Recep Tayyip Erdoğan unterstützt den Islam, wo er nur kann. Der türkische Präsident beabsichtigt damit den Einfluss seiner Religion in der ganzen Region zu verstärken. Der Sieg der türkischen Armee im Norden Syriens in der Provinz Afrin ist ein Punktegewinn nicht nur für ihn, sondern aus seiner Sicht ist es vor allem ein Sieg für den Islam nach der Prägung und dem Verständnis des türkischen Präsidenten.

Die Türkei ist im Norden Syriens einmarschiert und hat inzwischen kurdische Gebiete in und um Afrin erobert und plündern die noch dort verbliebene Bevölkerung der Kurden „im Namen des Islam“ hemmungslos aus . Die Kurden der Region begraben jegliche Hoffnungen auf Autonomie. Und sie rechnen damit, dass sie künftig den Befehlen aus Ankara gehorchen müssen. Denn die Türkei hat regionale Interessen, ähnlich wie der Iran. Es ist deshalb nicht damit zu rechnen, dass Präsident Erdoğan die türkischen Soldaten bald aus dem eroberten Gebiet zurückziehen wird.

Ankara, vermuten Kenner der Türkei, werde als Erstes versuchen, einen Teil der syrischen Flüchtlinge, die in der Türkei Zuflucht vor dem Bürgerkrieg gesucht hatten, in Afrin anzusiedeln. Damit hofft Erdoğan, die sozialen Spannungen in seinem Land etwas abzubauen. Danach wird er sich der zivilen Infrastruktur annehmen. Die Türkei wird sich nicht nur für die Sicherheitskräfte zuständig erklären, sondern auch für Schulen. Der Sieg der türkischen Armee im Norden Syriens ist ein Punktegewinn nicht nur für Erdoğan, sondern, aus seiner Sicht, auch für den Islam. Denn Erdoğan will den Einfluss seiner Religion in der ganzen Region und möglichst darüber hinaus verstärken. So unterhält er beste Beziehungen zur radikal-islamischen Hamas. In Quatar zeigt er militärische Präsenz und baut sich einen Stützpunkt.

Auch auf dem Balkan verstärkt er seinen Einfluss, wie das Beispiel Albanien zeigt. In der Hauptstadt Tirana finanziert die Türkei die größte Moschee auf dem Balkan. In einem Land, in dem sich rund 70 Prozent der Bevölkerung zum Islam bekennen, wäre das eigentlich kaum der Rede wert. Aber Albanien ist bekannt für seinen „Islam light“. Alkoholkonsum ist dort kein Problem: Fröhliche Werbespots ermuntern zum Bierkonsum, und Moslems betreiben Weinkeller, als wäre das für sie die selbstverständlichste Sache der Welt. Nach den in muslimischen Ländern sonst üblichen Begleiterscheinungen sucht man vergebens. Kleidervorschriften für Frauen kennt man in Albanien nicht, und der intellektuelle Diskurs kennt keine religiösen Scheuklappen. – Noch nicht!

Albaniens Muslimenchef Mucaj will die Menschen jetzt aber davon überzeugen, dass es gut für sie ist, den Weg der Religion zu befolgen, wie er in Tirana sagte. Er ist stolz auf seine bisherigen Erfolge. Es lasse sich bereits feststellen, dass in Albanien immer mehr Frauen ein Kopftuch tragen, sagt er.

Ohne ausländische Hilfe hätte sich Albanien, wo das Pro-Kopf-Einkommen auf dem Niveau Ägyptens ist, den Bau der neuen Mega-Moschee nicht leisten können. Dankbar nahm Mucaj deshalb das Angebot der Türkei an, das 30 Millionen Euro teure Projekt zu finanzieren. Für die Grundsteinlegung war Erdoğan aus Ankara angereist. Damit unterstrich er die geostrategische Bedeutung seiner Investition im europäischen Randgebiet. Im Volksmund nennt man das neue Statussymbol des Islam denn auch „Erdogan-Zentrum“. Hier werden ab 2018 rund 4.000 Gläubige beten – 3.000 im Innern der neuen Moschee und 1.000 draußen. Integriert werden zudem ein Konferenzzentrum und eine Bibliothek. Der Islam türkischer Prägung wird damit in Albanien institutionalisiert.

Erdoğan versucht in Albanien, wo sich der Islam traditionell tolerant und nicht kämpferisch gibt, seine strengen Vorstellungen vom Islam durchzusetzen. Dass das gegenüber früher ein Rückschritt in die Monokultur ist, zeigt die Facebook-Seite eines Zürcher Rechtsanwalts, wonach Erdoğan den Einfluss des Islam in der ganzen Region verstärken will.

Der Anwalt hat unter der Überschrift „Before Sharia Spoiled Everything“ (Bevor die Scharia alles zerstörte) historische Fotografien aus der Türkei und anderen muslimischen Ländern zusammengetragen, um zu dokumentieren, wie reichhaltig, frei und fröhlich die Gesellschaft war, bevor sie unter die Knute der islamischen Fanatiker des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan kam.

Kopftücher in türkischen Städten sind in den Erinnerungsbildern die Ausnahme. Zu sehen sind vielmehr Frauen mit kurzen Röcken, Bikinis und Biergläsern in der Hand. Der Kontrast zur heutigen Türkei, die sich vom Säkularismus Atatürks verabschiedet hat, könnte krasser kaum sein. Denn vor Jahrzehnten hatten die Menschen die Wahl, sich zwischen verschiedenen Lebensstilen zu entscheiden. Dem setzen Erdoğan & Co. nun ein Ende.

von

Günter Schwarz – 21.03.2018