(Hamburg) – Enttäuschung und Entsetzen herrscht in Hamburg über den ersten Abstieg der Clubgeschichte des Traditionsvereins HSV – aber vor allem Entsetzen über eine kleine Gruppe von Chaoten.

Nach 19.985 Tagen bzw. nach fast 55 Jahren in der Fußball-Bundesliga muss der Hamburger SV den bitteren Gang in die Zweite Liga antreten. Rund 100 HSV-Fans sorgten dafür, dass der Abgang des Traditionsclubs noch bitterer wurde als ohnehin schon. Sie zündeten kurz vor Ende der Partie gegen Gladbach Rauchbomben und Pyrotechnik und sorgten für eine Spielunterbrechung. „Dafür habe ich kein Verständnis. Es bleibt ein Stück weit hängen. Aber es bleibt mehr hängen, dass der Großteil der 57.000 die Mannschaft großartig unterstützt hat“, sagte Vorstandschef Frank Wettstein.

Kurzzeitig hatte Hoffnung bestanden an diesem Nachmittag. Als der HSV durch einen Elfmeter von Aaron Hunt früh in Führung gegangen war und fortan auf einen Patzer des VfL Wolfsburg gegen Köln hoffen konnte. Der schien zwischenzeitlich möglich, weil Köln die frühe Wolfsburger Führung durch einen messihaften Treffer von Jonas Hector ausglich und weitere Chancen vergab. Am Ende drehte sich das Schicksal gegen den HSV: Hamburg erfüllte zwar seine Pflicht und gewann durch den 2:1-Siegtreffer von Lewis Holtby (63.). Doch Wolfsburg spielte nicht mit, besiegte Köln noch 4:1. Der VfL trifft in der Relegation auf Holstein Kiel, der HSV geht runter.

Es war letztlich ein unwürdiges Ende für den Traditionsclub nach 55 Jahren in der Ersten Liga. Um 17:21 Uhr flogen dutzende, wenn nicht gar hunderte Böller auf den Platz. Schwarzer Rauch stieg auf, die Polizei stürmte den Platz und zog sofort dichte Schutzriegel vor der Nordtribüne auf, beorderte sogar Hunde und die Reiterstaffel auf den Rasen. Ein Platzsturm konnte verhindert werden, doch es war eine gespenstische Szenerie. Das fand auch die breite Masse, die sich mit Pfiffen und Sprechchören gegen die Chaoten in den eigenen Reihen stellte. Die Aktion dieser Vermummter ruinierte einen trotz des Abstiegs eigentlich gelungenen letzten Auftritt des HSV und spaltete die Fanszene.

Zehntausende hatten weit vor dem Abpfiff das Team von Trainer Christian Titz für seinen erneut spielerisch guten Auftritt gefeiert. Das macht Hoffnung auf eine bessere Zukunft, auch in Liga zwei, schwang dabei mit. Als die Anhänger „Mein Hamburg lieb‘ ich sehr…“ anstimmten, schufen sie sogar einen Gänsehaut-Moment in der bittersten Stunde des so stolzen Traditionsclubs.

Diesmal lief es anders als in all den Jahren zuvor. Bislang hatte sich Hamburg noch aus jeder noch so ausweglosen Situation befreien können, in diesem Jahr war das Glück aufgebraucht. Der HSV als Zweitligist, an diesen Gedanken muss man sich erst gewöhnen. Doch in der Stunde des Abstiegs blieb der Eindruck, dass in Hamburg gerade ein neuer Geist entsteht. Und auch der legendäre 85-jährige HSV-Spieler, Uwe Seeler, behält den Kopf oben – und wünscht sich zu Lebzeiten einen Wiederaufstieg seines Clubs, dem er sein Leben lang die Treue gehalten hat.

von

Günter Schwarz – 13.05.2018