(Ankara / Washington) – Schwere Eskalation in den amerikanisch-türkischen Beziehungen: Washington verlangt ultimativ die Freilassung eines Pastors. Der ist seit zwei Jahren in Händen der türkischen Justiz. Es war trotz gegenseitiges Schulterklopfen immer ein Auf und Ab zwischen Streit und Versöhnung der beiden Egomanen. Doch am Donnerstag raste der Wagen mit Tayyip Erdoğan und Donald Trump in einen großen Looping, bei dem nicht mehr sicher war, ob nicht einer oder gleich beide Präsidenten aus ihrer Achterbahn fliegen. Und mit ihnen die NATO.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan zeigt sich im Streit um einen in der Türkei inhaftierten US-Priester Pastor Andrew Brunson hart, der seit knapp zwei Jahren in der Türkei unter Hausarrest steht. Nicht weniger hart zeigen sich Amerikas Präsident Donald Trump und sein Vize Pence, indem sie die Freilassung des Pastors fordern und mit Strafmaßnahmen drohen, sollte Brunson nicht freigelassen werden, woraufhin der Streit sich weiter zugespitzt hat.

Er werde Sanktionsdrohungen von US-Präsident Donald Trump nicht nachgeben, sagte Erdoğan dem Sender Haberturk und in anderen Medienberichten. Die Freundschaft zwischen den USA und der Türkei sei gefährdet.

Dem Pastor werden Spionage und die Unterstützung der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK und weiterer terroristischer Organisationen vorgeworfen. Zudem soll er soll Teil der Gülen-Bewegung sein, die für den Putschversuch in der Türkei in der Nacht vom 15. auf den 16. Juli 2016 verantwortlich gemacht wird. Am Mittwoch hatte ein türkisches Gericht Brunsons Untersuchungshaft in Hausarrest umgewandelt.

Der Pastor aus North Carolina lebt und arbeitet seit rund zwei Jahrzehnten in der Türkei. Er betreut eine Gemeinde in Izmir. Im Oktober 2016 wurde Brunson festgenommen. Seine nächste Gerichtsverhandlung soll am 12. Oktober 2018 stattfinden. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 35 Jahre Gefängnis. Brunson hat die gegen ihn gerichteten Vorwürfe zurückgewiesen.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan soll laut Medienberichten vorgeschlagen haben, Brunson auf freien Fuß zu setzen, wenn im Gegenzug das in den Vereinigten Staaten lebende Oberhaupt der Gülen-Bewegung, Fethullah Gülen, an die Türkei ausgeliefert wird. „Wir werden keinen Schritt zurückweichen, wenn wir mit Sanktionen bedroht werden“, sagte Erdoğan demnach. „Sie dürfen nicht vergessen, dass sie einen starken und aufrichtigen Partner verlieren werden, wenn sie ihre Haltung nicht ändern.“ Die Drohungen der USA bezeichnete er als „psychologische Kriegsführung“.

US-Präsident Donald Trump hatte über den Kurznachrichtendienst Twitter „große Sanktionen“ angekündigt, wenn die Türkei den Pastor Andrew Brunson nicht freilasse. Details nannte er wie üblich in seiner Twitter-Mitteilung nicht.

Brunson gehört den nach eigenen Angaben 600 Gemeinden und ungefähr 145.000 Mitgliedern zählenden „Evangelikalen Presbyterianischen Kirchen“ an. Der 1981 gegründete Kirchenzusammenschluss beruft sich insbesondere auf die Theologie des Reformators Johannes Calvin. Die Kirchen betreiben ein „Weltmissionsprogramm“.

von

Günter Schwarz – 29.07.2018