(Berlin) – Das „Theater der Jungen Welt“ Leipzig und Stiftung EVZ veranstalten eine Theaterwerkstatt und eine öffentliche Podiumsdiskussion zur Erinnerungskultur an NS-Unrecht. Deutschland diskutiert über Pflichtbesuche von SchülerInnen in KZ-Gedenkstätten, während in Fußballstadien in Rom, Dortmund und Leipzig rechte Fans das NS-Opfer Anne Frank für ihre Zwecke instrumentalisieren.

Im Bundestag ist seit der Bundestagswahl im September 2017 eine Partei vertreten, die nicht nur offizielle Holocaust-LeugnerInnen in den eigenen Reihen duldet, sondern in der sich auch Partei-Repräsentanten ständig mit Parolen aus der NS-Zeit öffentlich hervortun. Verblasst also die Erinnerung an die Verbrechen der Deutschen aus der NS-Zeit? Antisemitismus und Hass nehmen in Deutschland und Europa wieder zu und rechte politische Gruppierungen und Parteien zeichnen sich dadurch aus, Fremdenhass wieder „salonfähig“ zu machen.

Welche Rolle kann das Theater vor diesem Hintergrund für ein kritisches Geschichtsbewusstsein und eine lebendige Erinnerungskultur an das nationalsozialistische Unrecht spielen? Wie hängt das Erinnern an den Holocaust mit der Gegenwart zusammen?

Unter dem Titel „Theater macht Geschichte. Künstlerische Interventionen für die Zukunft“ laden das „Theater der Jungen Welt Leipzig“ (TdJW) und die Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (EVZ) zu einer Theaterwerkstatt am kommenden Wochenende vom 16. bis 18. Februar 2018 nach Leipzig ein. Über 80 Theaterschaffende und Kreative aus ganz Deutschland, Israel, Tschechien und Polen diskutieren ein Wochenende lang in verschiedenen Workshops, welche Rolle Theater und Kultur für die Erinnerung spielen müssen, wenn der empathische Zugang zur Vergangenheit nicht mehr mit Hilfe von ZeitzeugInnen möglich ist.

Jürgen Zielinski, Intendant des TdJW, sagt: „In Zeiten des zunehmenden Antisemitismus, Rassismus und gesellschaftlicher Ausgrenzung fordert die Theaterwerkstatt zum Diskutieren darüber auf, welche Gestaltungsräume genutzt werden können, um eine lebendige Erinnerungskultur mit Gegenwartsbezügen herzustellen und insbesondere Jugendliche zum kritischen Nachdenken über die Verbrechen des Nationalsozialismus zu bewegen.“

In vier thematischen Workshops entwickeln die Teilnehmenden Ideen für produktive, neue Spielräume und tauschen ihre Erfahrungen über die künstlerische Arbeit mit Zeitzeugnissen aus. Als ein Beispiel stellt das „Theater der Jungen Welt“ am 16. Februar um 19:30 Uhr seine von der Stiftung „EVZ“ geförderte Produktion „Juller“ vor und lädt im Anschluss zu einem Nachgespräch ein.

„Wir freuen uns sehr, dass wir die fruchtbare Zusammenarbeit mit dem ,Theater der Jungen Welt‘ durch das Vernetzungstreffen von Theaterschaffenden fortsetzen können“, so Dr. Andreas Eberhardt, Vorstandsvorsitzender der Stiftung „EVZ“. „Theater bieten als kreative Räume unzählige Möglichkeiten, historische Stoffe im Heute zu verankern. Eine gesellschaftliche Relevanz für eine lebendige Erinnerungskultur zu schaffen, ist uns als Stiftung ein wichtiges Anliegen.“

Workshops bieten Anlass zu einem intensiven Erfahrungsaustausch. Annegrit Berghoff von der KZ Gedenkstätte Moringen liefert Input zum Umgang mit Gedenkstätten und authentischen Orten. Dem Spannungsfeld „Klassisches Theater und neue Medien““ nähert sich Ronny Sommer vom „Peng!-Kollektiv“ in seinem Workshop an. Bettina Frank, freie Theaterpädagogin von der „HeldenFabrikBerlin“, teilt ihre Best Practice-Erfahrungen in der Entwicklung von theaterpädagogischen Materialien und der Autor, Dramaturg und Regisseur Jens Raschke setzt sich mit der Verantwortung des Theaters beim Umgang mit Nachkommen, Quellen und Autorenschaft auseinander.

Im Rahmen der Theaterwerkstatt findet am 17. Februar um 19:30 Uhr die öffentliche Podiumsdiskussion „Darf man das? Holocaust-Darstellungen und der gute Geschmack“ statt. Unter anderem diskutieren Dr. Kirstin Frieden, Literatur- und Kulturwissenschaftlerin, Max Czollek, Lyriker und Kurator der „Radikalen Jüdischen Kulturtage“ und Regina Gabriel, Theaterpädagogin bei der Gedenkstätte Hadamar, Fragen zur Political und Memorial Correctness beim Umgang mit dem Holocaust in der darstellenden Kunst. Das Gespräch moderiert Bastian Wierzioch vom MDR.

von

Günter Schwarz – 10.02.2018