Anastasia hält einen Pappbecher mit Kaffee in den Händen und läßt ihren Blick über die Kieler Förde schweifen, als suche sie etwas am Horizont. Die 22 jährige Grafik-Design-Studentin aus Sankt Petersburg berichtet, sie habe sich aus dem Internet gelöscht. Kein Twitter mehr – kein Facebook – keine Online Communities. „Wozu denn noch?“, fragt sie mit einem spöttischen Unterton. Solle man sich auf Facebook die schöngefärbten Selbstdarstellungen von Menschen anschauen, die man ohnehin kaum kennt? Oder die Wahlwerbung der AfD? Oder gar die Pöbeleien und Zankereien von irgendwelchen gelangweilten Leuten in den Kommentarspalten öffentlicher Medien? „Oder soll ich irgendeiner Firma und zahllosen Psychopathen Bilder von mir und meinem Aufenthaltsort schicken?“, fragt sie böse. „Ich habe keine Lust mehr auf Katzenbilder, Hass im Internet oder permanente sexuelle Belästigungen alter Männer!“, betont sie. Was ist mit Twitter? „Schleswig-Holstein hat ein ganz tolles lokales Radio, über das ich den ganzen Tag darüber informiert bin, wo im Land die Schule ausfällt oder eine Vollsperrung stattfindet. Über Twitter kann ich dann Zeugin werden, wie der Verrückte in Washington den Dritten Weltkrieg lostritt oder die Grünen sich in Berlin über Werbung für Unterwäsche echauffieren; in einem Land, in dem zahllose Sex-Sklavinnen aus Moldawien überhaupt keine Lobby haben?! In Einem Land, welches als Drehscheibe für Menschenhandel gilt, beschäftigen sich politische Parteien nicht mit den Opfern dieser Industrie, sondern mit Unterwäsche-Plakaten! Wozu also braucht es soziale Medien? Um seine Laune zu vergiften oder sich von gutbezahlten „Influencern“ großer Konzerne oder Werbeverträge einen hipster Lifestyle vorlügen zu lassen? „Das mache ich alles nicht mehr mit!“, beschließt sie endgültig. „Da lese ich lieber mal ein Buch, schaue mir einen Film an, ohne nebenher auf dem Smartphone herumzutippen oder gehe hier am Wasser spazieren. Und wer mich kennt, dem kann ich dann auch per Whatsapp ein Foto oder eine Nachricht schicken, wenn ich mag“

Soziale Medien und das Internet haben einen großen Einfluss auf unser Leben. Erst kürzlich, zur Bundestagswahl, befürchtete man eine Einflussnahme durch gezielte Manipulation in den sozialen Medien. Unsere Justiz beschäftigt sich immer mehr mit sogenannten „Hasskommentaren“, während „sexuelle Belästigung, Grooming oder Stalking“ im Internet schon seit Jahrzehnten ein Problem darstellt, welches man bis Heute nicht zu regulieren imstande ist. Auch wenn man das Internet nicht komplett löschen möchte oder kann, empfielt es sich, sich einmal darüber Gedanken zu machen, wie wir soziale Medien nutzen und/oder welchen tatsächlichen Vorteil wir daraus ziehen. Dann kann man besser entscheiden, ob nicht die Lektüre eines guten Buches, der ungestörte Genuss einer Fernsehsendung oder sogar ein Spaziergang mehr Nutzen bringt, als das ziellose Herumklicken in der Facebook-Timeline.

Anastasia & Michael 04.10.2017