericht. „Angela Merkels Türkei-Politik ist krachend gescheitert. Ihre Flüchtlingspolitik hat Deutschland von der Türkei abhängig gemacht. Viel zu lange hat die Bundesregierung bei dem Treiben des Erdoğan -Regimes in Deutschland mindestens beide Augen zugedrückt“, sagte Lindner der „Welt am Sonntag“.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hatte die Todesstrafe während seiner Zeit als Regierungschef 2004 abschaffen lassen. Nach dem gescheiterten Putsch im vergangenen Jahr brachte er mehrfach ihre Wiedereinführung ins Spiel und regte hierzu ein Referendum an. Außenminister Gabriel hatte kürzlich die Linie der Bundesregierung bekräftigt, nach der die – faktisch ohnehin auf Eis liegenden – EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei in einem solchen Fall abgebrochen werden müssten.

von

Günter Schwarz – 07.05.2017