(Dublin) – Jubel auf Dublins Straßen! Das strenge Abtreibungsverbot in Irland wird bald Geschichte sein. Ministerpräsident Leo Varadkar spricht von einer „stillen Revolution“ in dem streng katholisch geprägten Land.

Irlands Frauen müssen fortab nicht mehr den Preis für die römisch-katholisch geprägte Scheinheiligkeit ihrer geistigen „Würdenträger“ bezahlen müssen. Zwei Drittel der Wähler (66 Prozent) haben am Freitag entschieden, die Abtreibung in Irland zu erlauben.

Obwohl jedes Jahr über 3000 Irinnen ihre Schwangerschaften im Ausland – namentlich in England – beenden lassen, obwohl über 1000 weitere Frauen illegal Abtreibungspillen übers Internet bestellen und bei Schwangerschaftsabbrüchen ohne ärztliche Betreuung auskommen müssen, hielt die irische Verfassung seit 1983 auf Druck der katholischen Kirche daran fest, der irische Staat müsse das ungeborene Leben ebenso beschützen wie das Leben der werdenden Mutter.

Orla O’Connor, Direktorin des irischen Frauenverbandes, sprach schon am Samstagmorgen zum Beginn der Stimmenauszählung von einem „Urschrei“ des irischen Volkes: „Dieser Verfassungsparagraf solle entfernt werden!“ Und in der Tat fiel das Resultat Querbeet durch alle Regionen deutlich aus. Nur die über 65-Jährigen, denen ihr „fester Glaube“ noch durch massive Züchtigungen der „heiligen Gottesdiener“ derart nachhaltig eingebläut wurde, dass sie ihn nicht mehr kritisch hinterfragen können, lehnten die Reform mehrheitlich ab.

Die Katholische Kirche selbst blieb dagegen kleinlaut in den letzten Wochen, denn ihre Autorität ist durch die Missbrauchsskandale der letzten zwanzig Jahre heillos beschädigt und merklich gemindert worden. Das katholisch geprägte Wunschdenken der „Kirchenfürsten“, das 1983 zur Einführung dieses Verfassungsartikels führte, ist merklich im Schwinden begriffen.

Zum sechsten Mal innerhakb von 35 Jahren hat Irland über die Abtreibung abgestimmt. Erstmals fand eine rationale Diskussion statt, bei der es nicht nur um theologische und gynäkologische Spitzfindigkeiten ging, sondern vornehmlich um das Wohlbefinden von Frauen.

Wie schon vor drei Jahren, als Irland als erstes Land der Welt die gleichgeschlechtliche Ehe in einem Volksentscheid anerkannte, erzählten sich Iren und Irinnen persönliche Geschichten. Frauen berichteten von hochnotpeinlichen, oftmals heimlichen Reisen nach England, von der Scham und der Einsamkeit. Frauen berichteten von ihren ungeborenen Kindern, die über keine Überlebenschancen verfügten. Die Wähler hörten diese Lebensgeschichten und beschlossen, der Doppelmoral ein Ende zu setzen.

Das irische Abgeordnetenhaus, der Dáil, hat nun den Verfassungsauftrag, Abtreibungsgesetze zu erlassen. Die Regierung von Premierminister Leo Varadkar hat eine Fristenlösung bis zwölf Wochen versprochen. Angesichts der Klarheit des Resultats wird sich der Dáil dieser Aufgabe nicht mehr entziehen können – Irland verlangt Ehrlichkeit.

von

Günter Schwarz – 27.05.2018