Ruth Berlau, die dänische Schauspielerin, Regisseurin, Fotografin und Schriftstellerin, wird am 24. August 1906 in København geboren. war. Einen hohen Bekanntheitsgrad erhält sie durch ihre Zusammenarbeit mit Bertolt Brecht bei verschiedenen Theaterstücken und Aufführungen.

Ruth Berlau wurde am 24. August 1906 in dem vornehmen Villenvorort Charlottenlund im Norden Københavns als zweite Tochter der Familie geboren. Ihr Vater Wilhelm Berlau, ein in Flensburg geborener Deutscher, war Konservenfabrikant und Teppichgroßhändler, außerdem besaß er ein Hotel. Die Mutter Blanca Berlau, geborene Dehlsen, war eine gebildete Frau, sprach sehr gut Französisch und Deutsch und interessierte sich für die Weltliteratur. Sie betrieb zeitweilig ein französisches Puppengeschäft. Die Familie war sehr reich und die Eltern ambitioniert, den beiden Töchtern eine gute Bildung zu ermöglichen.

Die ältere Schwester Edith studierte Jura. Ruth besuchte eine von Ordensschwestern geführte katholische Schule mit der Absicht, Französisch zu lernen. Sie hatte Spaß am Lernen und war keine schlechte Schülerin, trotzdem verließ sie mit 13 Jahren die Schule. Nach spontaner Verlobung mit Folgen entschloss sich die minderjährige Ruth gegen die ungewollte Schwangerschaft. Die unglückliche Ehe beendete die Mutter mit einem Selbstmordversuch, der von den beiden Töchtern rechtzeitig entdeckt wurde. Sie retteten ihr das Leben. Danach brach Ruth jeden Kontakt zum Vater ab. Die finanzielle Unterstützung der Familie übernahm jetzt sie mit verschiedenen Gelegenheitsjobs wie Kaffeeverkauf auf dem Fahrrad bis hin zur Zahnarzthelferin.

Ruth Berlau heiratete 1926 den 20 Jahre älteren Professor Robert Lund, einen Arzt und Wissenschaftler. Er brachte vier Kinder aus erster Ehe mit. Diese Ehe dauerte zehn Jahre. Robert Lund unterstützte Berlaus Wunsch, Schauspielerin zu werden, aber auch, dass seine Frau die Veranstaltungen der Universität besuchte. Sie nahm als Elevin am Königlichen Theater in København zwei Jahre Unterricht in Schauspielkunst, geleitet von dem Regisseur Per Knutzon. Ihr Interesse galt insbesondere den Fächern Sprechunterricht und Theatergeschichte bei Professor Torben Krogh. Nach dem ersten Studienjahr folgten Rollen in verschiedenen Theaterstücken wie als Puck in „Ein Sommernachtstraum“, als Christine in Strindbergs Stück „Ein Traumspiel“ und die Johanna in Bertolt Brechts „Die heilige Johanna der Schlachthöfe“. Eine ihrer besten Rollen war die der „Anna“ in Brechts „Trommeln in der Nacht“, inszeniert von Per Knutzon.

Die Schriftstellerin Hella Wuolijoki wollte nach der Generalprobe ihres Stückes „Die Frauen von Niskavuori“ die junge Debütantin Ruth Berlau, die so eindrucksvoll die „Martha“ darstellte, kennenlernen. Bis zum Tod von Hella Wulijoki 1954 blieben sie in Freundschaft verbunden.

1929 fuhr Ruth Berlau mit dem Fahrrad nach Paris. Die Zeitung „Extrabladet“ – eine Nachmittagsausgabe von „Politiken“ (einem Boulevardblatt) – war an spannenden Auslandsberichten für ihre Leser interessiert und finanzierte die Reise. Für den Preis von 25 Öre pro Zeile beschrieb sie die langweilige Reise so, wie sie sie „erlebt haben wollte“. Ein Journalist, der ihr unterwegs begegnet war, telegrafierte ihre Geschichte und ihr Bild an die Zeitung.

In Paris angekommen, hatte die dortige Presse sie am selben Tag unter dem Titel „Ein dänisches Mädchen kommt allein auf dem Fahrrad von København nach Paris, um sich einen Lippenstift zu kaufen“ bereits angekündigt. Die junge Journalistin ohne Erfahrungen wurde mit großen Ehren empfangen und über Nacht von Paris bis København bekannt. Ermutigt vom großen Erfolg und wieder für „Politiken“, fuhr Berlau 1930 auf dem Fahrrad diesmal nach Moskau.

In ihren Berichten schrieb sie auch über das große internationale Theatertreffen, das zur gleichen Zeit in Moskau stattfand. Das interessierte die Leser nicht und der Chefredakteur forderte sie zur sofortigen Rückkehr auf. Berlau beugte sich der Aufforderung nicht und blieb weitere drei Monate in Moskau. In Dänemark angekommen, trat sie in die Kommunistische Partei Dänemarks ein und erlangte das „rote Buch“. Zielstrebig widmete sich Ruth Berlau von nun dem Theater. Sie gründete das erste Arbeitertheater Dänemarks, das sich Revolutionäres Theater (RT) nannte, schrieb und übersetzte Stücke und führte selbst die Regie.

Für ihre Theaterarbeit suchte und stellte sie schnell Kontakte zu links orientierten dänischen Dichtern, Dramatikern und Schriftstellern her. Von großer Bedeutung und tiefer Freundschaft waren insbesondere ihre Beziehungen zu Otto Gelsted, dessen Schüler Hans Kirk und zu M. Andersen-Nexö geprägt. Mit der Widmung „Til Ruth“ in einem seiner Bücher verewigte Otto Gelsted die Freundschaft zu Ruth Berlau.

Im Oktober 1948 nahm Ruth Berlau ihren Kontakt mit Brecht und Weigel im Hotel Adlon im Ostteil Berlins erneut auf und sie arbeiteteten fortan lange Jahre zusammen. Sie begannen von dort aus mit den Verhandlungen über die Gründung eines eigenen Theaters, das heute als Berliner Ensemble bekannt ist. Erst 1954 konnte Brecht sein „Schiff“ übernehmen und eröffnet es – merkwürdigerweise (R.B.)- nicht mit einem eigenen Stück, sondern mit Molière Don Juan in der Regie von Benno Besson. Der Intendant Wolfgang Langhoff akzeptierte sofort den Vorschlag Brechts, selbst im Deutschen Theater „Mutter Courage und ihre Kinder“ zu inszenieren.

Am 11. Januar 1949 fand die Premiere von „Mutter Courage und ihre Kinder“ im Deutschen Theater Berlin statt und wird als „das bedeutsamste Theaterereignis seit 1945“ und „ein eindeutiges politisches Bekenntnis“ gelobt. Brecht ließ von Ruth Berlau in mehreren hundert Fotos die Berliner Aufführung dokumentieren und von seinem Regieassistenten Heinz Kuckhahn zahlreiche Regienotate zu einem Konvolut der Regieanmerkungen zu Bertolt Brechts Chronik aus dem Dreißigjährigen Krieg „Mutter Courage und ihre Kinder“ zusammenstellen. Diese Dokumentation sieht Brecht als eine Regiepartitur an, eine Grundlage für das spätere Modellbuch des Stückes.

Anfang März 1949 reisten Berlau und Brecht erneut nach Zürich, um sich um Mitarbeiter für das Berliner Theaterprojekt für den Zeitraum 1. November 49 bis 1. Februar 50 zu bemühen. Brechts Tochter Barbara ist mitgereist. Von Brecht, der zu jener Zeit am Stück über die Pariser Commune arbeitet – dem geplanten Titel „Die Tage der Kommune“ – wird Berlau miteinbezogen. Sie erinnerte sich: „Meine Arbeit bestand weniger darin, die Geschichte der Kommunarden zu studieren – die kannte Brecht natürlich –, sondern mit ihm herauszufinden, welche Konsequenzen aus der Niederlage der Kommunarden gezogen werden müssen.“ Auf einem Ausflug nach Basel zum „Fastnachtstrommeln“ mit Brecht und Tochter Barbara, fotografierte Berlau die Masken und erstellte von Begegnungen mit den Freunden Max Frisch, Fritz Kortner und Caspar Neher zahlreiche Serienaufnahmen.

Zurück in Deutschland traf R.B. am 30. Juni 1949 in Wuppertal ein und prüfte die Bedingungen für die Aufführung von „Mutter Courage und ihre Kinder“ an die Städtischen Bühnen. Brecht, der Bedenken gegen die Aufführung ohne fachgemäße Anleitung in Wuppertal hatte, empfiehlt: „Frau Ruth Berlau, meine langjährige Mitarbeiterin und ausgezeichnete Regisseurin, zu gestatten, das Grundarrangement mit den Schauspielern vornehmen zu lassen.“ Als Herausgeberin des Modellbuchs der Berliner Aufführung (11. Jan. 49) stellte Berlau mit Bildmaterial und Regieanweisungen die Bedingungen für die Aufführung von „Mutter Courage und ihre Kinder“ zusammen. Später wurde dieses Material in Buchform beim Suhrkamp-Verlag herausgegeben und zur Nutzung an interessierten Theatern leihweise übergeben.

Das Wuppertaler Stadttheater war gegen die Brechts Modellinszenierung von „Mutter Courage und ihre Kinder“ und zeigte öffentlichen Widerstand gegen die Regisseurin Ruth Berlau. „Man treibt in diesem Falle die künstlerische Selbstvernichtung so weit, dass man seine eigene Inszenierung überwachen lässt, und zwar durch die Delegierte Bert Brechts, Ruth Berlau.“ Ruth Berlau fuhr nach München und berichtete dort Brecht über die wachsenden Widerstände gegen das Theatermodell. Auf die gemeinsame Rückfahrt nach Berlin am 3.9.49 machte Ruth Berlau zahlreichen Fotos von Freunden und von Brechts Geburtsstadt Augsburg, die er als „etwas zertrümmert, fremd, lässt mich ziemlich kalt.“ empfand.

Kurz darauf fuhr Berlau nach Leipzig und nahm als Regisseurin der Inszenierung der „Mutter Courage und ihre Kinder“ teil. Sie fotografierte ihre Inszenierung und stellte ein Proben-Modellbuch her. Im Programmheft zur Premiere von „Die Mutter“ am 15. Januar 1950 im Kammerspiele Leipzig, wurde unter anderem auch der Aufsatz von Ruth Berlau „Die Einzigartigkeit der Position Brechts“ veröffentlicht. Während dieser Zeit zeichneten sich bei Berlau gesundheitliche Probleme und Erschöpfungszustände ab. Seit ihrer Rückkehr in Europa (22.01.1948 Zürich) verfügt Sie über kein festes Einkommen. Sie geriet zunehmend in finanzieller Notsituation, die zu ihrer psychischen Belastung erheblich beitrug. In einem Brief an Helene Weigel rechnete R.B. ihr vor, was sie vor einem Jahr in der Schweiz für Barbara ausgegeben hat. In der Zeit steckten Brecht und sie mitten in der Bearbeitung von „Die Tage der Commune“, zudem musste sie die mit den offenbar schwierigeren Eigenschaften einer Teenagerin behaftete Barbara rundum versorgen. Brecht, die Freunde Mertens und Korthner sahen sich nicht im Stande ihr zu helfen, noch wollten sie sich mit Barbaras Faulheit und Probleme auseinandersetzen. So blieb diese Belastung an Berlau hängen. In dem Brief resümierte sie darüber: „Ich habe große Schwäche: Freunde lässt man nicht im Stich.“ In der ganzen Emigration habe sie mit Helene Weigel Mitleid gehabt, jetzt habe sie keines mehr. „Du spielst (obwohl nicht episch, sondern dramatisch) die Hauptrolle im Courage, Du leitest Brechts Theater, Du hast ein Haus, ein Auto, so Mitleid wäre nicht am Platze.“ Und forderte von Helene die sofortige Rückzahlung der Ausgaben in der Schweiz von 347 Franken und von 300 Ost Mark für die Sachen, die sie ihr nach Weißensee gebracht hatte. Sie braucht das Geld dringend, da ihr Konto überzogen ist und für die zum Leben notwendigen Ausgaben. Offensichtlich in Antwort auf Berlaus Forderungen an die Weigel bittet Brecht sie, „alles zu vergessen“ was sie „Böses“ gesagt habe. „Du hast zu viel gearbeitet, daran bin ich schuld.“

Ende Februar 1950 wurde Ruth Berlau in der Nervenklinik der Berliner Charité eingeliefert. An Brecht schrieb sie, da er immer von sich sage, er sei der selbstständigste Dichter Deutschlands, soll er mal darüber nachdenken, ob sie in dieser (Krankenhaus)Atmosphäre frisch werden kann. Für sie sei wichtig, die Klinik so schnell wie möglich zu verlassen und bat ihn zu helfen, „wenn nicht aus Liebe, so aus Kameradschaft.“ In dem gleichen Brief forderte sie Brecht kategorisch auf, ihr einen offiziellen Vertrag mit dem Berliner Ensemble zu verschaffen. Sie hat „wie eine Irre die Foto-Modellbücher geklebt“, die alle an andere Theater verschickt wurden. Brecht solle der Weigel mit seinem Weggang drohen, wenn sie ihr keine ruhigen Arbeitsbedingungen verschafft und keinen Vertrag als Archivleiterin am Ensemble gibt. „Was ist denn los mit Dir – alles kann ich nicht entschuldigen damit, dass Du ein Genie bist – alles nicht. …Was Weigel kann, kann ich auch.“ Dabei ging es Brecht und Weigel mit der Gründung ihres eigens Theaters in Ostberlin sehr gut, sie hatten ein solides und sicheres Einkommen. Ihre „Geldprobleme und Schulden“ während der Emigration waren offensichtlich schnell vergessen – wollte man sich überhaupt erst daran erinnern?

Auf Berlaus Bitten und Forderungen entschuldigte sich Brecht zunächst über sein Verhalten und er hatte angefangen „ein paar Punkte aufzuschreiben, wie wir es machen könnten, auf einer neuen Basis.“ Tabellarisch stellte Brecht Berlaus positive den negativen Verhaltensweisen bzw. Leistungen gegenüber. Die positiven wurden zur Stärkung ihres Selbstbewusstseins hervorgehoben u. a.: „entscheidend geholfen, die Idee von Modellaufführungen durchzusetzen“, „herausgegeben ein entscheidendes Buch ,Antigonemodell’“, „selber beste Modellaufführung in Ostzone inszeniert (Mutter),“ und zum Schluss: „Was zu tun ist: Schnelle Überwindung der Erschöpfungsphase. Bis dahin Vorsicht bei öffentlichem Auftreten und im Verkehr mit Personen, die im öffentlichen Leben stehen, d.h. Selbstzensur.“ B. rät auch: „Geldprobleme Brecht überlassen.“ Dass er damit den Anfang einer symbiotischen Beziehung zu Ruth Berlau auf finanzieller Basis statuierte, musste Brecht bewusst gewesen sein, denn die gleichen folgenschweren Zerwürfnissen wegen nicht bezahlte Honorare an sie, sollten sich später mehrfach wiederholen. Brecht selbst wusste zu gut die Macht des Geldes zu schätzen, hatte er nur zwei Jahre zuvor an dem Verleger Desch geschrieben, dass er „noch einige Zeit, vielleicht für ein Jahr“, eine finanzielle Basis für Zürich brauche, sonst riskiere er „sehr viel angesichts der Zerteilung Deutschlands. Ich lebe hier keineswegs fürstlich, aber die Schweiz ist sehr teuer. So bedeutet jetzt Geld für mich wirklich Unabhängigkeit in ganz besonderem Sinne.“ In einem weiteren Brief an Berlau. in der Charité, ohne Anrede und Unterschrift, versachlichte Brecht ihre Beziehung: statt des Persönlichen und des Privaten sollte die dritte Sache, der Sozialismus, die Grundlage ihrer Beziehung werden und wichtig sei, „was wir für den Sozialismus auf diese Stufe und in diesen Jahren tun können, konkret.“ Zum Schluss fasste er zusammen: „Keiner schuldet keinem etwas, jeder schuldet alles der dritten Sache.“ Ausgenommen – Dank sei der Kollektivarbeit – die eigenen Tantiemen. In einem anderen Brief wird Brecht noch deutlicher auf Berlaus Forderung: „Du wirst nicht von Tantiemen leben“, er gehe schließlich jeden Tag arbeiten und lebe auch nicht von Tantiemen.

Es existieren zwei befristete Arbeitsverträge zwischen der staatlichen Kommission für Kunstangelegenheiten. Diese wurden vertreten durch das Berliner Ensamble am Schiffbauerdamm, Intendant Helene Weigel, und Ruth Berlau, in der Aufgabe als Leiterin des literarischen und fotografischen Archivs vom Berliner Ensemble, für den Zeitraum vom 1. September 1953 bis 31. August 1954 bzw. vom 1. September 1954 bis 31. August 1955. In der Zeit davor und danach pendelte Berlau in Brechts Angelegenheiten und in seinem Auftrag zwischen Zürich, Leipzig, München, Rotterdam, København und Stockholm.
Ende März 1950, nach ihrer Entlassung aus der Klinik, reiste Ruth Berlau zur Erholung nach Holland.

Im Mai 1950 fragte Hella Wuolijoki Brecht, ob er im Sommer in Helsinki zwei seiner Stücke (vermutlich „Die Mutter“ und „Puntila“) inszenieren kann. Brecht sagt mit Bedauern ab und benennt die Gründe: „Du weißt, es liegt das ganze Berliner Ensemble mit seinen 60 Leuten auf Hellis und meinen Schultern“. Er schlug statt seiner die Regisseurin Ruth Berlau vor, die die beide Stücke bereits inszenierte und die Modellbücher für die Regie anfertigt hatte. Am 4. September 1950 begannen in den Kammerspielen in München die Proben zu „Mutter Courage und ihre Kinder“ mit Therese Giehse in der Hauptrolle. Als Assistenten für die Regie wurden neben Ruth Berlau auch der junge Regisseur Egon Monk und Eric Bentley eingestellt.

Egon Monk erinnerte sich später über die Zusammenarbeit und über die Atmosphäre: „Irgendwo“ steht in Brechts Anmerkungen zur Berliner Aufführung, „mit irgendetwas muss man doch auf jeden Fall anfangen; warum sollte es nicht etwas schon einmal Durchdachtes sein?“ „Das schon einmal Durchdachte war transportabel. Ruth Berlau hatte die zwei dicke Bände mit den beschrifteten Fotos von der Berliner Aufführung in Brechts Steyr nach München mitgenommen. Sie erhielten, da sie (R.B.) die Vorstellung mehrfach durchfotografiert hatte, auf einen Blick das gesamte Arrangement.“ Monk erlebte in München den „Bayrischen Brecht“, den privaten und persönlichen, der auch den Mann Brecht erkennen ließ. „.. Würde mich nicht noch heute eine eingewurzelte Hemmung daran hindern, bestimmte Worte im Zusammenhang mit Brecht zu benutzen, so würde ich sagen, das Zusammensein mit Bertolt Brecht und Ruth Berlau in München war harmonisch.“ Auch Ruth Berlau stellte Veränderungen in Brechts Umgang mit seinen neuen Mitarbeitern in Berlin gegenüber den früheren, die ihm im Exil zur Verfügung standen und kritisierte ihn: „Du bist nicht mehr der weise Lehrer, der Du warst. Du bist grob zu den Leuten und hast gegen den und den Antipathien ohne Grund.“ Brecht rechtfertigte sich mit seiner neuen Position in einer neuen politischen Gesellschaft in Ost Berlin, „Ich habe keine Schüler, ich habe Angestellte.“

Ende November 1950 traf Berlau in Rotterdam ein und begann mit den Proben zu „Mutter Courage und ihre Kinder“ am Theater Toneel. Berlaus Bericht über ihre Regieerfahrungen mit dem „Modell“ im Ausland, nahm Brecht in die Theaterarbeit auf.

Ruth Berlau ist mit ihrer Aufgabe als Archivleiterin am Berliner Ensemble zunehmend unzufrieden. „Es war eine Sisyphusarbeit“, schrieb sie. Weder ihre Arbeit in ihrer Bedeutung wurde erkannt noch anerkannt. Sie fotografierte jede Inszenierung während der Proben und auch noch in vielen Vorstellungen nach der Premiere. Sie hatte die Filme nicht gezählt, denn es waren einige tausend Aufnahmen. „Ich will aber nicht mehr fotografieren. Ich wollte es ja nur, um Brecht zu helfen, um seine Stücke festzuhalten. In Berlin gibt es nun wirklich gute Fotografen genug, und jetzt kann er sie bezahlen. In Amerika war ich eine billige Arbeitskraft, und ich habe mich abgerackert. Ich will schreiben und Regie führen. Das ist mein Fach, mein Beruf.“ Brechts Meinung über ihre berufliche Forderung und ihren Wünschen, verarbeitete er literarisch in „Lai-Tus Produktion“ in den „Buch der Wendungen“. „Der Dichter Kin-jeh sagte: es ist schwer zu sagen, was ,Lai-Tu‘ produzierte. Vielleicht sind es die 22 Zeilen, die ich in mein Stück über die Landschaft einfügte, die ohne sie nie geschrieben worden wären.. Natürlich haben wir nie über die Landschaft gesprochen. Was sie lustig nennt, hat mich auch beeinflusst. Es ist nicht das, was andere lustig nennen. Natürlich habe ich wohl auch die Art, wie wie sie sich bewegt, beim Bau meiner Gedichte verwendet. Sie macht ja eine Menge anderer Dinge, aber selbst wenn sie nur produziert hätte, was mich produzieren machte und produzieren ließ, würde sie sich doch gut gelohnt haben.“ Und in der Geschichte über „Lai-Tus Wert“ schrieb er: „Lai-Tu dachte gering von sich, weil sie kein großes Werk hervorbracht hatte. Weder als Schauspielerin noch als Dichterin wies sie besondere Leistungen auf. Dass im Hinblick auf sie Dichtungen hervorgebracht wurden und gute Leute sich besser verhielten als sonst, achtete sie für nichts. Me-Ti sagte ihr: Aber das bedeutet nicht, dass Du keine Leistung geliefert hast. Deine Güte wird festgestellt und gewürdigt, indem sie in Anspruch genommen wird. So erwirbt der Apfel seinen Ruhm, in dem er gegessen wird.“

Im Oktober 1955 flog Berlau nach København und blieb für mehrere Monate bei ihrer Mutter zu Besuch. Während der Zeit stehen Brecht und Berlau in brieflichem Kontakt und wechseln aktuelle Informationen untereinander. Brecht ist sehr daran gelegen, dass sie eine feste Bleibe in ihrer Heimat hat, so wie damals ihr kleines Häuschen im Humlebäck, und teilt ihr seine Vorstellungen und Bedingungen für einen Hauskauf mit. Berlau ist mit Brechts Vorschlag einverstanden und wolle nach einem geeigneten Haus suchen, – „damit wir uns fern sind“ – ,möchte aber gerne im September, so wie Brecht ihr geraten hat, in Berlin sein.

Am 2. August 1956 erstellte Berlaus Anwalt Chr. Vilh. Hagens in København über Brechts Bedingungen ein Testament und schickte es an Brecht in Berlin als notariell beglaubigtes Originalexemplar. Das Thema um den Hauskauf und -verkauf wird wegen der vielen unwahren Behauptungen und widersprüchlichen Interpretationen in der Brecht-Forschung in einem gesonderten Abschnitt dargelegt.

Brecht stirbt am 14. August 1956 in seiner Wohnung in der Chausseestraße in Berlin an einem Herzinfarkt. Ruth Berlau ist zu dieser Zeit noch in København und wurde telegrafisch über Brechts Tod benachrichtigt. Kurz nach seinem Tod kündigte die Leitung des Berliner Ensembles ihren Arbeitsvertrag. Man brauchte nicht lange nach den Gründen zu suchen. Eric Bentley, der junge Brechts Übersetzer in den USA und Regisseur, schrieb in seinen Erinnerungen auch über einen Inzidenzfall, der sich zwischen ihn und Ruth Berlau während der Proben von „Mutter Courage“ in München 1950 ereignete und über die Folgen danach. „Erst als die Erben die Macht übernahmen, geriet ich endgültig auf die Liste der Feinde. Clifford Odets und Charles Laughton standen bereits darauf. Und es dauerte nicht lange, bis genau die Person, die ursprünglich (von Brecht) auf mich angesetzt war, sich zu uns dreien gesellte: Ruth Berlau. Sie ist tot, doch auch in den Achtzigern noch diffamiert die Winifred Wagner von Ostberlins Rotem Hügel, Barbara Brecht, ihren Namen.“ Was Bentley nicht wissen konnte war, dass er bereits zuvor auf Brechts Abschussliste stand. Die „Brecht Chronik“ berichtet unter dem 28. Dezember 1955, dass „Im Zusammenhang mit einer Vereinbarung, die B (Brecht) mit seinem Sohn abschließen will, teilt Stefan seine Meinung zu Eric Bentley Elisabeth Hauptmann mit.“ „Ich kann Bentley nicht ausstehen und halte zudem seine Übersetzungen BBs für so skandalös schlecht, dass sie durch ihre bloße Existenz hier seinem Renommee und seiner Aufführbarkeit hier ernstlich schaden.“ Die Meinung seiner Kinder waren Brecht wichtig und er holte sich diese gern ein.

Berlaus Leben nach Brechts Tod schilderte Hans Bunge in „Lai-Tu“ aus seiner Sicht. Dem sei es, im guten Andenken an ihm, nicht zu widersprechen, wenn er schrieb: „Das schlimmste war, dass sich auch die jungen Freunde, Schriftsteller und Theaterleute, von ihr abwandten, Leute, für die Ruth Berlau eine wunderbare Ratgeberin gewesen war, eine Vertraute auch in privaten Belangen und eine Helferin, die sich jederzeit bereitwillig ausbeuten ließ. Ruth Berlau hat die letzte Zeit ihres Lebens einsam verbracht, verlassen, ja gemieden von denen, die ihr hätten dankbar sein müssen. Auch ich gehörte am Ende dazu.“ Es seien noch Bentleys Worte zuzufügen, dass sie „der warmherzigste Mensch in Brechts Umgebung war“ und, von Brecht einst gelobt, ihren „chinesischen Fleiß, Großzügigkeit und ihre Liebe, die ausreichte ein ganzes Volk glücklich zu machen.“

Ruth Berlau verstarb am 15. Januar 1974 in Ost-Berlin im Krankenhaus der Charité, als eine brennende Zigarette ihr Bett entzündet hatte.

von

Günter Schwarz – 24.08.2017