Der Schriftsteller und Journalist Herman Joachim Bang wird am 20. April 1857 in Asserballe, 13 Kilometer nordöstlich von Sønderborg, auf der Insel Als (Alsen) geboren.

Herman Joachim Bang, der Sohn eines Pastors, studierte auf Wunsch seines Großvaters Oluf Lundt Bang ab 1875 Jura und Staatswissenschaften an der Universität København, um Diplomat zu werden. Er gab sein Studium allerdings 1877 auf und wurde, nach vergeblichen Versuchen, sich als Schauspieler zu profilieren, ab 1878 bei Københavns führender konservativen Zeitung, dem „Dagbladet“ Journalist.

Im Spätherbst 1879 dann bekam er bei der „Nationaltidend“, einer neuen, eher an Beamte und Kaufleute gewandten Zeitung, die Möglichkeit, eine neue Form des Feuilletons zu entwickeln, oder wie er selbst sagte, „in neuer und wirrer Weise zu schreiben“. Unter der Rubrik „Vekslende Themaer“ (Wechselnde Themen) verfasste er über vier Jahre lang mehr als 200 Sonntagsfeuilletons über so ziemlich alles, was in Kongs Christians IX. København geschah. Sein Vorbild war hierbei das französische Kulturfeuilleton des Zweiten Kaiserreichs mit seinem bunten Gemisch von literarischer Kritik und Erlebnisjournalismus, der auch Reiseberichte, Wanderungen in der Natur oder der Großstadt sowie Porträts interessanter Personen einschloss.

Schon bald war Herman Bang der bedeutendste dänische Journalist seiner Zeit, aber auch sehr kontrovers diskutiert. Er lebte das Leben eines Dandys, inszenierte sich als Gesamtkunstwerk nach dem Vorbild von Huysmans und Wilde; seine homosexuellen Neigungen zeigte er auch öffentlich, was ihm manche Anfeindungen und Isolation in Dänemark eintrug.

Sein erster Roman „Haabløse Slægter“, 1880 (dt. „Hoffnungslose Geschlechter“, 1900) erregte einen Skandal und wurde wegen „Unsittlichkeit“ beschlagnahmt. Bang litt unter Depressionen und, als Folge seiner Drogensucht, auch an epileptischen Anfällen.

Ein Artikel für eine norwegische Zeitung, in der er abfällige Bemerkungen über die deutsche Kaiserfamilie gemacht hatte, beendete 1886 abrupt seine Hoffnungen, bei der vornehmen liberalen Zeitung „Berliner Tageblatt“ eine Karriere als Mitarbeiter zu beginnen. Er wurde aus Deutschland ausgewiesen, reiste zuerst nach Meiningen, dann nach Wien und schließlich nach Prag.

In dieser Zeit schuf er unter ärmlichen Verhältnissen einige seiner literarischen Werke (u. a. die Romane „Am Weg“ [1886 in Wien] und „Stuck“ (dt. auch als: „Zusammenbruch“, 1887). In Wien und Prag lebte er mit dem deutschen Schauspieler Max Eisfeld (1863–1935), den er am Hoftheater in Meiningen kennen und lieben gelernt hatte, zusammen.

Bang blieb zunächst weiter auf den Journalismus als Broterwerb angewiesen, neben Lesungen, Vorträgen und Theaterinszenierungen. Erst nach 1890 fanden seine Romane und Novellen mehr und mehr Anerkennung, und er gelangte schließlich zu europaweiter Bekanntheit. Er gilt heute als einer der führenden Vertreter des literarischen Impressionismus, und seine Werke waren bis in die dreißiger Jahre sehr einflussreich. Seine literarischen Werke erschienen auf Deutsch im Verlag von Samuel Fischer.

Bangs erste Veröffentlichungen waren essayistischer Art, bis er 1880 seinen ersten Roman „Hoffnungslose Geschlechter“ in einer Auflage von 1.500 Stück verlegte, der 1881 in 2. Instanz vom Højesteret (Oberster Gerichtshof) wegen Obszönität eingezogen wurde. Eine zweite, von Bang selbst stark bereinigte und geänderte Auflage in Höhe von 2.000 Büchern, erschien 1884; diese wurde die Vorlage aller deutschen Ausgaben, die auf eine einzige deutsche Übersetzung zurückgehen. Eine dritte, endgültige und mit orthographischen Korrekturen versehene Auflage erschien 1905. Nur die zweite Auflage wurde von einem anonymen Übersetzer ins Deutsche übersetzt, während die verbotene erste Auflage von 1880 erstmals 2013 ins Deutsche übersetzt wurde.

Bang war anfangs noch dem Naturalismus verhaftet und wurde von Émile Zola, Henrik Ibsen und Charles Darwin beeinflusst. Auch Iwan Sergejewitsch Turgenew und Jonas Lie sind als literarische Vorbilder zu nennen.

In seiner weiteren künstlerischen Entwicklung wurde Bang zum Schöpfer des dänischen Impressionismus und der Repräsentant der dänischen Dekadenz. Bang schilderte meisterhaft das Leben „unbedeutender“ Menschen sowie einsamer und isolierter Frauengestalten. Mehrere seiner Romane wurde später auch verfilmt.

Romane und Novellen:

– Paria’er. 1878 (lag nur als Manuskript vor, Erstausgabe durch Dag Heede 2002).
– Realisme og Realister. 1879.
– Hverdagskampe og Du og jeg. 1879.
– Haabløse Slægter. Roman. 1880, 2. Aufl. 1894, 3. Aufl. 1904. Deutsch: Hoffnungslose Geschlechter. 1900. Neuausgabe: Männerschwarm Verlag, Hamburg 2013, ISBN 978-3-86300-147-6. Übersetzt von Gabriele Haefs.
– Fædra. 1883. Deutsch: Gräfin Urne. 1905.
– Excentriske Noveller. Novellen 1885. Deutsch: Exzentrische und stille Existenzen. 1964. Neuausgabe: Exzentrische Existenzen. Erzählungen und Reportagen. Übersetzt von Ulrich Sonnenberg. Insel, Frankfurt a. M. 2007, ISBN 978-3-458-17341-0.
– Stille Existenser. Erzählungen. 1886. Deutsch: Exzentrische und stille Existenzen. 1964.
– Danserinden Frøken Irene Holm. Erzählung 1886. Deutsch: Irene Holm. 1911.
– Ved Vejen. Roman. 1886. Deutsch: Am Weg. 1898. Manesse, Zürich 2006, ISBN 3-7175-2116-0.
– Stuk. Roman 1887. Deutsch: Stuck. 1982. Manesse, Zürich 2005, ISBN 3-7175-2074-1.
– Tine. Roman. 1889. Deutsch: Übersetzt von Ingeborg und Aldo Keel. Manesse, Zürich 2011, ISBN 978-3-7175-2240-9.
– En dejlig Dag. Erzählung. 1890. Deutsch: Ein herrlicher Tag. 1921.
– Ti Aar – Erindringer og Hændelser 1891. Deutsch: Wechselnde Themen / Zehn Jahre – Erinnerungen und Begebenheiten. Übersetzt von Dieter Faßnacht. Norderstedt 2011, ISBN 978-3-8448-6761-9.
– Ludvigsbakke. Roman. 1896. Deutsch: Ludwigshöhe. 1908. Deutsch: Ludvigshöhe. Roman. Aus dem Dänischen von Ingeborg und Aldo Keel. Manesse, Zürich 2014.
– Det hvide Hus. Roman. 1898. Deutsch: Das weiße Haus. 1910. Suhrkamp, Frankfurt a. M. 1979. Insel Taschenbuch 3256 zusammen mit: Det graa Hus / Das graue Haus 2007, ISBN 978-3-458-34956-3.
– Udvalgte Fortællinger. 1899. Erzählung. Deutsch: Ihre Hoheit. Übersetzt von Ulrich Sonnenberg. Insel, Berlin 2011, ISBN 978-3-458-19344-9.
Sommerglæder. Erzählung. 1902. Deutsch: Sommerfreuden. 1996. Manesse, Zürich 2007, ISBN 978-3-7175-2126-6.
– Mikaël. Roman. 1904. Deutsch: Michael. Männerschwarm, Hamburg 2012 [Reprint] = 1926, ISBN 978-3-86300-063-9. Übersetzt von Julia Koppel.
– De uden Fædreland. Roman 1906. Deutsch: Die Vaterlandslosen. 1912.
– Aus der Mappe. Novellen. Übersetzt von Julia Koppel. Bondy, Berlin 1908.
– De fire Djaevle. Erzählungen. 1890. Deutsch: Die vier Teufel.S. Fischer, Berlin 1897. Übersetzt von Ernst Brausewetter.
– Vekslende Themaer (Reportagen und Essays in der Nationaltidende 1879–1884). Kopenhagen 2007. Hrsg. von Sten Rasmussen und Det Danske Sprog- og Litteraturselskab. Kritische Erstausgabe in dänischer Sprache. ISBN 978-87-7876-465-2 (4 Bände). Deutsch: Wechselnde Themen / Zehn Jahre – Erinnerungen und Begebenheiten. (Auswahl). Norderstedt 2011, ISBN 978-3-8448-6761-9. Übersetzt und kommentiert von Dieter Faßnacht.

Verfilmungen

Kinofilme:

1911: De fire djævle. DK 1911, Regie: Alex Christians, Robert Dinesen (Verfilmung der Novelle „Die vier Teufel“)
1916: Vingarne (dt. Titel: Ikarus). SWE 1916, Regie: Mauritz Stiller (Verfilmung von „Michael“)
1924: Michael. D 1924, Regie: Carl Theodor Dreyer
1928: Four Devils (Vier Teufel). USA 1928, Regie: Friedrich Wilhelm Murnau (dt. Tonfilm-Fassung 1930)
1940: Sommerglæder. DK 1940, Regie: Svend Methling (Verfilmung von „Sommerfreuden“)
1964: Tine. DK 1964, Regie: Knud Leif Thomsen
1988: Ved Vejen (engl. Titel: Katinka). DK/SWE 1988 Regie: Max von Sydow (Verfilmung von „Am Weg“)

Fernsehfilme:

1975: Am Wege (Südwestfunk (SWF), Wien-Film), Regie: Peter Beauvais
1976: Ein herrlicher Tag, (Ursina Film-u. Fernsehproduktion, Zweites Deutsches Fernsehen (ZDF)) Regie: Diethard Klante
1978: Ludvigsbakke (Danmarks Radio (DR), Norddeutscher Rundfunk (NDR)), Regie: Jonas Cornell, Zweiteiler

Viele Vortragsreisen führten ihn durch Europa und in die USA. Auf einer dieser Vortragsreisen, im Zug auf der Reise von New York nach San Francisco, erlitt Bang einen Schlaganfall und starb in der Klinik von Ogden im amerikanischen Bundesstaat Utah. Von den USA wurde sein Leichnam überführt, und er wurde auf dem Vestre Kirkegård in København beigesetzt. Das Grab ist zwar anonym, aber es ist dennoch identifizierbar, da es sich unter einer Blutbuche befindet.

Thomas Mann schrieb 1902 in einem Brief: „Jetzt lese ich beständig Herman Bang, dem ich mich tief verwandt fühle.“ Dessen Sohn Klaus Mann beschreibt in seiner Erzählung „Reise ans Ende der Nacht“ Bangs letzte Stunden ebenso wie Friedrich Sieburg in „Der Tod eines Dichters“.

von

Günter Schwarz – 20.04 .2018