Eurovision Song Contest 2017 – alle 26 Kandidaten von Kiew auf VIDEO
(Kiew) – Heute Abend ist es wieder soweit. – Das Finale des Eurovision Song Contest 2017 geht in der ukrainischenHauptstadt Kiew über die Bühne. Mit dabei ist die deutsche ESC-Hoffnung Levina, die als 21. Teilnehmerin ihre „Performance“ abliefern wird.
Nach zwei letzten Plätzen in den vergangenen beiden Jahren hoffen viele Deutsche darauf, dass Isabella Levina Lueen (26, „Unexpected“) mit ihrem Song „Perfect Life“ endlich wieder reichlich Punkte einheimsen kann.
Die sympathische Blondine hat sich selbst das obere Drittel als Ziel gesetzt. „Klar bin ich enttäuscht, wenn es nicht klappt. Aber ich mach mir jetzt nicht so einen Druck. Mir ist ganz wichtig, diese Erfahrung mitzunehmen“, erklärt die 26-Jährige.
Wie auch der englischsprachige Titel der deutsche Teilnehmerin Levina zeigt, geht auch der Kampf zweier Festival-Trends in die nächste Runde. Englischsprachiges Songs treten gegen die Songs an, die in Nationalsprachen vorgetragen werden. Auch in diesem Jahr liegen wie in den Jahren zuvor die Anglophonen weit vorne, der Wunsch vieler Interpreten nach internationaler Charts-Notierung lässt sie radebrechen und enthüllt Texte ohne tieferen Sinn. Die Kenner des Wettbewerbs wünschen sich schon seit Jahren die Regel zurück, dass jedes Land in seiner Sprache auftreten muss.
„Celebrate Diversity“ heißt das ESC-Motto in diesem Jahr, und wie viel Vielfalt käme beim Finale am Sonnabend zum Vorschein, wenn man die unterschiedlichen Landessprachen zum Klingen brächte. Aber eine Neufassung der Regel ist nicht in Sicht, wir werden weiterhin mit schlechtem Englisch gequält werden und uns in der gesamteuropäischen Popmusik auf einem Niveau unterhalb der Straßenkante bewegen.
Ein Überblick über alle Songs, die am Samstag beim Finale zu hören sein werden:
1. Israel, Imri, „I Feel Alive“
Wieder so ein Reklamesong für unbeschwerte Stunden am sonnigen Strand von Tel Aviv. Der muskulöse Sänger ist die Idealbesetzung für drei Minuten Tanz im Sand.
2. Polen, Kasia Mos, „Flashlight“
Wenig Kleid und ein üppiger Busen hindern nicht an bedeutungsschwangeren Friedensbotschaften, mit ganz vielen Tauben, bombastischer Musik und einem Gekreische, das nur noch nervt.
3. Weißrussland, Naviband, „Historyja majho zyccia“
Weiß gewandete Edelhippies erzählen in ihrer Landessprache die Geschichte ihres Lebens. Ein mitreißender Folk-Song voll guter Laune. Und das aus einem autoritären Staat.
4. Österreich, Nathan Trent, „Running On Air“
Da geht nichts schief. Ein netter Traumtänzer in jungfräulichem Weiß versucht, uns optimistisch einzustimmen: Dranbleiben, auch wenn’s mal schlecht läuft!
5. Armenien, Artsvik, „Fly With Me“
Der Elektro-Ethno-Song mischt verschiedenste Elemente, ohne überladen zur wirken. Artsvik und ihre Tänzerinnen lassen die Arme kreisen und kommen dem indischen Gott Shiva in der eleganten Performance ganz nah.
6. Niederlande, O’G3NE, „Lights And Shadows“
Eine reine Familienangelegenheit: Drei Schwestern singen ein Lied des Vaters, das der Mutter gewidmet ist. Das Ergebnis klingt stark nach Wilson Phillips, die ihre großen Erfolge in den 1990er Jahren hatten.
7. Moldau, Sun Stroke Project, „Hey Mamma“
Der Schwiegermuttersong macht Laune, bringt jede Party in Schwung. Dabei hilft das mitreißende Saxofon-Solo. Damit hat Serghei Stepanov 2010 schon einmal mit mehr als 30 Millionen Klicks einen Youtube-Hit gelandet.
8. Ungarn, Joci Pápai, „Origo“
Das traurige Lied des Roma-Rappers erzählt uns von der Abwehr alles Fremden und wie man mit der Kraft der Musik und Gottes Hilfe dagegenhält. Der Mix aus orientalischen Rhythmen und melodischem Rap gilt als politischster Beitrag in diesem Jahr.
9. Italien, Francesco Gabbani, „Occidentali’s Karma“
Der Song ist mitreißend, der Sänger ein Charmebolzen, der Text verspottet den esoterischen Zeitgeist. Der diesjährige San-Remo-Sieger und sein tanzender Gorilla sind haushohe Favoriten. Om!
10. Dänemark, Anja Nissen, „Where I Am“
Wenn Frauen ganz hoch singen, Rekorde aufstellen, wie lange man einen Ton halten kann und jedes dritte Wort „Love“ ist, dann nennt man das eine authentische Powerballade. Sowas singt die Australierin für Dänemark.
11. Portugal, Salvador Sobral, „Amar pelos dois“
Bambi hat sich im Wald verlaufen und schaut uns aus waidwunden Augen an. Der ganz außergewöhnliche Sänger ist DER Geheimtipp. Seine Stimme legt jedes Gefühl frei, seine jazzige Ballade rührt zu Tränen.
12. Aserbaidschan, Dihaj, „Skeletons“
Staatsoper oder ESC-Bühne? Ein Mann mit Pferdekopf sitzt auf einer Leiter, die Sängerin darbt zwischen vollgekritzelten Wänden. Ihre Pop-Arie wird zum Befreiungsschlag aus klaustrophobischer Situation.
13. Kroatien, Jacques Houdek, „My Friend“
Zwei Stimmen wohnen, ach, in einer kräftigen Brust. Die eine singt englischen Pop, die andere eine italienische Arie. Das Ergebnis: ein arg kitschiges Duett mit sich selbst.
14. Australien, Isaiah, „Don’t Come Easy“
Das zarte Kindergesicht des 17-jährigen Aborigine aus Down Under bringt mit großer, trotziger Stimme eine Ballade, die in ihrer Langeweile dann doch nichts ist für die Ewigkeit.
15. Griechenland, Demy, „This Is Love“
Eines von diesen ganz simpel gestrickten Liebesliedern, gut tanzbar und schnell zu vergessen. Zwei halbnackte Jungs im Planschbecken davor helfen auch nicht, sich dennoch zu erinnern.
16. Spanien, Manel Navarro, „Do It For Your Lover“
Ein gelockter Milchbubi als Surferboy mit weichgespülten Reggae-Anklängen. Doch der Song geht ins Ohr und ist hörbar als Sommerhit konzipiert.
17. Norwegen, Jowst featuring Aleksander Walmann, „Grab The Moment“
Der DJ trägt eine Maske, der Sänger einen Hut. Und der Song erinnert sehr an Daft Punk – Elektropop auf der Höhe der Zeit.
18. Großbritannien, Lucie Jones, „Never Give Up On You“
Heul! Jaul! Schluchz! Die erfahrene Musicalsängerin drückt ohne Ende auf die Tränendrüse. Ist das ein Brexit-Klagelied? Mitkomponiert hat Emmelie de Forest, die ESC-Gewinnerin von 2013.
19. Zypern, Hovig, „Gravity“
Noch so’n Lied aus der schwedischen Pop-Küche. Mit ihren entblößten Knöcheln liegen Sänger und Tänzer voll im Trend. Viel mehr lässt sich zu dem stimmsicher vorgetragenen, aber banalen Song nicht sagen.
20. Rumänien, Ilinca feat. Alex Florea, „Yodel It!“
Jodeln und Rap, geht das zusammen? Hier schon. Die schräge Crossover-Nummer macht Spaß. Überflüssig, dass die beiden Stimmungskanonen noch riesige, silbrige Spielzeuggeschütze auf die Bühne schieben.
21. Deutschland, Levina, „Perfect Life“
Die Blonde mit den langen Beinen hat eine rauchige Stimme mit hohem Wiedererkennungswert. Dazu passt der glatte, monotone Song überhaupt nicht. Kostüm und Bühnenbild kommen mausgrau daher. Dieser Wille zur Eleganz wirkt dann doch eintönig.
22. Ukraine, O.Torvald, „Time“
Headbanging fürs Kinderzimmer. Diese gitarrenlastige Rocknummer macht auf hart, ist es aber nicht wirklich. Kontrastprogramm zur Vorjahressiegerin Jamala mit ihrer politischen Elektro-Soul-Ballade.
23. Belgien, Blanche, „City Lights“
Wovor hat die 17-jährige Sängerin bloß Angst? Vor dem Mikrofon? Den Kameras? Dabei ist in diesem Stück geheimnisvollen Elektropops ihre tiefe Stimme eine Wucht.
24. Schweden, Robin Bengtsson, „I Can’t Go On“
Fünf smarte Dressmen auf einem laufenden Laufsteg – die Inszenierung ist hübsch anzusehen. Das Lied aus der Schwedenpop-Retorte verschwindet dahinter völlig, und es ist nicht schade drum.
25. Bulgarien, Kristian Kostov, „Beautiful Mess“
Der Kleine mit der großen Zahnlücke ist mit seinen gerade eben 17 Jahren der Jüngste im Teilnehmerfeld. Seine Stimme aber ist die eines alten Hasen, voller Kraft und nuancenreich. Genau das richtige für eine dramatische Ballade.
26. Frankreich, Alma, „Requiem“
„Embrasse-moi“ (Umarme mich) – eine Stimme und eine ethnoinspirierte Musik, von der man sich gern umarmen lässt. Frankreich macht da weiter, wo es 2016 aufgehört hat: Komponist Nazim Khaled war auch an „J’ai cherché“ (Ich habe gesucht) beteiligt, mit dem Amir auf den sechsten Platz kam.
von
Günter Schwarz – 13.05.2017