Was geschah am 20. Januar 1945 in unserem Dänemark?
Dänische Widerstandsmänner töten die Schwedin Jane Horney auf einem Fischerboot vor Kullen im Øresund in der Annahme, dass sie eine Spionin war.
„Jane“ Ebba Charlotta Horney, verheiratete Granberg, war eine Schwedin, die am 20. Januar 1945 von Mitgliedern der dänischen Widerstandsbewegung auf einem Fischerboot im Øresund zwischen Höganäs in Schweden und Rungsted in Dänemark liquidiert wurde. Die Gestapo in Dänemark hielt sie für eine britische oder sowjetische Agentin, Während der dänische Widerstand sie für eine deutsche Spionin hielt. Nach dem Krieg wurde bestritten, dass sie eine Gestapo-Agentin war, und dänische Abwehrbeamte erkundigten sich beim Säpo (schwedischer Sicherheitsdienst) danach, ob sie jemals bei ihm Agentin der Abwehr war.
Jane Horney wurde am 8. Juli 1918 in Schweden geboren. Sie war die Tochter des Bauingenieurs Fredrik Horney und seiner Frau. Jane Horney war das älteste Kind der 3 Kinder des Paares: Jane (Ebba), Johan und Britt-Marie. Ihre Mutter war in Dänemark geboren und aufgewachsen und hatte eine Ausbildung zur Krankenschwester. Auch war sie hochreligiös und Mitglied der Pfingstmission.
Im Alter von 14 Jahren ging sie für ca. ein Jahr nach Großbritannien, um Englisch zu lernen. Sie lebte bei einer alten Bekannten ihres Vaters in London. Als 16-jährige erhielt sie einen Führerschein für ein Motorrad und kaufte ein Motorrad für 75 Kronen. Sie fuhr mit dem Motorrad nach København.
Ab dem Alter von 16 Jahren und ihrer Rückkehr aus Großbritannien nannte sich Ebba Horney „Jane“. Sie besuchte bis zur 7. Klasse Anna Sandströms strenge Privatschule für Mädchen in Stockholm. Nach der siebten Klasse verließ sie die Schule und versuchte, in Hässleholm ein Realschulabschluss zu machen. Aber der dortige Schulbesuch dauerte nur ein Jahr, und Jane verließ die Schule ohne Abschluss.
Im Alter von 18 Jahren kaufte sie sich von ihren Ersparnissen ein Auto, einen Ford des Baujahrs 1928.
Als 19-jährige reiste Jane als Touristin nach Grønland. Die Reise war sehr teuer, also wandte sie sich an den KGH (Kongelige Grønlandske Handel / Königlicher Grönland Handel) und bekam dort eine Arbeit. Die Tour begann im April 1938 und endete im Januar 1939. Danach kehrte sie zu ihren Eltern im Arkitektvägen 69 nach Stockholm zurück, wo sie das Schreiben auf einer Maschine erlernte und begann, ihre Reiseerfahrungen aus Grønland an die Sonntagsbeilage der Stockholmer Zeitung zu verkaufen. Der Herausgeber der Beilage war Herje Olof Sixten Granberg, er verliebte sich in sie und nahm sie zur Frau.
Im Herbst 1941 wurde ihr Ehemann Korrespondent seiner Zeitung in Berlin, und sie folgte ihm dorthin. Das Ehepaar wurde jedoch 1943 geschieden und sie zog daraufhin nach Dänemark, wo sie dann einige Zeit bei dem Skandinavisk Telegrambureau (skandinavische Nachrichtenagentur) in København arbeitete, bis si dann nach Schweden zurückkehrte.
Während ihres Aufenthalts in Berlin hatte Horney mit Diplomaten und Reportern Kontakt aufgenommen. Dieses veranlasste die Geheimdienste, sich für sie zu interessieren. Der Deutsche Horst Gilbert (geb. 1889) hatte im Ersten Weltkrieg als Offizier in der deutschen Armee gedient; Danach ging er in die Sowjetunion, wo er am Aufbau der Roten Armee teilnahm. Er war auch mit Alexandra Kollontai befreundet. 1934 wurde Gilbert in die Ernst-Röhm-Affäre verwickelt und ebenso in Kurt von Schleichers Staatsstreichversuch gegen Adolf Hitler. Daraufhin wurde er kurz inhaftiert und danach 1936 als Geheimdienstoffizier nach Dänemark geschickt.
Gilbert wird als einer von Admiral Wilhelm Canaris‘ Männern angesehen. Wie der Admiral war auch er vermutlich 1944 an der Stauffenberg-Verschwörung vom 20. Juli 1944 beteiligt. Am 14. Oktober 1944 wurde Gilbert in seinem Büro im Zentrum von København von einer dänischen Widerstandsgruppe, die von der ehemaligen Nonne Ella von Cappeln angeführt wurde, angeschossen und schwer verletzt. Er verstarb einen Monat später an den Folgen seiner Verletzungen.
Gilbert wurde auch verdächtigt, ein Agent der Sowjets zu sein, weil es ihm im Januar 1944 zusammen mit Horney als Kurier gelang, ein Treffen mit seiner alten Freundin Kollontai in Stockholm zu arrangieren. Im selben Winter hatte Horney auch den Regierungsrat Ernst Züchner bei Gilbert getroffen. Die beiden Männer hatten die Möglichkeit eines Seperat-Friedens zwischen Deutschland und der UdSSR diskutiert. Laut Züchner handelte Gilbert im Auftrag von Admiral Canaris.
In Schweden hatte Horney Verbindungen zu alliierten Geheimdienstleuten, wie zum Beispiel zu Ronald Turnbull, Chef der Special Operations Executive in Dänemark. Sie berichtete auch den schwedischen Geheimdienstleuten Martin Lundqvist und Otto Danielsson. Danielsson überlegte, sie weiter zu verwenden, da sie „keine moralischen Bedenken“ hatte, wenn es darum ging, Agenten aufzuspüren und so zu tun, als wäre sie verliebt.
Bei einer Befragung informierte Horney die Säpo, dass sie Gilbert dabei geholfen hatte, Kollontai zu treffen, indem sie sich mit dem TASS-Korrespondenten Alexander Pavlov in Stockholm in Verbindung gesetzt hatte. Pavlov war ein Agent für den sowjetischen Geheimdienst NKWD. Berichten zufolge informierte sie den schwedischen Kommunisten Per Meurling über deutsche Truppentransporte entlang der Ostküste Schwedens.
Laut Autor Jan Bergmans Buch „Sekreterarklubben“ von 2014 arbeitete Horney tatsächlich für das militärische Geheimdienstbüro „C-byrån“ . Es gab einen harten Wettbewerb zwischen diesem und der schwedischen Geheimpolizei, nicht zuletzt aufgrund der starken pro-deutschen und teilweise pro-nationalsozialistischen Tendenzen innerhalb der Geheimpolizei. Bergman zufolge gab die Geheimpolizei dem dänischen Widerstand absichtlich eine äußerst einseitige und negative Version von Horney und ihren Aktivitäten.
In Stockholm stand Horney auch in Kontakt mit Heinz Thorner, der im August 1944 ihre Hilfe brauchte, um Fotos von deutschen Opfern alliierter Luftangriffe in der amerikanischen Zeitschrift „Life“ zu erhalten. Das scheiterte, obwohl Horney die Fotos in einer Wohnung in der Rindögatan 42 aus Stockholm abholte. Im selben Gebäude hatte sie ein Treffen mit Mitgliedern des deutschen Widerstands, und hier wurde auch der Norweger Kai Holst, ein Seeman und Widerstandskämpfer, im Juni 1945 tot aufgefunden, wobei bis heute ungeklärt ist, ob er Selbstmord beging oder ermordet wurde.
Im Sommer 1944 informierte „Flame“, ein Mitglied des dänischen Widerstands, Frode Jakobsen, dass er den Auftrag erhalten hatte, eine schwedische Frau namens Jane Horney Granberg zu ermorden, und er fragte, wie Jakobsen sich dazu stellte. „Flame“ überlebte den Krieg nicht, aber laut Jakobsen antwortete er, er habe noch nie von ihr gehört und habe daher keine Meinung dazu.
„Flame“ versuchte vergeblich, Horney bei einem Besuch in København im Juli 1944 zu ermorden, und im August reiste er nach Stockholm ab, in der Hoffnung, dort Erfolg zu haben. Jakobsen zufolge wurde der Mord von den Engländern über die britische SOE (Special Operations Executive) angeordnet, aber in Schweden erklärte „Flame“, dass der Befehl aus Dänemark stammte. Berichten zufolge verhinderte die SOE-Führung in Stockholm dies, und eine Woche später kehrte „Flame“ nach Dänemark zurück.
Am 14. August 1944 veröffentlichte die illegale Zeitung „Information“ eine Warnung vor Jane Horney und behauptete, sie sei eine deutsche Spionin und Informantin, und die Zeitung beschrieb ihren sozialen Kreis. Daraufhin wurde sie am 19. September 1944 von der schwedischen Polizei festgenommen, aber nach langen Verhören wieder freigelassen.
Auf einer Party kurz nach Weihnachten 1944 trafen die Mitglieder des dänischen Widerstands Sven Aage Geisler und Asbjørn Lyhne auf Horney, die sich von Geislers Charme angezogen fühlte. In den folgenden Wochen hielten Geisler und Lyhne ihren Kontakt zu ihr intensiv aufrecht und gaben viel Geheimdienstgeld für das hektische Stockholmer Nachtleben aus.
Dänen konnten keinen schwedischen Staatsbürger auf schwedischem Territorium hinrichten, und so planten sie, sie dazu zu bringen, dass sie ihnen so vertraute, dass sie Horney dazu bringen konnten, nach Dänemark zurückzukehren, um sich von den Spionagevorwürfen zu reinigen.
Am 17. Januar 1945 fuhr sie dann mit dem Nachtzug nach Malmö, begleitet von Geisler, Lyhne und ihrer Freundin Bodil Frederiksen, einer dänischen Widerstandskämpferin, die nach Hause fuhr und dasselbe über Horney dachte. In Malmö verbrachten die vier die Nacht im Grand Hotel, wo der Attentäter von Horney bereits eingecheckt hatte. Hier warteten sie auf eine illegale Überfahrt über den Øresund.
Ein Hotelportier sagte später der Polizei, dass er Horney und Geisler nach ihrem Verhalten für Verlobte hielt. Als Horney darüber informiert wurde, dass Geisler und Lyhne nicht mit ihr nach Dänemark kommen würden, bestand sie darauf, am Abend des 19. Januar 1945 ein Abschiedsessen im Hotel, das heute Savoy heißt, zu veranstalten. Nach dem Abendessen um 22:00 Uhr fuhren Horney und Frederiksen mit dem Attentäter in verschiedenen Taxis, bis sie Höganäs außerhalb von Helsingborg erreichten. Kurz nach Mitternacht verließen sie den Hafen im Fischkutter „Tärnan“ (Seeschwalbe).
Am frühen Morgen des 20. Januar 1945 wurde Jane Horney erschossen, ihr Körper mit Eisenketten umwickelt und ins Meer geworfen. Der Mord soll auf schwedischem Territorium in Laröd nördlich von Helsingborg verübt worden sein, während dänische Behörden behaupten, die Liquidation sei auf dänischem Territorium begangen worden. Die einzigen Zeugen, die das eine oder andere bestätigen können, waren wahrscheinlich nur der Bootsführer der „Tärnan“ und der Mörder „Jens“, der später als Hjalmar Ravnbo identifiziert wurde und der sie nach eigener Aussage erschossen hat.
Höchstwahrscheinlich befahl der dänische Geheimdienstler Nils Bjarke Schou den Mord im Auftrag der SOE. Der Historiker Hans Christiansen Bjerg behauptet in seinem Buch Ligaen, dass die SOE hinter dem Attentat stünde, jedoch ohne ausreichende Dokumentation, während der Journalist Erik Nørgaard in seinem Buch den Eindruck zu haben scheint, die Initiative komme von den Dänen, und die Briten übernahmen lediglich die Verantwortung dafür .
von
Günter Schwarz 20.01.2019