Der deutschstämmige ehemalige US-Außenminister von 1973 bis 1977, Henry Kissinger, warnt vor den Folgen einer Niederlage des so genannten Islamischen Staates (IS). Denn der Iran könnte das dadurch entstehende Machtvakuum ausfüllen. Dies dürfe der US-Präsident nicht zulassen, mahnt Kissinger.

Vor den möglichen Folgen einer Niederlage des „Islamischen Staates“ (IS) warnt Henry Kissinger. Der ehemalige US-Außenminister befürchtet, der Iran könnte das Machtvakuum ausfüllen, das der IS hinterlässt. Dies dürfe US-Präsident Donald Trump nicht zulassen, schreibt das Urgestein der US-Außenpolitik in einem Beitrag für die Webseite CapX, die vom Londoner Centre for Policy Studies betrieben wird.

Der IS befindet sich sowohl im Irak als auch in Syrien auf dem Rückzug. Regierungskräfte haben inzwischen weite Gebietsteile seines proklamierten Kalifats eingenommen. In beiden Ländern beteiligen sich jedoch auch vom Iran unterstützte Milizen am Kampf gegen die Dschihadisten. Von zeitnahen Rückzugsabsichten der betreffenden Milizen ist wenig zu bemerken. Kissinger warnt daher vor der Entstehung eines „radikalen iranischen Imperiums“ im Nahen Osten.

„Unter diesen Umständen gilt die traditionelle Redewendung, laut der der Feind meines Feindes mein Freund ist, nicht mehr. In der gegenwärtigen Lage im Nahen Osten kann der Feind deines Feindes auch dein Feind sein“, sagt er.

Der Kampf der internationalen Gemeinschaft gegen den Islamischen Staat verdeutliche das. Der 94-jährige schreibt: „Alle – einschließlich des schiitischen Irans und der führenden sunnitischen Staaten – sind sich darin einig, dass der IS zerstört werden muss. Aber welche Kraft wird deren Territorium übernehmen? Eine Koalition aus Sunniten? Oder Kräfte aus dem Einflussbereich Irans?“

Kissinger nimmt Russland in die Pflicht

Darauf eine Antwort zu geben sei schwer, da Russland und die NATO-Staaten gegnerische Lager unterstützen. „Wenn das IS-Gebiet von den iranischen Revolutionsgarden oder schiitischen Kräften erobert wird, die vom Iran ausgebildet und gelenkt werden, dann könnte das in einem territorialen Gürtel resultieren, der von Teheran nach Beirut reicht. Eine solche Entwicklung würde das Entstehen eines radikalen iranischen Imperiums markieren“, so der ehemalige Top-Diplomat.

Ob es dazu kommen wird, hänge vor allem von Russland ab: „Will Moskau bei der Niederschlagung des IS und der Vorbeugung ähnlich gearteter Kräfte behilflich sein? Oder strebt es, getrieben von einer Nostalgie historischer Größe, nach strategischer Dominanz? Im ersten Fall könnte eine Politik der Zusammenarbeit zwischen Russland und dem Westen konstruktiv sein. Im zweiten Fall wäre ein Wiederaufkommen von Mustern aus dem Kalten Krieg wahrscheinlich. Russlands Umgang mit den vom IS eroberten Gebieten wird hierfür von entscheidender Bedeutung sein.“

https://www.youtube.com/watch?v=a4bCJpBuxOI

von

Günter Schwarz – 12.08.2017