(Langeoog) – Seit vielen Jahren leistet sich Deutschland eine teure Bereitschaftsflotte von Hochseeschleppern. Trotzdem droht jetzt an der Nordseeküste eine Umweltkatastrophe, weil ein Frachter vor Langeoog gestrandet ist. Die Behörden müssen Antworten auf unangenehme Fragen finden.

Es war eine Katastrophe mit Ansage, denn den ganzen Sonntag lang trieb der 225 Meter lange und 32 Meter breite Massengutfrachter „Glory Amsterdam“ von seiner Ankerposition in der Deutschen Bucht westlich von Helgoland auf die ostfriesischen Küste zu – und strandete schließlich 2,2 Kilometer vor der Insel Langeoog. Kein Schlepper kam dem Schiff rechtzeitig zur Hilfe, um es auf den Haken zu nehmen, um es von der Küste fern zu halten Seitdem sitzt das riesige Schiff vor der ostfriesischen Insel Langeoog mitsamt seiner 22-köpfigen Besatzung fest.

Bisher ist nicht absehbar, wie, wann und ob es das mittlerweile beauftragte Bergungsunternehmen aus den Niederlanden überhaupt schafft, den Frachter wieder ins offene Meer zu ziehen, da das Schiff, je länger es dort festsitzt, sich mit jeder Tide weiter in den Sand eingräbt und schweree zu bergen ist, bis es letztendlich unmöglich sein wird.

Am Montagnachmittag erklärte eine Sprecherin des Havariekommandos, das mit dem Bergungsunternehmen zusammen arbeitet, dass der Wasserstand rund um das Schiff so niedrig sei, dass die Schlepper dort nicht wie eigentlich geplant arbeiten könnten. Ein Schleppversuch mit dem Abendhochwasser vom Montag gegen 19.30 Uhr musste abgesagt werden, da der Wasserstand zu gering war, um die „Glory Amsterdam“ von der Sandbank schleppen zu können.

Und auch am heutigen Dienstagmorgen gab es schlechte Nachrichten: Auch heute sollte es keinen Schleppversuch geben, hieß es im Havariekommando. Das Bergungsunternehmen müsse erst eigene Schlepper anfordern, möglicherweise aus den Niederlanden. „Die staatlichen deutschen Schlepper dürfen nur in einer absoluten Gefahrensituation zum Einsatz kommen.“ Die sei jetzt nicht mehr gegeben.

Wann ein neuerlicher Schleppversuch gestartet werden kann, ist damit weiter völlig offen. Damit bleibt die Gefahr bestehen, dass es noch zu einer verheerenden Umweltkatastrophe kommt: Im schlimmsten Fall könnten 1.800 Tonnen Schweröl und 140 Tonnen Marinediesel die Strände der Badeinseln und die Vogelrastgebiete verseuchen.

Die Bergung könne noch bis zu drei Tage dauern, hatte Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) am Montagabend nach einem Besuch des Havariekommandos gesagt, wobei diese Aussage des Ministers, der ja kein Fachmann und schon gar kein Seemann ist, als recht optimistisch zu werten ist.

Wie konnte es so weit kommen? Das 225 Meter lange Frachtschiff hatte sich am Sonntag in der Deutschen Bucht wegen des heftigen Sturms mit bis zu sieben und acht Meter hohen Wellen losgerissen. Es hatte zuvor den Hamburger Hafen verlassen und war in der Nähe swestlich von Helgoland auf Reede gegangen. So können Schiffe Hafengebühren sparen.

Ein Sprecher der Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes erklärte auf Anfrage, dass es nicht üblich sei, eine Tiefwasserreede wegen eines bevorstehenden Sturmes zu sperren. „Dort warten Schiffe ja gerade besseres Wetter ab. Das sind eigentlich schon Stellen, die etwas besser geschützt sind vor dem Wind.“ Trotzdem war der Seegang so heftig, dass zwei Anker das Schiff am Sonntag nicht mehr halten konnten, sagte die Sprecherin des Havariekommandos. Die Maschine des Frachters sei nicht defekt gewesen. Warum die Anker dann nicht eingeholt wurden? „Dann hätte die Gefahr bestanden, dass man gar keine Kontrolle mehr über das Schiff hat.“

von

Günter Schwarz – 31.10.2017