(Berlin) – Anfang Woche wurde am Dienstag ein Mann im Berliner Multikulti-Szenenquartier Prenzlauer Berg mit einem Gürtel attackiert. Der Mann, selber nicht Jude, trug eine Kippa und wurde als Jude beschimpft. Die Angreifer beschimpften ihr Opfer als „Yahudi“, was eine abfällige Benennung der Juden im Arabischen ist. Solche Szenen kommen in Deutschland vermehrt vor. Offensichtlich ist es zunehmend problematisch, sich offen als Jude erkennen zu geben, und zwar offenbar eher im großstädtischen Bereich, wo es ein latentes Bedrohungspotenzial gibt.

Der 21-jährige angegriffene Adam Armosch aus Israel – berichtete, einer seiner Berliner Freunde habe ihm am Tag zuvor eine Kippa geschenkt, jedoch mit dem Hinweis, diese in Berlin nicht auf der Straße zu tragen. Er habe diese Warnung ignoriert, weil er sich nicht habe vorstellen können, dass Juden in Berlin bedroht würden.

Jedoch nicht nur im Land lebende muslimische Flüchtlinge – wie im Berliner Vorfall geschehen – und bereits seit langem hier ansässige Türken muslimischen Glaubens sondern auch immer mehr Deutsche äußern sich offen antisemitisch. Auf diese Tendenz hat der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland hingewiesen. Immer mehr antisemitische Zuschriften erreichten den Zentralrat – auf denen oft auch Name und Adresse der Absender zu erkennen sind.

Juden werden nicht nur auf der Straßen sondern auch in Zeitschriften beschimpft, diffamiert, bedroht. Beim Zentralrat der Juden kennt man das schon, und doch ist etwas neu daran , denn seit einiger Zeit tragen diese Zuschriften immer öfter auch Klarnamen und Adresse des Absenders, was nicht immer so war.

Beobachtungen des Zentralrats deuten darauf hin, dass sich hier etwas verändert. Und eine Studie der TU Berlin hat herausgefunden, dass derartige Zuschriften hauptsächlich von Mitgliedern aus der Mittel- und Oberschicht kommen. Handelt es sich bei diesen Sachverhalten um einen neue Form des Antisemitismus oder werden alte Stereotype reproduziert? Die Antwort lautet, dass es sowohl als auch so ist. Zumindest nutzen Menschen stereotypische Vorurteile gegenüber Juden vermehrt in Kombination mit anderen Themen.

Antisemitismus, Islamophobie und Rassismus gehen Hand in Hand, und vermutlich wissen viele Menschen gar nicht, welche braunen Bilder aus der deutschen Geschichte sie damit zurück ins heute holen. Die Universität Bielefeld hat in einer mehrjährigen Studie nachgewiesen, dass gruppenbezogene menschenfeindliche Einstellungen wie Islamophobie, Rassismus und Antisemitismus in hohem Maße zusammenhängen. Das heißt: die Wahrscheinlichkeit, dass jemand Vorurteilen gegenüber Juden auch stereotypisch über Muslime denkt, ist sehr hoch. Das Gebot der Stunde scheint also, die gesellschaftliche Toleranz insgesamt zu fördern.

von

Günter Schwarz – 20.04 .2018