(München) – Die Europäische Union braucht nach Ansicht der Bundeskanzlerin Angela Merkel ein einheitliches Asylsystem und mittelfristig eine eigene Behörde. Zudem forderte Merkel einen Umbau der europäischen Institutionen. Nur so könne die EU als globaler Akteur handeln.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht Europa am Scheideweg und fordert tiefgreifende Reformen – nicht nur in der Außen-, Flüchtlings- und Wirtschaftspolitik, sondern auch in den europäischen Institutionen. Bleibe die EU stehen, werde sie im globalen Gefüge zerrieben, warnte die CDU-Chefin am Mittwochabend in einer Grundsatzrede in München. „Wenn Europa ein globaler Akteur sein will, dann muss es sich auch wie ein globaler Akteur verhalten.“ Das erfordere Mühe, Mut und Entschlossenheit – „und kostet auch Geld“.

In der Rede bei einer Klausurtagung der Europäischen Volkspartei präzisierte Merkel die Vorschläge für die Zukunft Europas, die sie am Wochenende in einem Interview der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ gemacht hatte. Ihr Grundtenor: Europa müsse in einer unsicheren Welt eine neue und entschlossene Rolle für sich finden und ein „neues, umfassendes Sicherheitsversprechen“ für seine Bürger einlösen. Damit greift sie einige Ideen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron auf – und setzt einige eigene Akzente.

Eindringlich forderte die Kanzlerin eine Reform der europäischen Flüchtlingspolitik – eine Aufgabe, bei der die EU-Innenminister diese Woche nicht vorangekommen waren. „Wenn es uns nicht gelingt, eine gemeinsame Antwort auf Fragen der illegalen Migration zu finden, dann werden die Grundfesten der Europäischen Union infrage geraten“, sagte Merkel. „Deshalb ist wirklich hier Handeln geboten.“

Sie bekräftigte ihre Forderungen nach einem einheitlichen europäischen Asylsystem und mittelfristig auch einer europäischen Asylbehörde. Denn das wäre nötig, um die Freizügigkeit in Europa und damit den Binnenmarkt zu erhalten. Nötig seien dabei gemeinsame Standards entsprechend der europäischen und internationalen Verpflichtungen wie der Genfer Konvention.

Um die Zuwanderung nach Europa dauerhaft zu verringern und kontrollieren zu können, reichten aber weder eine europäische Grenzpolizei noch Abkommen mit anderen Staaten. „Wir brauchen eine wirkliche Fluchtursachenarbeit, wir brauchen Entwicklungschancen in den Herkunftsländern“, sagte Merkel. Die Länder müssten hier ihre bereits vorhandenen Einzelinitiativen besser koordinieren.

Darüber hinaus bekräftigte die Kanzlerin ihre Forderung nach einem Umbau der europäischen Institutionen: Aus dem bisherigen Eurorettungsschirm soll ein europäischer Währungsfonds werden. Für eine schlagkräftige Außenpolitik will sie einen europäischen Sicherheitsrat. Dieser soll nach Merkels Worten im Rotationsprinzip etwa zehn Mitglieder haben und rasch Entscheidungen treffen.

Merkel plädierte zudem dafür, die Arbeit des Europäischen Parlaments nur noch auf einen Standort zu konzentrieren – ein seit Jahren debattiertes Streitthema. Derzeit ist die Arbeit auf drei Standorte verteilt: Brüssel, Straßburg und Luxemburg. Vor allem Frankreich leistet erbitterten Widerstand gegen die Idee, den Standort Straßburg aufzugeben, obwohl Politiker aller Fraktionen lieber nur noch in Brüssel tagen würden. Sie reisen einmal im Monat mit allen Mitarbeitern und Akten nach Straßburg, was Millionenkosten verursacht.

Zudem warb Merkel erneut dafür, die EU-Kommission zu verkleinern und künftig bei Europawahlen sogenannte transnationale Listen zu nutzen, also Kandidatenlisten, für die EU-Bürger unabhängig vom Heimatland stimmen können. Nur dann machten auch Spitzenkandidaten wirklich Sinn.

Die EVP-Fraktion steckt in der dreitägigen Klausur bis Freitag ihre politische Linie für die nächsten Monate ab – rund ein Jahr vor der Europawahl 2019. Fraktionschef Manfred Weber sagte: „Unsere Hauptaufgabe ist der Kampf gegen die Extremisten in Europa, die den Menschen erzählen, dass nationaler Egoismus vor Partnerschaft geht, dass das funktionieren kann.“ Die EVP stehe für das Brückenbauen, für Partnerschaften zwischen Nord und Süd, zwischen Ost und West. In einer sich fundamental wandelnden Welt müsse „Europa erwachsen werden, muss Europa an Stärke gewinnen“.

von

Günter Schwarz – 09.06.2018