Vor nunmehr drei Jahren zitterte die Kulturwelt in Schleswig-Holstein, nachdem die Ratsversammlung in Schleswig sich gegen einen Neubau für das Landestheater entschied. Die Wogen schlugen umso höher, nachdem sogar spekuliert wurde, dass das komplette Theater durch den Verlust dieser Spielstätte gefährdet sei.

Die Zeit hat nun die Wunden geheilt und das Chaos geglättet. Schleswig wird sein Theater bekommen und auch das Landestheater wird weiterbestehen. Trotz des augenscheinlich guten Ausganges dieses kommunalpolitischen Dramas sollte man fragen, was die Beteiligten daraus gelernt haben, denn im Endeffekt wurde das Problem nicht beseitigt, sondern vielmehr ausgesessen.

Haben wir uns umsonst Sorgen gemacht?

Ja. … Denn das Landestheater kommt offenbar sehr gut ohne uns aus.

Direkt nach der Schleswiger Ratsentscheidung folgte ein kollektiver Aufschrei der Empörung, der weit über die Grenzen von Schleswig-Holstein hinausreichte. Die Facebook-Gruppe „Das Landestheater muss erhalten bleiben!“ wurde gegründet und über 2500 Menschen aus allen möglichen Regionen folgten den Nachrichten über das Landestheater in dem sozialen Netzwerk. Inzwischen ist die Zahl auf 2433 zurückgegangen. „Das Landestheater muss erhalten bleiben!“ ist damit allerdings immer noch die größte „Kultur-Muss-Erhalten-Bleiben-Community“ im deutschsprachigen Facebook-Universum.

Über ein Jahr lang posteten die Initiatoren dieser Facebook-Seite täglich News rund um das Theater, Spielpläne, Hinweise zu Aufführungen und Veranstaltungen. Teilweise bemerkten User, dass diese privat initiierte Community aktuellere Informationen lieferte als die offiziellen Internetseiten des Theaters. Das war zwar in der Form nicht beabsichtigt – doch könne es dem Theater ja nicht schaden. Wer freut sich nicht über kostenlose Werbung?

Das Landestheater!

Vereinzelt kam positives Feedback von Mitarbeitern des Theaters. Die „Intendanz“ hat sich nicht dazu herabgelassen, den 2500-Menschen ein kleines „Danke“ zukommen zu lassen.

Es ist klar, dass ein „Like“ auf Facebook keine Probleme löst. Wohl aber schafft man damit Interesse und Aufmerksamkeit. Man kann informieren und werben. Insbesondere bei solchen privaten Aktionen gehört es eigentlich zum „guten Ton“, dem Fanclub ein kleines „Danke“ zu senden. Viele Künstler schicken ihren Fanclubs kleine Motivationsnachrichten, Autogrammkarten oder kleine Geschenke. Geschenke haben die Initiatoren der Facebook-Gruppe zur Rettung des Landestheaters nie erwartet. Wohl aber etwas „Anteilnahme“.

Zu der Aktion der Facebook-Gruppe „WIR zeigen Gesicht!“ sendeten Facebook-User Bilder an die Facebook-Gruppe, auf denen ein Zettel mit der Aufschrift: „Das Landestheater muss erhalten bleiben“ in die Kamera gehalten wurde. Warum finden wir in dieser Galerie einen Pianisten aus Berlin, eine Künstlerin aus Kiel, einen Rentner, Schüler, Journalisten, Krankenschwester und Verkäuferin eines Supermarktes – aber KEINE Teilnahme des Theaters selbst? … Dem Theater war es egal. Dem Theater ist es völlig egal, ob sich da irgendwelche Leute für Facebook fotografieren, der Kultur nachweinen, ein „Like“ klicken oder wo man sich über den Spielplan informiert.

Es ist Schade, dass die Sorge von mehr als 2500 Menschen über drohenden Kulturverlust einem Kulturbetrieb so egal ist.

Es ist allerdings auch sehr lehrreich.

Wenn es also einem Theater schlecht geht und eine Schließung droht – lohnt es sich dann, sich privat zu engagieren und sich täglich die Arbeit zu machen, Artikel aus den Zeitungen zu recherchieren oder Spielpläne zu wälzen?

Vielen Theatern und Spielstätten wird vorgeworfen, aus einem Elfenbeinturm heraus über die Köpfe des Kulturpublikums hinweg zu regieren. Der Zuschauer würde nicht eingebunden oder abgeholt, heißt es in vielen Fachberichten. Im Falle des Schleswig-Holsteinischen Landestheaters können die Initiatoren der Facebook-Gruppe dies nicht nur unterschreiben, sondern dazu auch noch abstempeln. Denn „Dankbarkeit“ oder „Teilnahme“ hat die Intendanz des Theaters nunmehr seit 3 Jahre missen lassen.

Wer würde privat die Werbetrommel für ein Restaurant rühren, in dem die Speisen zwar ganz passabel sind – in dem die Servicekräfte aber weder ein Lächeln noch ein freundliches Wort für die Gäste erübrigen können?

Viele private Theater (also nicht aus öffentlichen Mitteln geförderte Betriebe) verhalten sich da ganz anders… eben weil der Kunde oder Gast für das Überleben eines Kulturbetriebes wichtig ist.

Das Landestheater scheint da etwas andere Prioritäten zu setzen.

Michael Schwarz – 20. Mai 2017