Die Kabarettistin und Bühnenkünstlerin Dagmar Hansen, die als Dänemarks erstes „Pin-up-Girl“ zu einer nationalen Sensation wird, betritt am 12. November 1871 in Rungsted am Øresund nördlich von København die Bühne des Lebens. Ihr vollständiger Name lautet Dagmar Julie Augusta Hansen.

Dagmar Hansen, Tochter eines Schmiedes, zeigte schon früh ein vielversprechendes Bühnentalent. Daniel Krum, der Ballettdirektor des Det Kongelige Teater (Das Königliche Theater), bat sie im Alter von 10 Jahren, der Ballattgruppe des Theaters beizutreten. Ihr Vater weigerte sich jedoch, dieses zuzulassen. Dennoch gab sie ihr Bühnendebüt schon im Alter von 11 Jahren in der Rolle eines Kindes im Fantasy-Spiel „Tommeliden“ (Däumling) im Casino Teater in København. Sie begann auch im Alter von 13 Jahren im Chor der Sankt Stefans Kirke in Københavns Stadtteil Nørrebro zu singen.

Auch reifte Dagmar Hansen frühzeitig körperlich und wurde somit ein Jahr früher als üblich konfirmiert. Ihr reifes, körperliches Erscheinungsbild ermöglichte es ihr, shon mit 14 Jahren an einer Theaterrevue teilzunehmen. Ihre Auftritte wurden in der Presse wegen ihrer angenehmen Singstimme, ihrer charmanten Präsenz und ihrer gut entwickelten Figur kritisch gelobt. Als jedoch ein Zeitungsinterview ihr Alter offenbarte, verursachte es einen Skandal und Hansen zog für ein Jahr nach Schweden zurück, um der öffentlichen Aufmerksamkeit zu entgehen.

Im Jahr 1890 arbeitete Hansen am Morskabsteater und in der Nationalteaterrevue. Sie sang ein speziell für sie geschriebenes Repertoire, darunter Stücke wie „Aah, Dagmar“ und „Linger Longer Loo“, und trat in kleinen, knapp geschnittenen Kostümen auf, die sie selbst entworfen und geschneidert hatte.

Die nationalen Zeitungen lobten ihre erotischen Darbietungen und 1895 wurde das von Olfert Jespersen geschriebene Lied „Oh Dagmar“ zur Sensation. Hansen wurde Dänemarks erstes „Pin-up-Girl“, als sie für eine Reihe rassiger Postkarten und der Fotoalben „Dagmar-Album i 31 Billeder“, 1899 und „Dagmar-Album i 49 Billeder“, 1910 posierte. Sie posierte auch als Aktmodell für mehrere dänische Künstler, darunter das Gemälde von Julius Paulsen (1887), „Adam og Eva“ und die Skulptur von Vilhelm Bissen aus dem Jahr 1890, „En Jægerinde“.

Hansens Auftritte als erotische Sängerin brachten sie in Konflikt mit der öffentlichen Moral. 1899 wurde ihr verboten, in der Hauptstadt København aufzutreten. Als sie 1900 in Københavns Vorort Hellerup mit dem Bau einer Villa begann, schrieben die Nachbarn Petitionen an das Rathaus, um es zu verhindern. Sie erhielt jedoch die Unterstützung von Kong Frederik VIII., König von Dänemark, der ihr erlaubte, in einer Revue in Charlottenlund außerhalb der Stadt aufzutreten. Ihr Erfolg setzte sich fort und der Zug auf der Fahrt zahlreicher Revuebesucher nach Charlottenlund erhielt bald den Beinamen „Dagmar Toget“ (Dagmar Zug). Doch Dagmar Hansen reiste mit ihrer Show auch ins Ausland und gastierte in Hamburg, Berlin, St. Petersburg, Holland, Ungarn und Schweden.

1906 heiratete Hansen in London einen deutschen Geschäftsmann. Es war der 21-jährige Max Moritz Fritz Heinemann, der 14 Jahre jünger als sie war. Sie lebten in Hamburg bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs, als die deutsche Armee Heinemann einberief und ihn an die Westfront schickte. Hansen kehrte nach dem Kriegsausbruch ins neutrale Dänemark zurück und setzte in ihrer Heimat ihre Karriere als Operettensängerin fort.

Nach dem Krieg zog ihr durch Senfgas erkrankter und schwer gezeichneter Mann zu ihr nach Dänemark.

Dagmar Hansens Schwester starb 1925. Hansen, die nie eigene Kinder hatte, übernahm sodann die Vormundschaft über die Kinder ihrer Schwester und zog diese groß.

1928 zog sich Hansen im Alter von 57 Jahren von der Bühne zurück. Ihr Mann starb 1954, und sie zog daraufhin in ein Altersheim in ihrer Heimatstadt Rungsted, wo sie am 13. April 1959 im Alter von 87 Jahren verstarb.

Dagmar Hansen wurde auf dem Assistens Kirkegård in København beigesetzt.

von

Günter Schwarz – 12.11.2018