Dänemark – das bessere Deutschland
Trotz der ständigen Unbeständigkeit der Regierungen, von denen Dänemark in den Nachkriegsjahren bereits 32 „verschlissen“ hat, wovon 28 – wie die derzeitige „Lars Løkke Rasmussen Regierung“ auch – allerdings nur Minderheitsregierungen bildeten, macht Dänemark vieles richtig, was andere – und Deutschland schon gar nicht – nicht schaffen: wenig Schulden, Digitalisierung auf dem Land – und keine Angst vor Großprojekten.
In Dänemark hat sich die Einsicht durchgesetzt, der Kampf gegen die „Wutbürger“ wird in der Pampa gewonnen und in der Hauptstadt geplant. In einem dunklen Raum, in einem Backsteinbau auf dem ehemaligen Freihafengelände Københavns. Es ist kjein allzu schöner Ort zum Arbeiten, doch Betina Loses Arbeit findet ja auch draußen statt, bei den Menschen. Sie hat nur in dieses Versteck gebeten, um ihr Meisterstück zu erklären. Lose ist „Chefin der Planungsabteilung“ und angestellt bei Bane, einer staatlichen dänischen Agentur, die sich um die Schieneninfrastruktur im kleinsten skandinavischen Land kümmert. Eigentlich aber ist sie Zuhörerin, Vermittlerin und Schlichterin, was sie zur „Wutbürger“-Versteherin Dänemarks micht, mit deren Hilfe sie im Königreich Großprojekte wie beispielsweise den Fehmarnbelt-Tunnel umsetzen.
Seit fast zehn Jahren haben Deutschland und Dänemark den Plan, die Meerenge zwischen den beiden Ländern zu untertunneln. Seit 2009 gibt es dazu einen Staatsvertrag. Ursprünglich sollte alles bis 2020 fertig sein, aber bis heute ist kein Spatenstich getan. Die Dänen könnten sofort loslegen, wohingegen in Deutschland aber Gegner um Umweltschutz und Tourismus fürchten, und vor keinem Mittel zurückschrecken, den Bau irgendwie noch verhindern zu können.
So rechnet kaum jemand noch ernsthaft mit dem Baubeginn vor 2021, und früher als 2029 dürfte kein Zug durch die Röhren rollen. Zehn Jahre Verzug bedeutet Milliarden Euro an Mehrkosten, denn insgesamt liegen rund 12.400 Einsprüche gegen den Tunnel offiziell auf deutscher Seite vor. In Dänemark sind es nur 36, und das ist Loses Verdienst! „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es einen großen Unterschied macht, wenn man die Menschen früh einbindet und die Vorschläge von vor Ort ernst nimmt, um das Projekt zu verbessern“, sagt sie und beschreibt damit die Erfolgsformel einer ganzen Nation.
Wie machen die das nur? Diese Frage stellt sich längst nicht mehr nur bei Großprojekten. Sie stellt sich aus deutscher Sicht auch ganz aktuell, beim Blick ins dänische Parlament, dem Folketing, wo es gute Tradition ist, sich nicht zu Koalitionen zusammenzufinden, die auf Gedeih und Verderb eine Legislaturperiode zusammenbleiben. In Dänemark waren seit Ende des Zweiten Weltkrieges 28 von 32 Regierungen Minderheitsregierungen.
Wie machen die das nur? Diese Frage stellt sich auch in der Digitalisierung, dem Lieblingsthema der FDP und Herzensanliegen so vieler Unternehmer in Deutschland. In København indes richtete man schon 2001 eine „Task-Force“ ein, natürlich auch eine Digitalagentur. Seit über zwölf Jahren hat jeder Däne und jedes Unternehmen eine staatliche Internet-ID, mit der sich fast alle Behördengänge online erledigen lassen. Auch beim Gesundheitssystem gilt: online first. Es ist kaum nötig eigentlich zu erwähnen, dass der Arbeitsmarkt und das Schulsystem im Land wesentlich flexibler als in Deutschland sind, und die Staatsfinanzen solide, denn eine Staatsverschuldung ist praktisch nicht vorhanden.
Ist Dänemark also womöglich das bessere Deutschland? Insgesamt ist unser Nachbar in einem Zustand, in dem man auch hierzulande gerne wäre. Wer sich durch das Königreich bewegt, der bekommt den Eindruck, dass es in Dänemark, das oft als so staatsverliebt und obrigkeitshörig gilt, so gut klappt, weil die Politik es dort versteht, Hürden abzubauen anstatt ständig neue zu errichten.
von
Günter Schwarz – 08.12.2017