Brüssel will Berlin wegen schlechter Luft verklagen
(Brüssel) – Die drohenden Dieselfahrverbote führen vor Augen, in vielen deutschen Städten ist die Luftqualität schlecht. Die EU-Kommission hat sich zu einem Rundumschlag gegen zu schmutzige Luft entschlossen. Sie verklagt Deutschland und fünf weitere Staaten vor dem Europäischen Gerichtshof. Dies teilte die Brüsseler Behörde am Donnerstag mit.
Die EU-Kommission will Deutschland und andere Länder wegen zu schmutziger Luft in Dutzenden Städten vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Ungarn und Rumänien hätten es versäumt, sich für die Einhaltung der Grenzwerte für Feinstaub oder Stickoxide einzusetzen, sagte EU-Umweltkommissar Karmenu Vella.Er ermahnte die Bundesregierung außerdem erneut wegen ihrer Reaktion auf den Dieselskandal bei Volkswagen.
Bei der Klage geht es um die Missachtung von EU-Grenzwerten für Stickoxide, die bereits seit 2010 verbindlich für alle EU-Staaten gelten. 2017 wurden sie jedoch in 66 deutschen Städten überschritten – in 20 Kommunen sehr deutlich! Verantwortlich gemacht werden vor allem Dieselautos, deren Zahl jahrelang stark zunahm. Nach dem Dieselskandal stellte sich heraus, dass sie im Verkehr viel mehr Schadstoffe ausstoßen als auf den Prüfständen bei ihren Typ-Zulassungen.
Die Kommission hatte schon 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland und andere Länder eingeleitet und die Regierungen immer wieder ermahnt. Die Bundesregierung steuerte unter anderem mit ihrem „Sofortprogramm für saubere Luft“ nach. Beim Dieselgipfel 2017 versprach die Autoindustrie zudem Software-Updates für Dieselautos, die Schadstoff-Emissionen um 25 bis 30 Prozent drücken sollen. Dennoch gelang es nicht, kurzfristig die Grenzwerte einzuhalten, weil insgeheim hinter verschlossenen Türen der großen Automobilhersteller und den verantwortlichen Bundespolitikern weiterhin wacker weiter gemauschelt wurde.
Deutschland drohen Zwangsgelder
In einem zweiten, Ende 2016 gestarteten Verfahren wirft die EU-Kommission der Bundesregierung im Abgasskandal massive Versäumnisse vor. Ein Vorwurf lautet, sie habe Volkswagen nicht für die Manipulation von Schadstoffwerten bei Dieselautos bestraft. Zudem habe die Regierung nicht ausreichend überwacht, dass die Autohersteller die Vorschriften einhalten. Die Bundesregierung hatte sich schon bei Einleitung des Verfahrens gegen diese Vorwürfe verwahrt, ohne sie jedoch überzeugend entkräften zu können.
In diesem Verfahren startet die Kommission nun die nächste Stufe – nicht nur gegen Deutschland, sondern auch gegen Italien, Luxemburg und Großbritannien. Formal bezieht sich das auf die EU-Vorschriften für die Typgenehmigung von Fahrzeugen, die missachtet worden seien. Nach EU-Recht müssten die EU-Staaten „über wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktionssysteme verfügen, um Autohersteller davon abzuhalten, gegen geltendes Recht zu verstoßen“. Bei den vier Staaten sieht die Kommission das nicht gegeben.
Klagen vor dem EuGH gegen EU-Staaten sind nicht ungewöhnlich. Helfen Ermahnungen in einem Vertragsverletzungsverfahren nichts, sind sie der übliche nächste Schritt, um den Rechtsstreit zu klären. Unterliegt Deutschland, könnte die EU-Kommission in einem weiteren Verfahren hohe Zwangsgelder durchsetzen. Allerdings wächst mit den Verfahren schon jetzt der politische Druck, etwas gegen die zu hohen Schadstoffwerte in deutschen Städten und gegen die zu schmutzigen Diesel zu unternehmen. Verkehrsexperten sehen kurzfristig nur zwei Lösungsmöglichkeiten: die Nachrüstung von Dieselfahrzeugen oder Fahrverbote. Das Bundesverwaltungsgericht hatte Fahrverbote in Städten im Februar grundsätzlich erlaubt, solange sie verhältnismäßig sind.
Strenge Grenzwerte für Lkw
Die EU-Kommission kündigte ebenfalls an, nach Autos auch bei Lastwagen den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2) mit neuen Grenzwerten deutlich senken zu wollen. Die durchschnittlichen CO2-Emissionen von schweren Nutzfahrzeugen sollen 2030 mindestens 30 Prozent unter dem Niveau von 2019 liegen, sagte Kommissar Vella. Als Zwischenetappe soll der Ausstoß bis 2025 um 15 Prozent fallen. Dieses Ziel sei verbindlich und könne durch den Einsatz von Technologien erreicht werden, die bereits heute auf dem Markt seien.
Im November hatte die Brüsseler Behörde bereits ähnliche Vorgaben für Autos gemacht. Das EU-Parlament und die Mitgliedsstaaten müssen den Plänen zustimmen.
von
Günter Schwarz – 17.05.2018