(Nuuk) – Grønland, die größte Insel der Welt, wählt am heutigen Dienstag ein neues Parlament. Sieben Parteien treten an, von denen sechs ein Wunsch eint: Sie wollen die Unabhängigkeit von Dänemark. Obwohl die Insel nur eine vom Fischfang abhängige Wirtschaft hat. So stellt sich die Frage nach dem „Wann“ auch jene nach dem „Wie“ eine Unabhängigkeit realistisch ist und erfolgreich sein kann.

Um die Wirtschaft der 56.000-Einwohner-Insel ist es alles andere als gut bestellt, ein Überleben ohne die Gelder aus København scheint unmöglich. Allerdings hat Grønland einen Plan: den Klimawandel. Er soll die raren Bodenschätze unter der Eisdecke freilegen und der Insel so die Unabhängigkeit sichern. Eine zentrale Rolle soll dabei China spielen – der Staat könnte auf der „Eisinsel“ wiederholen, was er in mehreren afrikanischen Staaten bereits vorgemacht hat.

Die Insel ist derzeit finanziell fest an Dänemark gekettet. Rund 410 Millionen Euro kommen jährlich aus København – das ist fast die Hälfte des grönländischen Budgets. Wenn die zwei großen Parteien, Siumut und Inuit Ataqatigiit (AI), heute in einem Kopf-an-Kopf-Rennen um den ersten Platz streiten, gilt es vor allem, eine Alternative für das Geld aus Dänemark zu finden.

Eine Option dafür ist der Tourismus. In der Hauptstadt Nuuk (dänisch: Godthåb) blickt man neidvoll auf Island, wo sich die Urlauberzahl in den vergangenen Jahren von 600.000 im Jahr 2000 auf 1,8 Mio. 2016 verdreifacht hat. Vor allem mit Kreuzfahrt- und Abenteuerreisen will Grønland nun locken. Doch ohne Infrastruktur keine Urlauber – und an der mangelt es in Grønland an allen Ecken und Enden. Zwischen den rund 80 Siedlungen gibt es bis heute keine Straßen, nur ein Flughafen wickelt internationale Flüge ab. Abhilfe sollen chinesische Investoren schaffen.

China spielt auch die Hauptrolle im „Plan A“ der grönländischen Regierung. Dieser setzt paradoxerweise auf ein ökologisches Desaster: den Klimawandel. Derzeit sind rund 80 Prozent der Insel von Eis bedeckt, doch steigende Temperaturen lassen die Eisdecke rasch schmelzen. Dabei sind alle Augen auf die wertvollen Bodenschätze gerichtet, die darunter vermutet werden: Öl, Uran, Erze und seltene Erden, die zur Produktion von Elektronikprodukten, Elektro- und Hybridautos gebraucht werden.

Noch sind die Rohstoffe ein Joker, den die grønländische Regierung nicht ausspielen kann. Die Hoffnungen in große Bergbauprojekte haben sich bis dato nicht erfüllt. Offenbar sind die Verhältnisse noch zu rau – bis die Rohstoffe tatsächlich leicht förderbar sind, dürfte es noch Jahrzehnte dauern. Doch die Charmeoffensive zwischen China und Grønland ist voll am Laufen. Erst im vergangenen Jahr war Premier Kim Kielsen von der sozialdemokratischen Partei Siumut nach China gereist, um Investoren anzuwerben.

Dass Peking strategische Investitionen in die Infrastruktur anderer Staaten nicht scheut, hat es bereits in zahlreichen afrikanischen Ländern beweisen. Und dass China als „Nachbarstaat“ in der Arktis mitmischen will, daraus macht es ebenfalls keinen Hehl. Erst im Januar veröffentlichte die Regierung ein Weißbuch für die „Polare Seidenstraße“, in dem sie zu Investitionen in der Arktis riet. China schielt dabei unter anderem auf neue Seewege, die durch den Klimawandel entstehen und schnellere Routen von Asien nach Europa bieten.

Dabei dürfte China in dem vom zahlreichen innenpolitischen Problemen geplagten Grønland gute Chance sehen, in der Arktis einen Fuß in die Tür zu bekommen. Damit wäre die Präsenz des Landes in einer geopolitisch heiklen Position gesichert. Das sorgt wiederum für Ärger in den USA und der EU. Mehrmals kamen aus København Mahnungen, die vor dem chinesischen Engagement auf der Insel warnen.

Derzeit liegt die Außenpolitik Grønlands noch in der Hand Dänemarks – sollte sich Grønland für die Unabhängigkeit entscheiden, wäre es damit vorbei. Doch selbst wenn es so weit kommt, dürfte es laut den großen Parteien noch Jahrzehnte dauern. Es gilt, auf die Förderbarkeit der Rohstoffe zu warten. Vor allem die seltenen Erden, auf die China nahezu ein Monopol hat und die für Smartphones und andere technische Geräte unverzichtbar sind, dürften dann noch gefragter sein als jetzt schon.

Bis dahin hat die Insel noch zahlreiche gesellschaftliche Probleme zu lösen. Zu ihnen gehört die Sprache: Etwa jeder zweite Grönländer versteht Studien zufolge nur sehr wenig oder gar kein Dänisch – obwohl das die Amtssprache ist. Auch Arbeitslosigkeit, Bildung, Wohnungsbau und Fischfangquoten, gehören laut Martine Lind Krebs von der grønländischen Vertretung in Dänemark zu den Themen, die bei der Wahl zählen.

von

Günter Schwarz – 24.04.2018