(Hamburg) – Die Spannungen zwischen Berlin und Ankara gehen nicht spurlos an den in Deutschland lebenden Türkeistämmigen vorbei. Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts „Data 4U“ kommt zu dem Ergebnis, dass sich das Verhältnis zwischen ihnen und den Deutschen verschlechtert. Kritik an Erdoğans Verhalten und Handlungen finden viele unter ihnen ungerecht.

Die politischen Meinungsverschiedenheiten zwischen Berlin und Ankara haben nach Ansicht vieler Deutschtürken auch ihr Verhältnis zu ihren deutschen Mitbürgern negativ beeinträchtigt. Der Umgang zwischen Deutschen und in Deutschland lebenden Türkeistämmigen habe sich in den vergangenen Jahren verschlechtert, sagten 52 Prozent der Befragten in einer repräsentativen Umfrage, wie der NDR in seinem Umfrageergebnis am Montagabend verlauten ließ.

Als Grund gaben die meisten (59 Prozent) die Regierungsstreitigkeiten an. 53 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass auch die Medienberichterstattung über die Türkei eine Rolle spielt. Schlechte persönliche Erfahrungen nannten die wenigsten als Grund.

Das Meinungsforschungsinstitut „Data 4U“ hatte im Auftrag der Sendung „Panorama – die Reporter“ des Fernsehsenders NDR mehr als 2.800 Türkeistämmige befragt. Nur 12 Prozent gaben demzufolge an, dass sie die deutsche Kritik am türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan für berechtigt halten. 44 Prozent halten sie nicht für gerechtfertigt. Der Großteil der Befragten gab allerdings auch an, sich in Deutschland wohl zu fühlen.

Die türkischstämmige Bevölkerung in Deutschland in der Haltung zu Erdoğan selbst ist äußerst gespalten, denn während sich laut Umfrage 27 Prozent der Deutschtürken kritisch zu Erdoğans aktueller Politik äußern, stimmen 29 Prozent seinem Kurs seit dem Putschversuch 2016 zu.

Kaum einen Unterschied machte es bei den Ergebnissen, ob die befragten Türkeistämmigen in erster, zweiter oder dritter Generation in Deutschland leben. „Data 4U“ nannte als wichtigsten Unterschied jedoch den Bildungsgrad. Die formal höher Gebildeten weisen den höchsten Integrationslevel auf und stehen der Politik von Erdoğan am kritischsten gegenüber. Sie sind auch die einzige Gruppe, die das Türkeireferendum im April 2017 mehrheitlich abgelehnt hat. Bei den weniger gut Gebildeten stiegen allerdings die Sympathie und die Zustimmung für die Politik Erdoğans sprunghaft an.

Gefragt nach ihrer Heimat, geben 46 Prozent an, sie empfänden starke Heimatgefühle für Deutschland. Mit der Türkei verbinden hingegen immer noch 83 Prozent der Befragten starke Heimatgefühle – ein hoher Wert über alle Generationen hinweg, selbst unter den hier Geborenen. Und für ein Drittel sind diese Heimatgefühle in den vergangenen Jahren unter dem Eindruck der politischen Spannungen zwischen Berlin und Ankara noch stärker geworden.

von

Günter Schwarz – 05.12.2017