(Berlin) – Wer hätte je gedacht, dass die nationalkonservative bayerische CSU jemals mit der aus der SED hervorgegangenen „Die Linke“ politisch übereinstimmt? Undenkbar! Doch jetzt ist es so weit, denn der autokratisch regierende türkische Staatspräsident Erdoğan hat das geschafft, dass Wasser (CSU) und Feuer (Die Linke) zueinander gefunden haben.

Von links- bis rechtsaußen ist die Geduld deutscher Politiker mit dem wahnsinnigen Wüterich vom Bosporus vorüber. Aus allen im Bundestag vertretenen Parteien überschlagen sich die Vorschläge, hart und kompromisslos auf die sich häufenden maßlosen Ausfälle Erdoğans gegen deutsche Politiker vorzugehen.

Das Fass zum Überlaufen brachte Recep Tayyip Erdoğans Einmischung in den deutschen Wahlkampf und seine unflätigen Ausfälle gegen Außenminister Sigmar Gabriel mit den Worten: „Wer sind Sie, dass Sie mit dem Präsidenten der Türkei reden? Beachten Sie Ihre Grenzen“, hatte Erdoğan gegeüber den deutschen Außenminister gewütet. Zuvor hatte er „seine Landsleute“ in Deutschland dazu aufgefordert, nicht die CDU, die SPD oder die Grünen zu wählen.

Geschafft hat der von Selbstbewusstsein strotzende und sich selbst überschätzende Erdoğan, was noch niemand vermocht hat: Alle Parteien – von der CSU bis hin zu den Linken – ziehen jetzt an einem Strang, wenn es um das zukünftige Verhältnis zur Türkei geht.

Ein wird ein breites Spektrum von Maßnahmen diskutiert, wie man von deitscher Seite aus diesen Verbalattacken begegnen kann:

Erdogans Vermögen einfrieren fordert der CDU-Politiker Roderich Kiesewetter – was im Falle von Diktatoren gängige Praxis ist. Denn: Wie alle Politiker wirtschaftlich erfolgloser Staaten vertrauen sie ihre Vermögen zumeist Banken im Westen an. Experten schätzen das Vermögen des Erdoğan-Clans auf über 150 Millionen Euro. 2010 enthüllte Wikileaks, wie Erdoğan enge Vertraute in Aufsichtsräte wählen lässt oder staatliche Aufträge an Verwandte vergibt.

2012, noch gab es eine unabhängige Justiz, wurden gegen Erdoğan Ermittlungen wegen des Verdachts auf Korruption eingeleitet. Ein Video tauchte auf, in dem Erdoğan seinen Sohn Bilal telefonisch aufforderte, bis zu 30 Millionen Euro beiseite zu schaffen. Ein Einfrieren seiner Konten wäre nur auf EU-Ebene sinnvoll.

Keine NATO-Kooperation mehr, schlug Kiesewetter ebenfalls vor. Schon lange werden keine sensiblen Informationen mehr mit Ankara geteilt, weil die USA am Partner zweifeln. Einen NATO-Ausschluss ist laut dem Statut der Verteidigungsgemeinschaft nicht möglich – Ankara könnte nur selbst austreten.

Sofortiges Ende der EU-Beitrittsgespräche fordert FDP-Chef Christian Lindner.

Keine Rüstungsexporte mehr, schlägt die Grüne Claudia Roth vor. Das ist längst auf dem Weg: Seit Juli werden alle Anträge aus Ankara neu bewertet – bei NATO-Partnern ist eine derartige Prüfung eigentlich unüblich.

Moschee-Vereine überprüfen, schlägt SPD-Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann vor. Der Druck in den Bundesländern auf Vereine wie Ditib und von dem Verein betrieben Moscheen, sich vom Einfluss Ankaras zu lösen, nimmt zu.

Keine Finanzspritzen mehr: Bereits im Frühjahr hat die EU begonnen, die im Rahmen der Beitrittsverhandlungen vorgesehene Hilfe für Ankara zurückzufahren: Von 4,45 Milliarden Euro, die für den Zeitraum bis 2020 zur Verfügung standen, waren jüngst erst 167,3 Millionen Euro ausbezahlt.

Investitionsstopp, Urlauberboykott: Hier sind Unternehmen und Mitbürger gefragt: Kann man guten Gewissens in der Türkei am Strand chillen, während deutsche Journalisten wie Mesale Tolu oder Deniz Yücel ohne Anklage im türkischen Knast schmoren?

Außenminister Gabriel warnte erst heute im ARD-Morgenmagazin nochmals vor Reisen in die Türkei und sich das gut zu überlegen, da man auch in Gefahr geraten könnte, festgenommen und gar inhaftiert zu werden, wenn einer der Bekannten oder Verwandten in der Türkei in Verdacht steht, in irgendeiner Weise beispielsweise mit der Gülen-Bewegung in Verbindung zu stehen.

von

Günter Schwarz – 25.08.2017