(Hamburg) – Am Freitag wird es in Hamburg endgültig turbulent: Spätestens dann werden die namhaftesten Lenker der internationalen Finanz- und Wirtschaftspolitik in der Stadt eingetroffen sein. Vertreten sind beim G-20-Gipfel alle, die Rang und Namen haben: darunter die deutsche Kanzlerin Angela Merkel als Gastgeberin, der chinesische Präsident Xi Jinping – aber auch der russische Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Donald Trump, die beiden werden erstmals aufeinandertreffen. Die vier stehen sinnbildlich für das, was Hamburg und den Gipfel erwartet.

„20 Staaten zusammenzubringen in all ihren Entwicklungen und ihren Vorstellungen ist nicht ganz einfach“, gestand Merkel am Mittwoch bei einem Treffen mit Xi anlässlich seines Staatsbesuchs ein. Die deutsche Kanzlerin übte sich aber in Zuversicht, wonach man „manche Klippe noch überwinden“ könne. Doch wisse man noch nicht, „wie das endgültige Resultat aussehen wird“, schränkte Merkel wiederum ein.

Merkel: Meinungsunterschiede nicht zudecken

Tatsächlich droht der Gipfel zu einer Zäsur für die weltweit wichtigste wirtschaftspolitische Schaltzentrale zu werden. In Kernthemen droht Uneinigkeit – stand in früheren Zeiten oft schon Wochen zuvor das Grundgerüst für das Abschlusskommunique, das die gemeinsame Positionen der führenden Industrie- und Schwellenländer festhält, so heißt es dieses Mal in zentralen Themenfeldern: alles noch unklar.

Dass der Gipfel kaum ein starkes Signal der Gemeinsamkeit aussenden wird – was einmal die Qualität der G-20-Treffen ausmachte -, weiß auch Merkel, auch wenn sie eindringlich zu Einigkeit mahnte. Gleichzeitig kritisierte sie in einem „Zeit“-Interview, dass etwa die US-Regierung bei der Globalisierung einen grundsätzlich anderen Ansatz habe als sie selbst. Sie wolle aber Meinungsunterschiede, wie sie etwa mit US-Präsident Donald Trump bestehen, nicht zudecken, sondern offen austragen.

Der schwierigste Gast?

Trump, auch er reist nach Hamburg, sehen viele als Hauptverantwortlichen für die neuen Schwierigkeiten. Das betrifft gleich mehrere Themen, großes Streitpotenzial gibt es beim Thema Welthandel. Nicht nur Trump beklagt unfaire Handelspraktiken und denkt an Importhürden für alle, die angeblich eine Bedrohung für die US-Wirtschaft darstellen. Auch in anderen G-20-Ländern wächst der Hang zum Protektionismus, darunter etwa China, Russland und Indien.

Und in Bezug auf Klimapolitik sind Merkels Befürchtungen wohl berechtigt: Nachdem die Länder weltweit jahrelang darum rangen, sich mit dem Pariser Abkommen gemeinsame Ziele zu setzen, hat Trump inzwischen wieder den Rückzug eingeleitet. Er hält die Klimaerwärmung für kein existentielles Problem, lehnt eine Klimaschutzpolitik als Behinderung von US-Unternehmen ab und setzt auf fossile Energien, wie das durch Fracking gewonnene Öl und Gas aus den USA.

Gipfeltreffen auf Gipfel

Doch wird Trump noch aufgrund eines weiteren Umstands im Fokus stehen, schließlich wird es zum ersten direkten Treffen mit Russlands Präsident Wladimir Putin kommen. Dieser sprach sich kurz vor dem Gipfel in einem Gastbeitrag für das deutsche „Handelsblatt“ gegen jede Form von Protektionismus aus.

„Ich bin der Überzeugung, dass nur offene, auf einheitlichen Normen und Standards basierende Handelsverbindungen das Wachstum der globalen Wirtschaft stimulieren und eine fortschreitende Entwicklung zwischenstaatlicher Beziehungen fördern können“, so Putin. Die westlichen Sanktionen gegen sein Land kritisierte Putin als verdeckten Protektionismus. Zugleich bekannte er sich zum Pariser Klimaschutzabkommen. Russland gehöre zu den führenden Mitstreitern im internationalen Klimaprozess.

Viele Themen für das Treffen also, bei denen auch Trump und Putin nicht auf einer Linie sind. Laut Angaben des Präsidialamts in Moskau soll die Zusammenkunft der beiden Präsidenten aber ohnehin nur kurz ausfallen. Putin werde daher nicht seine Analyse der Ukraine-Krise ausführlich vorlegen können, hieß es. Es solle geprüft werden, ob Russland und die USA gemeinsam gegen Terrorismus in Syrien vorgehen können.

Apropos Ukraine: Auch darüber soll beraten werden, beteiligt sein soll neben Merkel und Putin auch deren französischer Kollege Emmanuel Macron. Und auch zu einem weiteren diplomatischen Konfliktherd des laufenden Jahres wird es am Rande des Gipfels Treffen geben, wenn Merkel den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan empfängt. Thema wird bestimmt auch das Auftrittsverbot für Erdoğan in Deutschland. Dessen Vorabbotschaft in Richtung Merkel hatte es in sich: „Deutschland begeht Selbstmord.“

Kampf gegen Fluchtursachen

Deutschland wünscht sich zudem, dass auf dem Gipfel die Bereitschaft signalisiert wird, Fluchtursachen gemeinsam zu bekämpfen. Dazu gehört der Plan für eine engere Partnerschaft mit Afrika, um etwa Investitionen und wirtschaftliche Entwicklung auf dem Kontinent zu fördern. Nicht allen G-20-Staaten ist Afrika jedoch so nah wie den Europäern. Deutschland würde in der Abschlusserklärung des Gipfels zudem gerne eine Formulierung sehen, die Migration auch als Chance beschreibt.

„Willkommen in der Hölle“

Wie alle derartigen Treffen ist auch der G-20-Gipfel wegen seiner Kosten deren Schätzungen sich zwischen 130 und 400 Millionen Euro bewegen, der massiven Sicherheitsvorkehrungen und erwarteten Beschlüsse umstritten. In Hamburg werden knapp 20.000 Polizisten wohl Zehntausenden teils gewaltbereiten Demonstranten aus der linken Szene gegenüberstehen. Ausschreitungen werden befürchtet, eine Demonstration gegen die Politik der G-20 hat das Motto „Welcome to Hell“ („Willkommen in der Hölle“). Für den heutigen Donnerstagnachmittag haben die ersten militanten Gruppen bereits zu einer Demonstration aufgerufen, die gewalttätige Auseinandersetzungen mit den Sicherheitskräften erwarten lassen.

von

Günter Schwarz – 06.07.2017