(Herlev) – Zwei groß angelegte Studien aus Dänemark weisen auf einen Zusammenhang zwischen hormoneller Verhütung durch die Pille und Depression hin. Die dänischen Studien bringen hormonelle Verhütung in Zusammenhang mit Depression und sogar Suizid. Bei Jugendlichen ist das Risiko für psychische Nebenwirkungen besonders hoch.

Immer mehr junge Frauen kehren der hormonellen Verhütung wie etwa Antibabypille, Hormonspirale oder Vaginalring den Rücken, wie Verhütungscoach Bea Loosli sagt. Sie hat es sich zur Aufgabe gemacht, Frauen über hormonfreie Verhütungsalternativen zu informieren. Ihre Infoabende sind restlos ausgebucht. Sie sagt: „Viele Hormonelle Verhütungsmethoden täuschen den Frauen permanent die zweite Zyklushälfte vor. Der Eisprung bleibt aus und das vertragen viele Frauen nicht“. Es raube den Frauen die Lust und die Lebensfreude.

Mehr noch. Manche Frauen klagen über depressive Verstimmungen und berichten von echten Depressionen. Sie sind überzeugt, dass die Einnahme von hormonellen Verhütungsmitteln schuld daran ist, wie Gespräche an einem von Looslis Infoabenden für Frauen zeigen.

Schon im August 2016 wurd eine dänische Studie publik, welche diesen Verdacht stützt. Forscher rund um den Gynäkologen Prof. Dr. Oejvind Lidegaard vom Amtssygehuset (Krankenhaus) in Herlev, haben Daten einer Million dänischer Frauen analysiert. Die Daten stammen aus dem öffentlichen Gesundheitsregister Dänemarks. Lidegaard wollte wissen, ob Frauen die hormonell verhüten, öfter psychische Probleme haben.

Speziell die Altersgruppe der 15 bis 19-Jährigen sticht in der Analyse heraus. Ihr Risiko, depressive Zustände zu haben, sei bei kombinierten Antibabypillen 1,8 Mal und bei der Minipille 2,2 Mal so hoch – fast doppelt so hoch also, wie bei Frauen, die ohne Hormone verhüten. Bei nicht oralen Verhütungsmitteln, wie dem Vaginalring, dem Patch oder der Hormonspirale sei das Risiko, depressive Zuständen zu erleiden, sogar dreimal so hoch. Dieses steht immer im Vergleich zu Frauen, die nicht hormonell verhüten. Ausschlaggebend war, ob eine Frau Antidepressiva verschrieben bekam.

In absoluten Zahlen betrifft es über alle Altersgruppen hinweg nur wenige Frauen. Beispiel: Von 10.000 Frauen, die ein Jahr lang mit Hormonen verhüteten, mussten 220 Antidepressiva nehmen. Bei den Frauen, die ohne Hormone verhüteten, waren es 170 Frauen.

Im August 2017 publizieren die dänischen Forscher um Oejvind Lidegaard erneut eine Studie zum Thema. Diesmal gehen sie einen Schritt weiter: Sie untersuchen Suizid und Suizidversuch im Zusammenhang mit der hormonellen Verhütung bei jungen Frauen.

Laut den Forschern ist das Risiko für einen Suizidversuch rund zweimal so hoch. Das Risiko für einen Suizid sogar rund dreimal so hoch. Am höchsten ist das Risiko laut Studie in den ersten zwei Monaten nach Beginn der hormonellen Verhütung. Dies immer im Vergleich zu Frauen, die nicht hormonell verhütet haben.

Der Autor weist darauf hin, dass seine Resultate bei Langzeit-Verhütungsmitteln etwa Hormonspiralen oder Stäbchen ungenau sein könnten, da diese oft an Frauen verschrieben würden, die behindert oder schwer psychisch krank seien oder in Kliniken lebten.

Wie sind diese Studien zu gewichten sind beantwortet Gabriele Merki, Präsidentin der europäischen Kommission für Verhütung und Gynäkologie am Universitätsspital Zürich. Sie kritisiert die Studien scharf. Sie sagt: „Die Studien sind methodisch absolut ungenügend“. Einerseits weil die Autoren die „Verschreibung von Antidepressiva“ als Hauptfaktor nähmen. Wenn man nur die Zahlen zur Diagnose Depression und dazu die absoluten Zahlen anschaue, relativiere sich das Bild.

„Was die Lidegaard Studie zeigt (…) ist, dass auf 10.000 Frauen zwei mehr eine Depression haben. Das ist sehr wenig“. Außerdem seien die Daten der Studie so erhoben, dass man keinen kausalen Zusammenhang zwischen der Pilleneinnahme und Depressionen herstellen kann. Es fehlten zu viele Informationen.

Ganz anders sieht es Gerd Glaeske, Pharmakologe an der Uni Bremen und bekennender Pharmakritiker. Glaeske kennt die Studienlage zu den Nebenwirkungen der hormonellen Verhütung. Er sagt: „Die Studien von Oejvind Lidegaard sind methodisch sehr gut gemacht. Sie weisen auf ein ernstes Problem hin.“ Glaeske fordert die Heilmittelbehörden dazu auf, umgehend darauf zu reagieren. Sie müsste dringend mehr Studien zum Thema einfordern.

Die EMA, die Europäische Arzneimittelbehörde, hat im Januar zur Suizid-Studie ein sogenanntes Signalverfahren eröffnet. Sie will dem Hinweis auf Suizid unter hormoneller Verhütung nachgehen und hat von den Forschern weitere Unterlagen angefordert.

von

Günter Schwarz – 12.04.2018