Lassen sich die Rechtsradikalen AfD-ler disziplinieren?
(Hannover) – Wie sich am Wochenende beim Bundesparteitag der AfD gezeigt hat, ist die momentan drittstärksten Partei in Deutschland vereinfacht gesagt in zwei Lager gespalten. Da sind jene, die in Systemopposition verharren wollen und jene, die Mitgestalten durch Mitregieren anstreben. Nach dem Parteitag vom Samstag und Sonntag stellt sich die Frage, welches Lager hat nach diesem Parteitag die Oberhand?
Wie es den Anschein hat, haben sich auf diesem Parteitag jene durchgesetzt, welche die AfD als eine rechte und rechtspopulistische Sammlungsbewegung aufstellen wollen, die auch für Rechtsradikale eine politische Heimat bildet. Dieser rechte Flügel wollte sich durchsetzen und hat einen Realpolitiker verhindert. Der offenkundige Sieg konnte nur dadurch abgewendet werden, dass Gauland selbst in die Presche sprang und als Parteivorsitzender mit ausgleichender Wirkung auf die zwei Linien der Partei die Verantwortung übernahm.
Obwohl es vielleicht etwas übertrieben formuliert ist, sagte die frühere AFD-Chefin Frauke Petry, die Partei sei nun fest in der Hand von Björn Höcke. Aber es ist schon so, dass die rechten Kreise in der AfD die Oberhand mehr und mehr zu gewinnen scheinen und womöglich alsbald mehr und mehr Abgeordnete zur Einsicht kommen, sie wären bei der klar staatstragenden blauen Konkurrenz von Frau Petry besser aufgehoben als bei der AfD.
Im Bundestag hat sich die AfD bisher bemüht, als eine zwar oppositionelle, aber dennoch zumindest halbwegs vernünftige Fraktion aufzutreten, die den Grundkonsens des Gemeinwesens nicht in Frage stellt. Doch die offene Frage ist, wie lange sich die Rechten und Rechtsradikalen in der AfD auf diese Weise disziplinieren lassen. Sie glauben nämlich, dass man durch schrilles, lautes und rechtes Auftreten für die Partei eine Mehrheit beschaffen kann, während jene, die für einen gemäßigten und vernünftigen Kurs sorgen, genau vom Gegenteil überzeugt sind. Nämlich nur als eine Art bundesweite CSU ständig eine wichtige politische Rolle spielen zu können.
Es ist zu erwarten, dass sich die Rechten in der AfD weiterhin bestätigt fühlen. Dass sie nach dem olympischen Motto „schneller, höher, weiter“ verfahren und immer noch einen Zahn zulegen wollen. Insofern ist mit einer Entradikalisierung in nächster Zeit nicht unbedingt zu rechnen. Das wird so lange gut gehen, bis die AfD offenkundig zu einer rechtsradikalen Partei geworden ist. Und eine solche Partei findet in Deutschland – gottlob – kein sonderliches Echo, wie die Erfahrungen mit der NPD, DVU, Republikaner und andere mehr in der Vergangenheit gezeigt haben.
Unbestritten ist, dass der Parteitag in Hannover für die Partei ein ziemliches Chaos war und die AfD offenkundig tief gespalten ist. Fairerweise muss man allerdings sagen, das gilt auch für die CDU und die SPD, denn Spannungen gibt es derzeit innerhalb aller gößeren Parteien in Deutschland. Dabei ist das zentrale Phänomen, dass eine neue politische Spannungslinie aufgetaucht ist, an der sich das etablierte Parteiensystem noch nicht neu ausgerichtet hat. Diese neue Spannungslinie verläuft zwischen den Einwanderungsoptimisten und den Einwanderungsskeptikern. Sie ist jene zwischen denen, die in Deutschland eine multikulturelle Gesellschaft herbeiführen möchten und jenen, welche die angestammte Kultur und Gesellschaft im Wesentlichen unverändert erhalten wollen.
Über die Frage, wie man sich verhalten soll, ist sowohl die CDU als auch die SPD gespalten. Die einzige Partei, die hier eine klare Positionen bezieht – abgesehen von Teilen der CSU –, ist die AfD. Aber sie radikalisiert sich an der Frage, wie man es überhaupt mit vernünftiger Zuwanderung, mit notwendiger Offenheit und Buntheit eines pluralistischen Staates halten soll. Und solange diese neue Spannungslinie in das traditionelle Links-rechts-Schema gepresst wird, in das Schema die „Gutmenschen“ gegen die „Neonazis“, wird man mit dieser Konfliktlinie politisch nicht vernünftig umgehen können.
von
Günter Schwarz – 04.12.2017