Was geschah am 22. November 1993 in unserem Dänemark?
Das Urteil des Højesteret in København (Oberster Gerichtshof) gegen die Verantwortlichen für die „Scandinavian Star“-Schiffskatastrophe am 07. April 1990, bei der 161 Passagiere bei einem Brand an Bord des Schiffes starben, wird am 22.November 1993 gesprochen.
Der Oberste Gerichtshof verurteilte die Verantwortlichen der Reederei, Eigner Henrik Johansen, Direktor Ole B. Hansen und Kapitän Hugo Larsen zu sechs Monaten Gefängnis. Dies ist eine erhebliche Verschärfung des Urteils des schwedischen See- und Handelsgerichts vom Jahr zuvor , als die drei eine lediglich eine 40- bis 60-tägige Haftstrafe erhielten.
Die „Scandinavian Star“ verließ Oslo am 6. April 1990 in Richtung Frederikshavn. Viele Passagiere haben anschließend nach dem Unglück schon von einem Chaos beim Check-in berichtet. Die Fähre hatte zuvor als Casino-Schiff gedient, und es waren noch Montagearbeiter an Bord, und viele Kabinen waren noch nicht fertig. Außerdem war innerhalb von 10 Tagen neues Personal ausgebildet worden. Die Besatzung setzte aus Seeleuten verschiedener Nationalitäten zusammen, die zum großen Teil di Sprachen der anderen kaum oder gar nicht verstanden. Feuerübungen wurden für die neue Mannschaft bis zum Tag des Unglücks noch nicht gehalten. Sie hatten die Tage und Nächte zuvor nur gearbeitet, um das Schiff seeklar zu machen. Deshalb legte die Fähre auch nicht wie vorgesehen um 19:30 Uhr, von seinem Liegeplatz ab sondern erst um 21:45 Uhr. An Bord der Fähre befanden sich 383 Passagiere, 99 Mann Besatzung und Kraftfahrzeuge.
In der Nacht des 07. April befand sich die Fähre um 00:50, als das Feuer in Bettzeug ausbrach, das in einem Gang des Schiffes lag, im Skagerrak. Dieses Feuer konnte von einem Passagier gelöscht werden, der auch das Feuer entdeckt hatte. Ein portugiesischer Matrose, der gekommen war, um zu helfen, meldete den Feueralarm an die Brücke. Es kommt jedoch auf Fähren vor, dass betrunkene Passagiere die Angewohnheit haben, Feuer zu melden und sich dann amüsieren, wenn von der Kommandobrücke Feueralarm ausgelöst wird. So glaubte der wachhabende Erste Offizier nicht, dass es in diesem Fall einen Grund gab, den Feueralarm auszulösen, da er keine unmittelbare Gefahr für die Sicherheit der Passagiere sah.
Um 02:00 Uhr brachen zwei neue Feuer auf Deck 3 aus, von denen eines definitiv gefährlich war. Durch eine dekorative und auch brennbare Figur in einer luftigen Bekleidung verbreitete sich das Feuer schnell und die Gänge füllten sich schnell mit schwarzem, giftigem Rauch über die Belüftungsanlage. Da die meisten Passagiere zu dieser Zeit in ihren Kabinen schliefen, starben viele durch den giftige Qualm an Rauchvergiftung und nicht durch das Feuer selbst. Das Feuer brach schnell auf Deck 4 über, und als der Rauch durch die Decks 5 und 6 zog, war die Kommandobrücke alarmiert. Unglücklicherweise hatte die Besatzung, wie bereits erwähnt, nicht an einer notwendigen und auch vorgeschriebenen Feuerlöschübung teilgenommen, und deshalb gab es keine koordinierte Bekämpfung des Feuers.
Der Rauch an Bord des Schiffes war derart mit Kohlenmonoxid gesättigt, dass die Menschen, die es einatmeten, innerhalb von 30 Sekunden das Bewusstsein verloren und innerhalb von 3 Minuten eine tödliche Dosis eingeatmet hatten. Gleichzeitig enthielt der Rauch große Mengen giftiger Blausäure aus der Deckenverkleidung, was lebensbedrohliche Bedingungen für die Passagiere verursachte.
Das Feuer fraß sich weiter durch das Schiff und gelangte auch in die Restaurants auf Deck 6. Die Kabinen blieben zunächst weitgehend rauchfrei, solange die Türen geschlossen waren und das Entlüftungssystem funktionierte, aber sobald die Entlüftung abgeschaltet wurde, was gegen 02.30 Uhr geschah, kroch der Rauch auch in die Kabinen, und die Konzentration von Kohlenmonoxid und Blausäure erreichte hier ein kritisches Niveau.
Die Entlüftung wurde abgeschaltet, da der Kapitän dachte, dass es helfen würde, das Feuer zu ersticken, aber das Abschalten war auch ein Todesurteil für die Passagiere, die nicht mehr in ihren Kabinen waren. Das Feuer brannte weiter, obwohl es sich jetzt lwegen des Sauerstoffmangels langsamer ausbreitete. Darüber hinaus wurde das Feuer durch zwei Schotten und geschlossene Türen blockiert.
Um 02.24 Uhr wurde ein SOS-Notruf abgesendet. Die Fähre „Stena Saga“ nahm das Signal auf und kam als eines der ersten Schiffe nur eine halbe Stunde später zur Unfallstelle und fing sofort an, Überlebende von den Rettungsbooten einzusammeln.
Um 03.28 Uhr kündigte der norwegische Kapitän Hugo Larsen an, dass er nicht länger an Bord bleiben könne, und der Kapitän der Fähre „Stena Saga“, Lennart Nordgren, fragte über Radio (Funk), ob alle Menschen von Bord seien. Captain Larsen sagte zuerst, dass sie es waren. „Auch die Mannschaft?“ fragte Captain Nordgren und fügte „Bestätigen“ hinzu. Captain Larsen antwortete erneut mit Ja. Doch als „Stena Sagas“ Kapitän noch einmal fragte: „Sind wirklich keine Leute mehr an Bord?“, antwortete Larsen etwas verunsichert „Soweit wir gesehen haben: Nein. Also, ob es noch Menschen an Bord gibt, ist völlig unmöglich zu sagen. Zumindest sind alle weg, soweit wir wissen – denke ich .“
Tatsache war, dass sich zu dem Zeitpunkt noch mehr als 40 Überlebende an Bord befanden. Diese Aussage des Kapitäns hatte zur Folge, dass zunächst keine Rettungsmannschaft auf das brennende Schiff geschickt wurde, obwohl noch Menschen an Bord waren. Als die ersten Feuerwehrleute aus Schweden um 06:00 Uhr mit einem Hubschrauber bei der Fähre ankamen, wurden ein Passagier, zwei portugiesische Matrosen und zwei Handwerker gefunden, die anscheinend den ganzen Unfall verschlafen hatten. Zu ihrem Glück lagen ihre Kabinen in einem Teil des Schiffes, wo das Feuer und der Rauch nicht so schlimm gewesen waren. An anderen Orte auf dem Schiff schwelte und brannte es aber noch in den Schiffsgängen und den Kabinen.
Kurz nach der Ankunft der Feuerwehrleute wurde der Kapitän auf Verlangen der Brandbekämpfer die das Schiff nicht kannten, auf sein Schiff zurückgerufen, da diese jemanden brauchten, der das Schiff kannte. Am Morgen des 07. April fing man an, die noch brennende Fähre in die schwedische Stadt Lysekil zu schleppen. Am Nachmittag war das Feuer anscheinend gelöscht. Aber schon kurz nach der Ankunft von Lysekil am späten Abend flammte erneut ein unerklärliches Feuer im Vorschiff und auf der Kommandobrücke aus. Dieses Feuer wurde durch Öl aus einer Hydraulikleitung ausgelöst, die unter mysteriösen Umständen zerbrochen war.
Die „Scandinavian Star“ war eine 142 Meter lange, ursprünglich auf den Namen „Massalia“ getaufte Fähre, die 1971 von der französischen Werft Dubigeon-Normandie in Nantes erbaut wurde. Den Namen „Scandinavian Star „erhielt sie 1984 während des Chartereinsatzes für die Reederei Scandinavian World Cruises.
Ab 1990 bediente sie für „DA-NO Linjen“ den Linienverkehr zwischen Oslo (Norwegen) − Frederikshavn (Dänemark). Am 07. April 1990 führte ein Brand auf dem Schiff zu einer Katastrophe, die 158 Menschen das Leben kostete.
Nach dem Brand wurde das Schiff 1994 versteigert, in „Regal Voyager“ umbenannt und in Italien wieder Instand gesetzt; in den folgenden Jahren kam sie hauptsächlich im Charter für verschiedene Reedereien wieder als Fähre zum Einsatz, zuletzt von 1999 bis 2004 für Ferries del Caribe auf der Route Santo Domingo (Dominikanische Republik) nach San Juan (Puerto Rico). Im Jahr 2004 wurde das Schiff an eine indische Abwrackwerft in Alang verkauft, wo noch im Mai desselben Jahres mit der Verschrottung begonnen wurde.
von
Günter Schwarz – 22.11.2017