(København) – Ghettos, Ghetto-Eltern und Ghetto-Kinder: Die dänische Regierung will Einwanderer zunehmend zur Integration zwingen und bringt deren Kindern für 25 Stunden pro Woche die „dänische Lebensart“ bei. Damit will die Regierung gegen Integrationsdefizite angehen.

Kinder im Alter von einem Jahr und die nach Einschätzung der dänischen Regierung in einem Problembezirk wohnen, sollen künftig für 25 Stunden pro Woche von ihren Eltern getrennt in „dänischen Werten“ unterrichtet werden. Weigern sich die Eltern, ihre Kinder daran teilnehmen zu lassen, könnte es eine Kürzung von Sozialleistungen wie z. B. dem Kindergeld zur Folge haben.

Eines der sogenannten „Ghettos“ im Norden Københavns ist Mjölnerpark, ein Straßenzug nahe dem Stadtteil Nørrebro. Hier leben ungefähr 2.000 Menschen aus 30 unterschiedlichen Ländern. Die Integration gilt in diesem Viertel als gescheitert. Arbeitslosigkeit und Straffälligkeit in Verbindung mit Bandenkriminalität sind hoch. In den Nachrichten taucht der Stadtteil regelmäßig im Zusammenhang mit Auseinandersetzungen von Banden immer wieder auf. In ganz Dänemark zählen 16 Gegenden nach der Klassifizierung der dänischen Regierung als Ghettos. Rund zehn Prozent der Bewohner Dänemarks sind Nicht-Europäer.

Gegen die verfehlte Integration hat die Regierung nun einen 22-Punkte-Plan entwickelt. Dazu gehört auch die Pflicht, Kinder ab einem Jahr eine Kindertagesstätte besuchen zu lassen. Kriminelle Vergehen sollen in manchen Gegenden zudem höher bestraft werden als anderswo. Der dänische Statsminister Lars Løkke Rasmussen will auf diese Weise das Dänentum schützen: „Die Ghettos müssen weg. [Wir haben uns gefragt,] ob wir die Möglichkeit zu einer angemessenen Unterscheidung auf Basis objektiver Kriterien haben. Ja, die haben wir.“

Nazanin (Name von der Redaktion geändert), stammt aus dem Iran und lebt seit fünf Jahren in Dänemark: „Wenn Menschen nach Dänemark kommen, ziehen sie es vor, in ihrer eigenen Gemeinschaft zu bleiben. Einige Orte werden zu Zentren von Einwanderern. Mir kommt es so vor, als seien die Dänen gegenüber den Ausländern sehr unflexibel. Die nennen diese Orte Ghetto und denken, dass alle Probleme der Integration von hier stammen. Deshalb ändern sie die Regeln für die Menschen, die dort leben. Wenn man dort lebt, muss das Kind in den Kindergarten gehen. Aber die Dänen, die 100 Meter weiter außerhalb des Ghettos leben, müssen ihre Kinder nicht in den Kindergarten bringen. Wenn ein Ghetto-Bewohner etwas stiehlt, muss er dreimal solange dafür in Haft, wie ein Krimineller, der außerhalb der Ghetto-Zone lebt.“

Als Nazanin heiratete musste sie einen Vertrag unterschreiben, dass sie innerhalb fünf Jahren zur Dänin wird: „Ich kam zuerst mit einem Arbeitsvisum nach Dänemark. Aber dann, wegen der Heirat, beantragten wir ein Visum zur Familienzusammenführung. Ich musste einen Vertrag unterschreiben, wonach ich innerhalb von fünf Jahren die Sprache erlerne und mich wie eine Dänin verhalte. Sie frieren auch 50.000 dänische Kronen (6.700 Euro) des Partners ein. Wenn ich die Auflagen des Vertrags verletze, wird das Geld einbehalten. Jetzt haben sie es, glaube ich, auf 100.000 Kronen (13.400 Euro) erhöht. Als Voraussetzung für eine Heirat muss mein Ehepartner 26 Jahre lang in Dänemark registriert gewesen sein. Seit zwei Jahren gibt es zur Integration auch noch einen neuen Test. Ein 120-Seiten Buch über dänische Geschichte, Kultur und Politik muss gelesen und ein Test bestanden werden.“

Jetzt, droht die Ehe auseinanderzubrechen. Das Kind ist in Dänemark geboren und hat nur einen dänischen Pass. Nach EU-Recht kann man ihr nicht verwehren in Dänemark zu bleiben. Das dänische Recht aber bietet wenig Schutz für die Mutter.

Um die Ausweitung der Ghettos zu unterbinden, werden Sozialhilfeempfängern bei Zuzug in ein solches Gebiet Leistungen gekürzt. Wohnblöcke sollen sich nach dem Willen der Regierung in Zukunft stärker gemischt zusammensetzen. Als Ghetto gilt der dänischen Regierung ein Wohngebiet dann, wenn die Arbeitslosenquote bei über 40 Prozent liegt, 50 Prozent der Bewohner Eltern haben, die aus nicht-westlichen Ländern kommen, sowie wenn der Einkommensdurchschnitt sehr gering ist und unter 55 Prozent des dänischen Durchschnitts liegt.

von

Günter Schwarz – 13.07.2018