Der US-Ausstieg aus dem Iran-Abkommen verschiebt globale Interessen, was nicht nur Irritationen in der Europäischen Union sondern weltweit ausgelöst hat. Das Vertrauen in die internationale Ordnung ist verletzt und Trump Entscheidung hat einen Schaden angerichtet, den Trump selbst in seinem beschränkten geistigen Horizont noch gar nicht überblickt.

In der vergangenen Woche besuchte die Bundeskanzlerin Angela Merkel den russischen Präsidenten Vladimir Putin in seiner Residenz an der Schwarzmeerküste in Sotschi, um mit ihm neben Themen wie die Eskalation in Nahost, Syrien, der Ukraine-Konflikt, das Ostsee-Pipeline-Projekt Nord Stream 2 und das schwierige deutsch-russische Verhältnis insgesamt sowie das Iran-Abkommen zu besprechen.

Am Donnerstag reist jetzt auch Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron nach Sankt Petersburg zu einem zweitägigen Besuch bei Russlands Präsidenten Vladimir Putin. Auch dabei wird das Iran-Atom-Abkommen zu Sprache kommen und einen wesentlichen Teil der Gespräche einnehmen. Die Europäer versuchen zu retten, was noch zu retten ist nach der einseitig getroffenen Entscheidung des US-Präsidenten Donald Trump, das Atomabkommen mit dem Iran aufzukündigen und äußerst restriktive Sanktionen gegen das Land zu erlassen.

Damit stellt sich die Frage, ob der US-Präsident Donald Trump mit seiner Iran-Politik die Europäer in die Arme Russlands treibt? Auf jeden Fall sorgt Trump dafür, dass die Europäische Union und Russland wieder vermehrt über andere Themen als nur über die Ukraine sprechen und sich gegen die US-Politik verbünden müssen. Er treibt sie zwar nicht geradezu in die Arme Putins, denn dafür gibt es noch zu viele Differenzen in anderen Bereichen. Aber die Europäer sehen, dass sie zurzeit neben dem Iran auch bei Handels- oder Energiefragen mehr Gemeinsamkeiten mit Russland haben als mit den USA unter Trump.

Die bisher starke und nahezu unverbrüchliche Allianz der Europäer mit den Vereinigten Staaten von Amerika unter Trumps Amtsvorgängern galt als Säule der internationalen Ordnung. Unter Trump jedoch werden jetzt die Fundamente dieser transatlantischen Beziehungen in Frage gestellt – die Verrechtlichung der internationalen Ordnung ebenso wie die multilateralen Institutionen. Zwar tut Putin das zum Teil auch, und ein Verbündeter in der Ordnungspolitik oder in der künftigen Friedenspolitik in Europa ist er weiß Gott nicht. Aber es gibt eben jetzt trotz aller Differenzen derzeit mehr Interessenüberschneidungen der Europäer mit Moskau, gerade im Fall von Iran, als mit Trumps USA.

Wie die Europäische Union hat auch Russland kein Interesse an der Weiterverbreitung von Atomwaffen und will auch nicht mehr Staaten mit Atomwaffen. Zugleich ist es für Moskau wichtig, das Abkommen eingehalten werden, die es mitunterschrieben hat. Zwar schwächt auch Russland zum Teil internationale Institutionen und die internationale Ordnung, steht aber bezüglich im UNO-Sicherheitsrat für eine gewisse Berechenbarkeit, was man von den USA nicht mehr sagen kann. Zudem hat der Kreml handfeste Wirtschaftsinteressen, denn russische Energieunternehmen investieren im Iran und wären von den Sanktionen der USA ebenso betroffen. Daran haben die Russen überhaupt kein Interesse. Selbst wenn sie zurzeit über die Öl- und Gaspreise von den angedrohten US-Sanktionen profitieren.

Die Strategie Russlands ist, dass Putin sich stärker und in wechselnde Allianzen engagiert, die dem Land nützlich erscheinen. Ursprünglich zog es Putin vermehrt in den Mittleren Osten wegen des Konflikts mit dem Westen beziehungsweise als Folge des Ukraine Konflikts. Mit seinem Engagement in Syrien wollte er seine Verhandlungsposition gegenüber Europäern und Amerikanern verbessern. Es war eine eher defensive Strategie. Inzwischen sieht es eher nach einer offensiven Strategie aus, indem sich Russland tatsächlich als wichtige Macht im Mittleren Osten etabliert. Russland wird von den dortigen Regionalmächten als Akteur anerkannt, mit dem man verhandeln muss und der auch eine gewissen Vermittlerrolle übernehmen kann. Neben der Rolle als sicherheitspolitischer Akteur geht es Russland aber vor allem um ökonomische und energiepolitische Vorteile in der Region.

Das liegt natürlich auch daran, dass der Westen im Moment aufgrund Donald Trumps unberechenbaren Politik sehr schwach ist. Die Amerikaner haben in der Region ein Vakuum geschaffen. Zudem sind die Amerikaner in der Region nicht zuletzt durch Trumps „Terror-Hysterie“ sehr unbeliebt. Viele Staaten haben sich nach Alternativen gesehnt, die Russland zumindest teilweise anbietet. Die Europäische Union ihrerseits sind in der Region sicherheitspolitisch irrelevant und werden aufgrund ihrer inneren Zerrissenheit nicht als Akteure bei der Neuverteilung der Rollen betrachtet.

In Syrien unterstützen Russland und Iran Präsident Assad, was auf eine Achse Moskau-Teheran schließen lässt. Doch diese sollte man wohl nicht überschätzen, denn beide Seiten haben im Moment ein Interesse daran, in Syrien zusammenzuarbeiten, da sie einander brauchen. Die Iraner brauchen die russische Luftwaffe, und die russische Seite braucht die Hisbollah und die iranischen Bodentruppen.

Aber man sieht auch in einzelnen Punkten, dass Iran kein sonderliches Interesse daran hat, dass Russland in der Region zu stark wird, und Russland wiederum will nicht, dass der Iran die dominante Macht in Syrien wird. Russland wünscht sich eher eine ausgewogene Balance zwischen verschiedenen Akteuren, um sich die Beziehungen zu Saudi-Arabien und zu Erdoğans Türkei nicht zu verderben.

von

Günter Schwarz – 24.05.201