Hart aber fair / Waschen, pflegen, trösten – wer kümmert sich um uns im Alter?
(Berlin) – Bei „Hart aber fair“ diskutierten das ein Heimbetreiber und ein Pfleger: „Wer kümmert sich um uns, wenn wir alt und gebrechlich sind?“ Die Pflege ist regelmäßig ein Aufregerthema. Vereinsamte, vernachlässigte Menschen, die regelmäßig übergangen und in ihrer Würde verletzt werden: Die Pflege hat in Deutschland einen schlechten Ruf. Als eine Ursache gilt die schlechte Bezahlung, die dazu führt, dass es zu wenig Personal gibt – und zu wenig Qualität.
Parallel dazu wird die deutsche Gesellschaft aber immer älter, das Problem somit größer. Was also tun? Diese Frage beschäftigt die Politik seit Jahren. Auf Debatten folgten Reformen, so richtig viel gebracht hat das bisher aber nicht. Am Montagabend versuchte sich auch „Hart aber fair“ an dem Thema: „Wer kümmert sich um uns, wenn wir alt sind?“, fragte Frank Plasberg seine Gäste.
Die Gäste
- Eckart von Hirschhausen, Dr. med., war für die ARD als Heim-Tester unterwegs. Sein Tipp: „Wer Angst vor dem Alter hat, übernachtet am besten einfach mal drei Tage im Altenheim.“ – Mal sehen, ob es nach der Sendung noch Bewerber gibt.
- Karl Lauterbach, Prof. Dr. med., für die SPD im Bundestag, meint, die Regierung hat schon viel getan. Sein Gesundheitstipp auch fürs Alter: Lieber Veggie-Boulette als Knackwurst.
- Anette Dowideit, Medizinjournalistin der „Welt/N24“, kontert: „Die Regierung braucht sich nicht zu feiern. Das System ist krank an allen Ecken und Enden. Im Pflegesystem versickert viel zu viel Geld.“
- Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste, will die Erregung dämpfen: „Die Altenpflege ist besser als ihr Ruf.“ Doch beim Bürger prägen sich mehr die Skandale ein.
- Ante Caljkusic, Altenpfleger und Pflege-Dozent: „Die Pfleger haben kaum Zeit für die Patienten. Aber wir haben es mit Menschen zu tun, nicht mit Produkten.“
- Susanne Hellermann, gründete einen Bund pflegender Angehöriger, stieg aus dem Job aus, um ihre demente Oma zu pflegen. Konsequenz: „Jetzt droht mir die Altersarmut.“
Ein Grund hierfür sind nicht zuletzt die Zustände in so manchen Pflegeheimen. Individualität oder Anpassungen an die Bewohner sind hier oft Fehlanzeige. Alles und jeder hat sich den Ritualen der Einrichtung zu unterwerfen. Warum das sein muss?
Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbands privater Anbieter sozialer Dienste und Heimbetreiber, erklärt es so: „Abläufe sind Teil des Systems. Man versucht im Rahmen des Möglichen auf Bedürfnisse einzugehen, aber die Rahmenbedingungen bringen uns an unsere Grenzen“. Mit Rahmenbedingungen sind die gesetzlichen Regelungen gemeint. Zum Beispiel, wie viel Personal eingesetzt werden darf. Was Meurer nicht erwähnt, sind hingegen die ökonomischen Grenzen: Mehr Betreuung kostet auch mehr und schmälert damit den Gewinn.
Für die Menschen in den Pflegeheimen hat das Folgen. Medizinjournalistin und WELT-Autorin Anette Dowideit beschreibt, was sie selbst bei ihren Recherchen erlebt hat. „Man fühlt sich in seiner Würde abgeschnitten, weil man nichts alleine machen kann. Ich kann schon verstehen, dass Menschen sagen ,Ich möchte das nicht!‘“
Für SPD-Politiker und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach gilt es deshalb, zu vermeiden, dass Menschen überhaupt ins Pflegeheim müssen. „80 Prozent der Menschen in Pflegeheimen sind an Demenz oder einer Vorstufe erkrankt.“ Das A und O, so Lauterbach, sei deshalb das Vermeiden von Demenz. Besonders in Deutschland werde hier noch nicht genug getan.
Nur warum fürchten sich viele vor dem Pflegeheim? Die Antwort liegt vor allem an den Zuständen. Immer wieder gibt es Berichte von schlampigen Pflegern und gefühlsloser Betreuung wie am Fließband.
Doch sind wirklich die Pfleger schuld an der Misere? Ante Caljkusic, Dozent für Auszubildende in der Pflege, sieht die Schuld im System. „Ich ziehe vor jedem Mensch den Hut, der sich alten Menschen widmet“, so der gelernte Altenpfleger. „Sie sind einem System ausgeliefert, dass die Gewalt und würdelose Behandlung provoziert.“ Auch Dowideit unterstützt diese Aussage. Die Pfleger seien überfordert und die Überforderung führe zu Gewalt und schlechter Arbeit.
Auf die Frage, welche Antwort die Politik hiergegen hat, verteidigt Lauterbach sich mit der Aussage, dass man das Budget für die Pflege bereits um ein Viertel erhöht habe. Zudem sei die Anstellung von 25.000 Pflegeassistenten veranlasst worden.
Doch Dowideit und Caljkusic halten dagegen und argumentieren, dass die Pflegeassistenten – eigentlich gedacht um sich mit den Pflegebedürftigen zu beschäftigen – oft trotzdem Pflegeaufgaben übernähmen, obwohl dies illegal sei. Auch am Fachkräftemangel hätten die Maßnahmen der Politik bislang wenig geändert.
von
Günter Schwarz – 13.06.2017