Auch wenn das Wetter im Moment kein Motiv für eine Sommerpostkarte bietet, steht der Sommer und damit auch die Ferienzeit vor der Tür. Wer nun keine Sonnencreme in den Koffer packen muss, hätte Platz für ein weiteres Buch. Viele Menschen nutzen die Ferien, um mal wieder ein gutes Buch zu lesen. Sonne braucht es dazu nicht. Auch der Platz auf dem Sofa, eingewickelt in eine Kuscheldecke, ist bei Regenwetter ein idealer Platz für spannende Lektüre.

Auch ich habe für die kommenden Monate genug zum Lesen. Dazu sei verraten, dass ich aus einer Zeit stamme, in der grundsätzlich mehr gelesen wurde. Während meine Tochter heute viele mehr oder weniger interessante Themen im Vorabendprogramm bei Galileo schaut, habe ich seinerzeit auf dem Bett gelegen und kistenweise Ausgaben von „Reader’s Digest“ gelesen. Hinzu kamen spannende Geschichten von Astrid Lindgren, Erich Kästner und später Schriftstellern wie Günter Grass, Joyce Fielding oder auch Stephen King. Heute, fast 35 Jahre und unzählige Bücher später, neige ich eher zu „Klassikern“ der Literatur als zu Bestsellern aus dem obligatorischen Bücherregal in Supermärkten.

Eine gute Freundin gab mir nun vor ein paar Tagen den ersten Band der Romanreihe „Der Schwarze Thron“ von Kendare Blake. Endlich gäbe es den New-York Bestseller nun auch in der deutschen Übersetzung, schwärmte meine Freundin und versprach aufregende Lesestunden.

Gespannt begann ich mit der Lektüre und war … enttäuscht. Sicher zeichnet die Schriftstellerin ein interessantes Szenario für eine Geschichte. Gleichzeitig vermisse ich in dem Buch Stil und Technik, die Literatur „erlebenswert“ macht. Die Sätze sind eher kurz und einfach. Ich weiß nicht, wie oft ich auf den ersten Seiten das Wort „Giftmischerin“ gelesen habe. Kurz: die Worte vermögen es nicht, Bilder vor meinem geistigen Auge zu malen. Ich vergleiche dabei z. B. Bücher von Tolkien, bei deren Lektüre ich fast den Eindruck hatte, frische Waldluft zu atmen oder prasselnden Regen zu hören.

Mir ist das schon öfter aufgefallen, dass moderne Schriftsteller sich weitaus einfacher ausdrücken als die „alten Meister“. Nun schreiben moderne Bestsellerautoren auch für eine andere Klientel als Männer wie Günter Grass oder Dostojewski. Während man bei Klassikern oft eine spannende Geschichte lesen konnte, in die nicht selten noch eine verborgene Moral eingewickelt war, so kommen moderne Romane oft mit einer klaren Story, die eine Botschaft transportiert, die sich in kurzen Sätzen mit einfachen Vokabeln erzählen lässt. So ist man sicher, dass auch all die Leute diese Geschichte verstehen, die eher selten Bücher lesen – die also eher ungeübt an so ein Buch ohne Bilder herangehen.

Ich bedaure diese Entwicklung. Ist das die Zukunft der Literatur? Einfache flache Bälle, die kaum noch eine Herausforderung an den Leser stellen? Vermutlich schon, denn neben Blake sind mir schon andere sogenannte Bestsellerautoren aufgefallen, deren Sprache mich eher an einen Deutschaufsatz erinnern als an einen bemerkenswerten Beitrag zur Literatur.

Alte Klassiker mögen schwerer zu lesen sein und vielleicht etwas verworren erscheinen. Nicht jeder Leser wird auf die „Moral“ und „Symbolik“ kommen, die z. B. Gogol in seinem Buch „Tote Seelen“ versteckt hat. Trotzdem aber gelingt es Gogol mit Sprache Bilder zu malen, die den Leser in die Geschichte einbinden. Eine Fähigkeit, die modernen Autoren selten gelingt und die den Leser um das (Mit)Erleben der Geschichte bringt.

Trotzdem werde ich „Der Schwarze Thron“ natürlich zu Ende lesen – allein schon weil die Begeisterung meiner Freundin mich etwas angesteckt hat.

Ob nun die Sonne scheint oder es aus Eimern schüttet. Wir wünschen einen spannenden Lesesommer.

Michael – 1. Juli 2017