Was geschah am 29. Mai 1953 in unserem Dänemark?
Der Vorschlag, die dänische Verfassung (Dansk Grundlov) und das Thronfolgegesetz dahingehend zu ändern, die auch eine weibliche Thronfolge ermöglicht, wird am 29. Mai 1953 durch ein Referendum des Volkes angenommen.
Die dänische Verfassung basiert auf ein Gesetz aus dem Jahr 1849. Es wurde in den Jahren 1866, 1915, 1920 und letztmalig 1953 geändert. Der Versuch 1939, eine Verfassungsänderung durchzuführen, scheiterte. Die Verfassung ist das höchste Gesetz im dänischen Königreich, dem alle anderen Gesetze unterstehen.
Die Verfassung zusammen mit dem Königsgesetz, das unter anderem auch die Thronnachfolge regelt und in gewissem Maße die Selbstverwaltung der Färöer-Inseln und Grønland festschreibt, sind zentrale Teile der dänischen Verfassung.
Die erste dänische Verfassung (offiziell Danmarks Riges Grundlov) wurde am 5. Juni 1849 von Kong Frederik VII. unterzeichnet. Damit wurde seinerzeit die Regierungsform in Dänemark von der durch Kong Frederik III. eingeführten und seit 1631 bestehenden absoluten Monarchie zu konstitutionellen Monarchie verändert. Dieses Datum ist seitdem neben dem Geburtstag der Königin Nationalfeiertag in Dänemark und markiert die Einführung der konstitutionellen Monarchie und die Abschaffung des Absolutismus. Es ist die Geburtsstunde des demokratischen Dänemarks mit seiner inzwischen fast 170-jährigen Geschichte.
Die Verfassung von 1849 wird speziell „Junigrundloven“ genannt – „das Junigrundgesetz“. Im dänischen Sprachgebrauch spricht man allgemein vom „Grundloven“ (Grundgesetz), wenn die heutige Verfassung gemeint ist, die nur unwesentlich verändert wurde. Es hatte ursprünglich 100 Paragraphen, heute sind es 89. Von diesen sind etwa 60 mit dem Junigrundgesetz von 1849 identisch. Sieben weitere Paragraphen sind seit der Änderung 1866 unverändert.
Die Verfassung von 1849 führte ein Zweikammerparlament ein, den Rigsdag (Reichstag), der aus dem Landsting als Oberhaus und dem Folketing als Unterhaus bestand. Die Verfassung schränkte die Macht des Königs nachhaltig ein und sicherte die grundlegenden Menschenrechte. Mit der letzten Änderung von 1953 wurde das Landsting abgeschafft und die weibliche Thronfolge erlaubt. Verfassungsänderungen sind in Dänemark grundsätzlich Gegenstand einer Volksabstimmung. Das dänische Grundgesetz gilt auch in Grønland und auf den Färøern, die zusätzlich über Autonomiestatute verfügen.
Der ursprüngliche Verfassungsentwurf von Anfang 1848 wurde angesichts der „Märzereignisse“ (Volksaufstand gegen die absolutistische Monarchie) nicht weiterverfolgt. Stattdessen verfasste der nationalliberal geprägte, junge Pfarrer und Kultusminister Ditlev Gothard Monrad (1811–1887)in einem dreiköpfigen Ausschuss ab Juni 1848 den ersten Verfassungsentwurf. Er nahm sich dabei eine Sammlung zeitgenössischer Verfassungen als Vorbild und skizzierte 80 Paragraphen, die in Aufbau und Grundidee dem heutigen dänischen Grundgesetz ähneln. Der Regierungsentwurf wurde später von Orla Lehmann sprachlich und juristisch überarbeitet.
Das Hauptprinzip „Die Regierungsform ist eingeschränkt monarchisch“ (§ 2) übernahm Monrad aus dem Grundgesetz Norwegens von 1814. Aber er fand auch sehr viel Inspiration in der Verfassung Belgiens von 1830, und für den Abschnitt über die Freiheitsrechte schaute er in die Verfassung der Vereinigten Staaten von 1787 mit deren Anhang über die Menschenrechte „Bill of Rights“.
Im Entwurf wurden die Rechte des konstitutionellen Königs festgelegt. Er sollte reellen Einfluss haben. Kein Gesetz sollte gültig sein, das er nicht unterschrieben hatte. Außerdem sollten die Minister vom König gewählt werden und nicht vom Parlament gestürzt werden können.
Es sollte ein Zweikammerparlament, den „Reichstag“ geben, bestehend aus dem „Landsting“ und „Folketing“. Für beides sollte es ein recht breites Wahlrecht geben. Allerdings sollte für das „Landsting“ eine höhere Altersgrenze im aktiven Wahlrecht gelten. Die Abgeordneten des „Landstings“ sollten keine Diäten kassieren, sondern ihre Kosten als Parlamentarier selber tragen.
Im Gegensatz zu den beratenden Ständen sollte der Reichstag gesetzgebende Macht haben und das Recht, Steuern zu bewilligen. Damit sollte das Parlament ein wirkungsvolles Machtinstrument gegenüber dem König und seiner Regierung werden.
Die Freiheitsrechte sollten sein: Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit, freilich unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung. Eine Reihe von Ständeprivilegien und -pflichten wurde aufgehoben. Gleichzeitig wurde die allgemeine Wehrpflicht eingeführt. Die privaten Gerichtsbezirke wurden abgeschafft.
In anderen Paragraphen wurden Gesetze versprochen, die beispielsweise eine Justizreform, die Organisation der dänischen Volkskirche und die Liberalisierung der Wirtschaft durch Gewerbefreiheit regeln sollten.
Der Entwurf wurde im Juli 1848 vom Staatsrat behandelt und angenommen.
Das Grundgesetz Dänemarks wurde 1866, 1915, 1920 und 1953 geändert:
- 1866 trug die Niederlage im Deutsch-Dänischen Krieg von 1864 dazu bei, dass die Wahlregeln für das Landsting verschärft wurden, was zu einer Lähmung der Gesetzgebungsarbeit und damit zu vielen provisorischen Gesetzen führte.
- 1915 wurden die Verschärfungen von 1866 wieder gelockert, und das Frauenwahlrecht wurde eingeführt. Gleichzeitig wurde eine Regelung eingeführt, nach der nicht nur eine einfache Mehrheit bei Volksabstimmungen für eine Grundgesetzänderung ausreicht, sondern 45 % sämtlicher Stimmberechtigten dafür gestimmt haben müssen, damit sie wirksam wird. Das führte dazu, dass Thorvald Stauning 1939 keine Grundgesetzänderung durchbringen konnte, obwohl 91,9 % dafür und 8,1 % dagegen stimmten. In absoluten Zahlen waren es 966.277 zu 19.581, und erstere machten nur 44,5 % der stimmberechtigten Bürger aus. Es fehlten nur 11.762 Ja-Stimmen.
- 1920 wurde das Grundgesetz nach der Angliederung Nordschleswigs geändert. 96,9 % stimmten dafür, 3,1 % dagegen. Damals gab es Ja-Stimmen von 47,6 % der stimmberechtigten Bevölkerung, was für eine Annahme der Änderung reichte.
- Auch die letzte Änderung von 1953 erzielte mit 45,8 % der stimmberechtigten Wähler das nötige Quorum. Eine weibliche Thronfolge wurde eingeführt (§ 2 der Verfassung) und das „Landsting“ abgeschafft (ergibt sich aus § 28). Die bereits beschriebene 45-Prozent-Regel wurde auf 40 % gelockert (§ 88 der Verfassung).
Angesichts des langen Zeitraums sind dies relativ wenige Grundgesetzänderungen, was daran liegt, dass die dänische Verfassung keine besonders detaillierten Regelungen umfasst, sondern alles durch weitere Gesetze regeln lässt, die natürlich immer wieder geändert werden und teilweise auch Gegenstand von Volksabstimmungen sind.
Bräuche am Tag der dänischen Verfassung
Obwohl er in Dänemark der offizielle Nationalfeiertag ist, ist er kein arbeitsfreier Tag wie in den meisten anderen Ländern. Jedoch sind am Grundlovsdag öffentliche Einrichtungen und Behörden sowie Geschäfte oft geschlossen oder haben kürzere Öffnungszeiten als an normalen Werktagen.
In früheren Zeiten wurden an diesem Tag Volksversammlungen abgehalten. Dieses ist heute regional unterschiedlich immer noch der Fall. So werden oft Treffen organisiert, die teilweise den Charakter eines Jahrmarkts haben.
Da der Vatertag auch auf den 5. Juni fällt, wird auch dieser am Grundlovsdag mit seinen Traditionen gefeiert. Zudem wird der Nationalfeiertag von praktisch allen größeren dänischen Parteien traditionell zu Versammlungen oder Parteitagen genutzt.
von
Günter Schwarz – 29.05.2017