(Oldenburg/H.) – Experten und Helfer des Archäologischen Landesamts Schleswig-Holstein graben Schaufel um Schaufel im Olburger Bruch und finden einen vor mehreren tausend Jahren verlandeten Fjord. Aus der Sicht der damaligen Menschen war der Ort ideal mitten zwischen zwei Anhöhen und nahe am Meer gelegen.

Zwischen tausende Jahre alten Holzpfählen haben die Archäölogen Überreste von acht menschlichen Schädeln ausgemacht. Dieses Mal war es ein Unterkiefer samt Zähnen. „Wir vermuten, dass in der Nähe eine größere Siedlung gewesen sein könnte, vermutlich auf einer der Geländekuppen“, sagt Grabungsleiterin Mirjam Briel, „sie wollten ja keine nassen Füße kriegen.“

Stimmt Briels These, handelt es sich um eine der ältesten Siedlungen Schleswig-Holsteins. Ein Nachweis dieses Steinzeitortes fällt wegen der Erosion und möglicher jüngerer Siedlungen an gleicher Stelle aber ungleich schwieriger. „Denn es gab in der Jungsteinzeit nicht so viele Siedlungsplätze in Norddeutschland“, sagt sie.

Unter einer mehrere Meter dicken Torfschicht machten sie in den vergangenen Monaten immer mehr Entdeckungen, und deshalb verlängerten sie die Grabungen. „Wir haben mittlerweile 140 Holzpfähle ausgegraben, die mehrere Pfostenreihen gebildet haben“, sagt Briel. Außerdem wies sie mehr als 300 Staken nach. Möglicherweise sind es Reste von Fischfanganlagen. Nachweislich dienten einige aber auch zum Fixieren der Wege.

Sie misst dem Fund eine wissenschaftlich hohe Bedeutung bei: „Es deutet vieles darauf hin, dass es sich um eine Steganlage aus der Jungsteinzeit handelt.“ Dort, wo heute eine Moorlandschaft ist, war früher einmal Wasser. Und die Ausmaße der steinzeitlichen Funde sind groß. Rund 30 Meter lang war die etwa 3.600 Jahre alte Steganlage. An den Wegeresten fand Briels Team auch eine vollständige Wagenachse aus Holz sowie Reste weiterer Achsen.

Geradezu fasziniert ist die Archäologin auch von einem der jüngsten Funde. „Es handelt sich um einen Baumstamm mit einer Rinne in der Mitte, der genau im Uferbereich lag.“ Dieser war mit Hilfe von Staken und Pfosten fixiert. „Deshalb denken wir, dass es sich möglicherweise um eine Slipanlage für Boote handelt.“

Gefunden haben die Archäologen auch etliche Steinwerkzeuge sowie Tierknochen und Teile menschlicher Schädel. „Zu deren Alter können wir noch nichts sagen“, sagt Briel. Hinweise auf einen Opferplatz im Moor gebe es nicht. Wahrscheinlicher sei, dass die Schädel von einem frühzeitlichen Friedhof stammen und durch eine Flut an die Fundstelle getrieben wurden.

„Das ist ein wirklich spektakulärer Fundplatz“, schwärmt die Grabungsleiterin. Rund 30 sogenannte „Rettungsgrabungen“ hat die Deutsche Bahn im östlichen Schleswig-Holstein finanziert. Die Archäologen graben an lohnenswerten Punkten entlang der 80 Kilometer langen zukünftigen Bahntrasse zum geplanten Fehmarntunnel. „Wir sichern die Bodendenkmäler, bevor sie durch den Bau der Bahntrasse endgültig zerstört werden“, sagt Projektleiter Erich Halbwidl vom Archäologischen Landesamt. Meist laufen fünf Grabungen parallel, denn nur noch gut ein Jahr haben sie Zeit. Bis Ende 2019 müssen alle Grabungen abgeschlossen sein.

von

Günter Schwarz – 24.11.2018