„Angesichts der neuen Steuerprognosen muss man ja sagen, dass die Mittelschicht regelrecht ausgeplündert wird vom Staat. 60 Prozent Steuern, Sozialabgaben, das ist fast DDR“, sagt FDP-Chef Christian Lindner. Der Bund schwimmt im Geld. Doch an das Steuersystem traut sich niemand heran. Politiker müssen aufhören, stattdessen immer nur neue soziale Leistungen zu versprechen.

FDP-Chef Christian Lindner hat die seiner Meinung nach überproportionale Steuerbelastung der Mittelschicht scharf kritisiert: „Angesichts der neuen Steuerprognosen muss man ja sagen, dass die Mittelschicht regelrecht ausgeplündert wird vom Staat. 60 Prozent Steuern, Sozialabgaben, das ist fast DDR“, sagte Lindner, der auch Spitzenkandidat seiner Partei bei der NRW-Landtagswahl am Sonntag ist, dem Sender Phoenix.

Im Hinblick auf eine mögliche Koalition der NRW-Liberalen mit der SPD im Düsseldorfer Landtag äußerte er sich skeptisch.

„Sozialliberal haben wir nicht ausgeschlossen“, sagte Lindner, fügte aber hinzu: „Meine Vorstellungskraft ist diesbezüglich allerdings leider limitiert, weil es 2012 eine solche Mehrheit im Landtag gegeben hätte.“

Doch damals habe sich Hannelore Kraft (SPD) anders entschieden. Eine Zusammenarbeit in NRW mit der SPD und den Grünen schloss er erneut aus. „Es wäre übergeschnappt zu glauben, dass man als dritter Partner in eine Regierung eintritt, die sieben Jahre zusammengearbeitet hat. Da ändert man gar nichts.“

Obwohl viele Deutsche entsetzt registrieren, wie sehr ihr Brutto-Einkommen nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben zusammenschnurrt, obwohl fast jeder Experte Reformen fordert, steht die Steuerpolitik seit mehr als einem Jahrzehnt praktisch still, genauer: seit dem Amtsantritt der Kanzlerin Angela Merkel 2005.

Ob in der Koalition mit der FDP, die einmal eine Steuersenkungspartei war, oder der SPD, die ohnehin lieber Sozialausgaben finanziert – unter der CDU-Kanzlerin und ihrem Finanzminister Wolfgang Schäuble geschah wenig. Wenig, außer einem: Die Einnahmen des Staates, von Bund, Ländern und Gemeinden, steigen und steigen. Am Donnerstag werden die Steuerschätzer ihre Prognose wieder nach oben korrigieren – und Einnahmen von 825 Milliarden Euro im Jahr 2020 voraussagen. Das würde heißen, die staatlichen Einnahmen steigen jedes Jahr um mindestens zehn Milliarden Euro stärker als bisher erwartet.

2,4 Millionen Euro Arbeitnehmer zahlen den Spitzensteuersatz. Das sind doppelt so viele wie 2005. Eine mittelschichtsfreundliche und leistungsfördernde Reform müsste deshalb damit beginnen, die Steuersätze im mittleren Einkommensbereich zu senken, der Spitzensteuersatz müsste viel später als heute einsetzen, und der „Soli“ als Zuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer einfach abgeschafft werden.

Wenn überhaupt, wird eine Steuerreform mit dem Argument der Umverteilung begründet: Es könne doch nicht sein, dass kleine und mittlere Einkommen immer stärker belastet würden, während Vermögende und Unternehmen geschont würden. Damit aber wird die Diskussion grundsätzlich falsch aufgezäumt. Denn beim notleidenden deutschen Steuersystem geht es weniger um eine Schere zwischen Arm und Reich – sondern um eine zwischen Staat und Bürgern.

von

Günter Schwarz – 10.05.2017