Die Pianistin und Klavierlehrerin Agnes Adler erblickt am 19. Februar 1865 unter dem Geburtsnamen Agnes Charlotte Dagmar Hansen in København als Kind einer Musikerfamilie das Licht der Welt.

Als 2. Kind des Musiklehrers Carl Emilius Hansen (1834–1910) und dessen Frau Charlotte Rebekka geb. Petersen (1833–1904) wuchs sie in København auf. Sie war die Schwester des bekannten Violoncellisten und Komponisten Robert Hansen (1860–1926) und Nichte der Violinistin Louise Amalie Hansen (1828–1879).

Ersten Musikunterricht soll die Pianistin von ihrem Vater, der Oboe spielte, und von dem norwegischen Pianisten und Komponisten Edmund Neupert (1842–1888) erhalten haben. Niemann bezeichnet sie als „einstiges Wunderkind des Klaviers“. Jedoch gibt es aus den frühen Jahren von Agnes Adler nur wenig Zeugnisse darüber. Der erste belegbare Auftritt stammt aus dem Jahr 1873, als Agnes 8 Jahre alt war. Am 28. März traten die Geschwister Agnes und Robert Hansen gemeinsam mit ihrem Vater bei einem Konzert Københavns Studentenfachschaft auf.

Von 1879 bis 1881 studierte die Pianistin am Kongelige Danske Musikkonservatoriet in København bei Edvard Helsted (1816–1900). Anschließend begann die pianistische Karriere Agnes Hansens, über die interessanterweise in der deutschen Presse besonders ausführlich berichtet wurde, obwohl die Konzerte meistens in København stattfanden. 1882 debütierte die damals 17-Jährige mit einem Klavierkonzert Mendelssohns unter Niels W. Gade.

Häufig traten die Geschwister Agnes und Robert Hansen gemeinsam auf. So spielten sie am 01. März 1882 in einer Kammermusiksoiree der Königlichen Kapelle in København die Sonate in G-Dur op. 39 von Anton Rubinstein. Die Zeitschrift „Signale für die musikalische Welt“ vermerkt aus diesem Anlass nach einer entsprechenden Würdigung des Cellisten, der sich zu dieser Zeit bereits „Königl. Capellmusikus“ nennen durfte: „Seine Schwester, die erst jetzt das Conservatorium verlassen hat, ist eine hervorragende Pianistin, die neulich mit ihrem Bruder ein Concert gab, wo sie die schwierigsten Aufgaben sicher und mit größter Leichtigkeit löste. In der Capellsoirée spielte sie noch mit besonderer Anerkennung die Pianostimme in Brahms’ Trio für Piano, Violine und Horn (Op. 40)“.

Agnes Hansen trat vorwiegend als Kammermusikerin auf. Neben Werken für Violoncello und Klavier (mit ihrem Bruder) oder für Violine und Klavier spielte sie häufig in Klaviertrios und Quartetten oder begleitete kleine Vokalensembles. Unter Emil Hartmann war sie 1884 als Solistin mit Beethovens 3. Klavierkonzert in c-Moll op. 37 zu hören; seltener werden, wie 1884, Solostücke erwähnt: „Fräul. Hansen spielte mit außerordentlicher Tüchtigkeit Ballade von Brahms und eine Etude von Mendelssohn“. Sie galt, so dieselbe Zeitung drei Jahre später, als die „beste hiesige Pianistin“.

Im Jahr 1889 unternahmen die Geschwister eine Konzertreise nach England. Aus West Hartlepool hieß es, diesmal über solistische Darbietungen: „A piano solo, selections from Chopin and Godard, served to show Miss Agnes Hansen’s wonderful skill as an executant. She was enthusiastically encored“.

Am 31. Mai 1892 heiratete Agnes Hansen Siegfried Adolph Adler (1838–1910). Die Ehe wurde offenbar nach wenigen Jahren geschieden. Eine Tochter, Sigrid, geboren im Jahr 1895, ging aus der Verbindung hervor. Ihre musikalische Karriere setzte die Pianistin unter dem Namen Agnes Adler fort. Zu den bis 1909/1910 regelmäßig in København verzeichneten Auftritten traten Konzerte in den weiteren skandinavischen Ländern. Auf den Programmen erschienen weiterhin hauptsächlich kammermusikalische Werke. Seit 1898 arbeitete sie regelmäßig mit der Sängerin Ellen Nathalie Nina Beck (1873–1953) zusammen.

Daneben scheint Klavierunterricht einen wichtigen Platz im Leben der Musikerin eingenommen zu haben. Zu ihren SchülerInnen zählen u. a. die dänischen und norwegischen PianistInnen Ellen Margarethe Jørgensen, Sara Gilbert, Ester Vagning, Helge Bonnén, Richard Hove, Rudolph Simonsen, Ove Peters und Anne-Marie Ørbeck. Neben ihren zahlreichen Privatstunden war sie von 1900 bis 1932 an Københavns Musikkonservatorium als Lehrerin tätig.

Im Jahr 1914 gründete die Pianistin zusammen mit dem Cellisten Louis Jensen und dem Violinisten Peder Møller das „Agnes Adler Trio“. Die musikalischen Aktivitäten konzentrierten sich auch hier vorwiegend auf den skandinavischen Raum, was entsprechend auch das „Dictionary of Pianists“ vermerkt .
Am 26.März 1923 wurde Agnes Adler wegen ihrer Verdienste von Kong Christian X. mit dem dänischen Kunstpreis „Ingenio et arti“ ausgezeichnet.

Agnes Adler verstarb am 11. Oktober 1935 in ihrer Geburtsstadt København.

von

Günter Schwarz – 19.02.2018