(Canberra) – Nicht nur in Deutschland sowie in Dänemark und zahlreichen anderen Ländern, in denen Kinder in sozialen und kirchlichen Einrichtungen und Institutionen Opfer sexueller Gewalt wurden und vielleicht noch werden, ist der Abscheu in der Bevölkerung gegen diese pädophilen Kinder- und Jugendbetreuer öffentlich zumindest riesengroß. Betreuer, Trainer, Pastoren, Priester usw., die sich an den ihnen anvertrauten Schutzbedürftigen sexuell vergangen haben und eventuell noch vergehen, finden in der Öffentlichkeit und damit im Volk keinerlei Verständnis.

Ganz anders sieht es da allerdings bei den uns vertretenen Politikern und in denen im Kindermissbrauch involvierten Einrichtungen und Institutionen aus – mögen es Sportvereine. staatliche oder kirchliche Jugendtreffs oder Einzelpersonen der „heiligen christlichen Kirchen“ sein. Sie verschließen sich in der Regel jeder gründlichen Aufklärung derartiger Fälle und von Wiedergutmachung in irgendeiner Form distanzieren sie sich vehement.

Australiens Premierminister Malcolm Turnbull von der konservativen Liberal Party of Australia macht unseren Politikern vor, wie damit zu verfahren ist – auch wenn die Greueltaten nicht ungeschehen gemacht werden können, so werden sie in Australien jedenfalls als das angesehen, was sie waren und sind: scheußliche Verbrechen! Und der Premier spricht den Opfern zumindest einen finanziellen Schadensersatz oder ein Schmerzensgeld zu, das diese Bezeichnung auch verdient, statt nur halbherzig gemeinte Entschuldigungen, die den betroffenen Kindern nicht helfen, abzugeben, wie es hierzulande Usus ist.

In Australien wurden erwiesenermaßen über 14.000 Menschen als Kinder Opfer sexueller Gewalt, und sie sollen vom Staat eine finanzielle Entschädigung erhalten. Die beiden bevölkerungsreichsten Bundesstaaten New South Wales und Victoria kündigten an, von Juli an im Einzelfall bis zu 150.000 AUD (Australischer Dollar / 95.700 Euro) auszuzahlen.

Premierminister Malcolm Turnbull forderte die katholische Kirche und andere Institutionen auf, sich ebenfalls an dem Programm zu beteiligen. Das Geld ist für Frauen und Männer gedacht, die als Kinder von Mitarbeitern öffentlicher Einrichtungen und von Mitgliedern der katholischen Kirche systematisch missbraucht worden sein sollen – oft über Jahre hinweg.

Allein in New South Wales und Victoria teilen mehr als 14.000 Menschen dieses Schicksal. Insgesamt geht es jedoch um mehrere zehntausend Fälle aus den Jahren 1960 bis 2015. Experten gehen davon aus, dass gegen 60.000 Menschen Anspruch auf solche Zahlungen erheben können.

Insbesondere die katholische Kirche Australiens steht wegen des Missbrauchsskandals in der Kritik. Nach den Recherchen einer offiziellen Ermittlungskommission sollen sich sieben Prozent von Australiens katholischen Priestern an Kindern vergangen haben. Australiens Bischofskonferenz hat sich zwar entschuldigt; zu einer finanziellen Entschädigung an die Opfer ist sie bislang aber nicht bereit.

Turnbull machte aber deutlich, dass er insbesondere die Kirche in der Pflicht sieht. Wer sich dem Programm verweigere, würde „sehr hart“ beurteilt, mahnte der konservative Regierungschef. Zugleich kündigte er an: „Wenn die Kirche, eine wohltätige Organisation oder eine andere Institution nicht mitmacht, werden wir zum Lautsprecher greifen und dafür sorgen, dass sie unterschreiben.“

Die Entschädigungszahlungen gehen auf die Empfehlungen einer Kommission zurück, die nach jahrelangen Untersuchungen Ende 2017 ihren Abschlussbericht vorgelegt hatte. Sie hatte sogar eine Ausgleichszahlung von 200.000 AUD (127.600 Euro) vorgeschlagen. Bislang hat sich außer den beiden Bundesstaaten noch niemand zur Mitwirkung bereit erklärt. Die Verhandlungen zwischen der Zentralregierung in Canberra und anderen Bundesstaaten laufen noch.

Nach offiziellen Zahlen haben allein in New South Wales 9.000 Opfer von sexueller Gewalt Anspruch auf Geld. In Victoria sind es 4.000. Ausgeschlossen sind Leute, die später selbst andere sexuell missbraucht haben. Wer zu einer Haftstrafe von fünf Jahren oder mehr verurteilt wurde, bekommt ebenfalls nichts. Opferverbände begrüßten die Ankündigung der beiden Bundesstaaten.

Dem Abschlussbericht der Kommission zufolge wurden über sechseinhalb Jahrzehnte hinweg Kinder in mindestens 4.000 Einrichtungen missbraucht – in Schulen, Kirchen, Heimen, Internaten. Die Mehrheit der Opfer waren Knaben. Durchschnittlich waren sie nicht einmal zwölf Jahre alt. In vier von fünf Fällen blieb es nicht bei einem Mal.

von

Günter Schwarz – 10.03.2018