Anna Lund Lorenzen und Grethe Bartram, die beiden einzigen Frauen, die in der Folge der deutschen Besatzung Dänemarks zum Tode verurteilt und später zu lebenslanger Haft begnadigt wurden, werden am 26. Oktober 1956 aus dem Gefängnis entlassen und auf freien Fuß gesetzt.

Anna Lund Lorenzen, geborene Østergaard, wurde am 19. Juni 1913 in Holsted Sogn in der Kommune Vejen bei Ribe in Syddanmark geboren und wuchs in einer großen Familie in ärmlichen Verhältnissen auf. Während des Zweiten Weltkrieges wurde sie zu einer deutschen Kollaborateurin und zum Mitglied der Lorenzen-Gruppe, die während der Besatzungszeit durch Jørgen Lorenzen geführt wurde.

Anna Østergaard erhielt ihre berufliche Ausbildung in der Gastronomie und war noch nicht 18 Jahre alt, als sie den Dekorateur Henry Christian Lund (9. Januar 1911 – 15. Dezember 1977) aus Vejle heiratete. Die Ehe wurde am 9. Mai 1931 geschlossen, und im Jahr 1935 trennte sich das Paar bis die Ehe dann 1943 geschieden wurde, Sie hatte Jørgen Lorenzen getroffen, und sie verlobten sich. Jedoch konnten sie nicht heiraten, bevor ihre Ehe mit Henry Christian Lund aufgelöst war.

Jørgen Lorenzen war Mitglied der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei Dänemarks und trat im Jahr 1944 in den Dienst der deutschen Gestapo (Geheime Staatspolizei), für die seine Gruppe von Dezember 1944 bis Mai 1945 für 6-800 Verhaftungen sorgte und erste Verhöre von Mitgliedern des dänischen Widerstands vornahm.

Nach der Befreiung Dänemarks am 05. Mai 1945 versteckte sich das Paar und mehrere Mitglieder der Gruppe in einem Sommerhaus in Asserbo im Norden der Insel Sjælland (Seeland). Hier kam zu einem Feuergefecht mit Mitgliedern der Widerstandsbewegung, bei dem Anna Lund Lorentzen einen selbstgebauten V3-Rüstung,Panzerwagen benutzte und im Verlauf des Gefechts ihren rechten Arm verlor.

Sie wurde aufgrund ihrer Mitgliedschaft und Mitwirkung in der Lorenzen-Gruppe am 29. Januar 1947 von Københavns Stadtgericht angeklagt und zum Tode verurteilt. Das Urteil wurde am 26. Juli des gleichen Jahres vom Østre Landsret (Landgericht Ost) und am am 31. März 1948 nochmals vom Højesteret (Obersten Gerichtshof) bestätigt. Am 10. Mai 1948 wurde die Strafe aufgrund der Initiative von Rechtsanwalt N. Busch-Jensen um Begnadigung auf eine lebenslange Freiheitsstrafe reduziert, woraufhin sie dann schließlich am 26. Oktober 1956 nach elf Jahren Haft entlassen wurde.

Der medizinische Gutachter Max Schmidt beschrieb Lund Lorenzens mentalen Zustand im Jahr 1947 wie folgt: „Moralisch sie nicht gut entwickelt ist, sondern muss bei Licht in der Verfassung einer durchsetzungsfähigen Psychopathin betrachtet werden, die teilweise ein Kältegefühl erzeugt.“

Anna Lund Lorenzen und Grethe Bartram waren die einzigen Frauen, die in der Folge der Besatzung zum Tode verurteilt wurden – aber keiner der Todesurteile wurden ausgeführt. Für Anna Lund Lorenz geschah es gegen ihren Willen. Sowohl der Appell an den Højesteret um Wandlung ihres Urteils in eine lebenslange Freiheitsstrafe als auch die Begnadigung standen ihren Wünschen entgegen. Wahrscheinlich wollte sie Jørgen Lorentzen in den Tod folgen. Sie hatten noch kurz vor seiner Hinrichtung im Mai 1949 im Gefängnis geheiratet.

Nach ihrer Entlassung aus der Haft zog Anna Lund Lorenzen nach Deutschland, wo sie die deutsche Staatsbürgerschaft und eine Kriegsrente erhielt. In ihrem neuen Leben in Flensburg engagierte sie sich sehr an Hilfsmaßnahmen für kriegsverletzte Kinder.

Anna Lund Lorenzen verstarb am 2. Juni 2007 in einem Pflegeheim in Flensburg.

von

Günter Schwarz – 26.10.2017